Künstliche Intelligenz

Vom Silicon Valley lernen

24. Oktober 2025
Hamburger Use Cases, Europas Stärken und Einblicke in das US-KI-Ökosystem – der AI.Summit 2025 bot internationale Learnings

Das beste beider Welten vereinen – dafür plädierte Oliver Schramm beim AI.Summit am 21. Oktober im Emporio Tower in der Hamburger City. Der Diplomat in Residence und Fellow am German Institute for Global and Area Studies (GIGA) in Hamburg verwies auf den kreativen Gründergeist im Silicon Valley, wo gefühlt jeder Barista ein Unternehmen aufbaue und jeder Dogwalker eine App entwickle. „Diesen Spirit können wir hier auf unsere Art umsetzen. Die Vorteile der EU liegen in ihrem Fokus auf Qualität, Sinnhaftigkeit und Trust. Die Technik soll den Menschen dienen, nicht umgekehrt.“ Kombiniert mit dem Willen zu „Speed & Skale" – also der Fähigkeit, kluge Ideen schnell zu realisieren, sie durch Markteinführung zu erproben und sie erst anschließend zur Perfektion zu bringen – könnte Europa im KI-Wettlauf mit den USA und China klar punkten.

KI-Skills und Talente stärker nutzen

Geschwindigkeit ist nötig, betonte auch Gastgeber Ragnar Kruse, der die internationale Konferenz zusammen mit Petra Vorsteher zum vierten Mal in Hamburg realisierte. „Aktuell wird KI immer noch unterschätzt“, beobachtet der Co-Founder der AI.Group. „Gerade angesichts der unsicheren globalen Lage müssen wir unsere KI-Skills und Talente viel stärker nutzen. Und sie ausbauen.“ Hamburg verfüge über ausgezeichnete Hochschulen, doch die KI-Ausbildung müsse als selbstverständliches Element in die Lehre integriert werden, damit sie in der Wirtschaft ihre volle Kraft entfalten kann. „KI bietet bereits heute marktfähige und bezahlbare Lösungen für immer mehr Geschäftsfelder.“ 

Unternehmen wie Otto Group, Trustpilot oder Fielmann Group, bestätigten Kruses Einschätzungen und präsentierten den gut 400 Teilnehmer:innen verschiedene Use Cases.

Petra Vorsteher und Ragnar Kruse posieren vor einer Bühne mit dem Schriftzug „AI Summit 2025“ und jemand fotografiert sie mit dem Smartphone.
Gründer der AI.Group und Initiatoren des AI.Summits: Petra Vorsteher und Ragnar Kruse

Otto Group: GEO ist das neue SEO

Die Otto Group ist schon ein alter KI-Hase. „Wir blicken auf bald 15 Jahre KI-Erfahrung im Zuge unserer digitalen Transformation“, betont Saskia Dupré, Programmmanagerin GenAI bei Otto. Und sie ist zufrieden. „Wir haben einen erheblichen Impact erzielen können.“ Der 2023 entwickelte Chatbot „ogGPT“ wird von den Mitarbeiter:innen – dank praktischen Mehrwerts bei der täglichen Arbeit – gut angenommen und die von der Otto-Tochter One.O entwickelte KI-Plattform MOVEX Virtual Content Creator erstellt KI-Produkt- und Hintergrundfotos, Videos sowie Bilder für den Outfit Generator, was zu 70 Prozent eingesparter Bildproduktionszeit und 60 Prozent geringerer Produktionskosten geführt hat. Zusammen mit dem Venture-Capital-Unternehmen Headline treibt die Otto Group die Implementierung von GEO (Generative Engine Optimization) innerhalb des Unternehmens voran. GenAI hat das Kundensuchverhalten entscheidend verändert. GEO ist nun das neue SEO, denn es steigert die Sichtbarkeit in KI-Übersichten. Und das jüngst gestartete GenAI-Ambassadoren-Programm soll die Mitarbeiter:innen weiter für GenAI begeistern. „Es geht um Motivation und ein tiefes Verständnis, wie sich KI sinnvoll nutzen lässt. Dazu bilden wir Mitarbeiter:innen zu KI-Multiplikator:innen aus“, so Dupré.

Podiumsdiskussion mit fünf Personen beim AI Summit 2025 über die Umsetzung von KI in Unternehmen.
Panel mit Frank Hennigfeld (Wempe), Saskia Dupré (Otto), Manuela Schmauder (LBBW), Madiha Khalid (Datavent.io) und Tobias Straube (Cambrian Futures & Labs)

Trustpilot: Wettrennen KI gegen KI

Die Userzahl der offenen Online-Bewertungsplattform Trustpilot ist durch KI quasi explodiert. Auf rund 61 Millionen Beiträge ist das Unternehmen 2024 gekommen. Ein guter Teil davon wird von Bots generiert – und KI ist es auch, die Fake-Reviews identifiziert. „KI ist für uns mehr als ein Werkzeug, der Einsatz ist eine Frage des Überlebens“, betont Uta Ernst-Diarra, Senior Director Enterprise Europe & APAC. „Vertrauen ist die Basis unseres Geschäfts“. Doch 61 Millionen Beiträge lassen sich nicht (wirtschaftlich) von Menschen prüfen. Darum setzt Trustpilot auf eine Technologie, die maschinelles Lernen, neuronale Netze und GenAI nutzt, um Muster zu identifizieren, die mit gefälschten Inhalten einhergehen. „Es ist ein Wettrennen. KI gegen KI“, weiß Ernst-Diarra. „Aber wir gewinnen“, lacht sie.

Edda Becker und Sebastian Georgi präsentieren auf der Bühne des AI.SUMMIT 2025 vor einem großen Bildschirm mit Event-Logo.
In einem „5-Minute AI Flash” skizzierten Edda Becker und Sebastian Georgi wie KI die Fielmann Group voranbringt

Fielmann: Virtuelle Anprobe-Tools und Promi-Brillen-Check

Die KI-Initiativen der Hamburger Fielmann Gruppe basieren auf drei Säulen. „In unserem AI Hub geht es ums Machen, ChatGPT nutzen wir zum Empowerment unserer Mitarbeiter:innen und im Venture Clienting kooperieren wir mit Startups“, erklärt Edda Becker, Head of Venture Clienting der Fielmann Group. So reicht der KI-Einsatz von virtuellen Anprobe-Tools kombiniert mit einer interaktiven Beratung, bei der die KI Fragen beantworten kann, über Gesichtsanalysen bis zu Tools, die prüfen, ob es die Sonnenbrille, mit der etwa Tailor Swift jüngst gesehen wurde, bei Fielmann gibt.

Zeitstrahl der KI-Entwicklung von 1943 bis 2030 auf einer Präsentation beim AI Summit 2025.
„Celebrating AI Innovation“ lautete das Motto des diesjährigen AI.Summits im Emporio Tower

Mit KI reich werden

Aber lohnt sich das KI-Engagement wirklich? Andreas von Bechtolsheim, Gründer des Silicon Valley Unicorns Arista Networks, beantwortet die Frage mit einem klaren Ja und mit beeindruckenden Zahlen. „OpenAI wird auf 500 Milliarden Dollar taxiert und ist das am schnellsten wachsende Unternehmen in der Geschichte“, so der KI-Experte, der aus dem Silicon Valley zugeschaltet wurde. Nvidia werde gar mit gut 4,4 Billionen Dollar bewertet, und der Marktwert der sechs großen US-Tech-Unternehmen – Nvidia, Apple, Microsoft, Meta, Alphabet und Amazon – zusammen, ergäbe eine Summe von rund 19,5 Billionen Dollar.  

Präsentation auf dem AI Summit zeigt eine Nachbarschaft mit Menschen, Robotern und autonomen Fahrzeugen.
Idyllisches Zusammenleben von Mensch und Maschine

Ein Blick in die Kristallkugel

Für alle, die aktuell unter steigenden Preisen ächzen, hatte von Bechtolsheim zudem eine gute Nachricht. Er erwarte eine Deflation, weil der zunehmende KI-Einsatz zu sinkenden Preisen führe. Niedrige Preise für kognitive Roboter, die wahrnehmen, schlussfolgern und handeln können, seien hingegen nicht zu erwarten, so Marc Theermann. Der Chief Strategy Officer von Boston Dynamics verzeichnet ein wachsendes Interesse an den humanoiden Robotern, verbunden mit der Hoffnung auf schnelle Lieferung. „Die Zeit der Roboter kommt. Aber noch nicht nächstes Jahr, und es wird nicht billig.“ Dann wagt der aus Boston zugeschaltete Experte einen Blick in die Zukunft: „In 30 Jahren leben Roboter mitten unter uns, fahren und fliegen uns und übernehmen gefährliche Arbeiten.“ Das klingt doch nach einer schönen neuen Welt.

Wie die KI-Welt 2026 aussieht, beleuchtet der nächste AI.Summit im Juni kommenden Jahres.
ys/mm

Quellen und weitere Informationen

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