„Generative KI ist die wohl größte technologische Erfindung unserer Zeit“, so Sebastian Walter. Seit der Veröffentlichung von Chat GPT im November 2022 habe die Technologie immense Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Doch die anfängliche Euphorie sei inzwischen von der schwierigen Aufgabe abgelöst worden, KI profitabel einzusetzen. Eine zentrale Herausforderung liege in der effizienten Integration der Technologie in bestehende Systeme sowie in der Messbarkeit ihres tatsächlichen Nutzens. Dabei verweist Walter auf den sogenannten Hype Cycle: Während frühere Innovationen wie das Automobil Jahrzehnte benötigten, um sich durchzusetzen, verlaufe der Zyklus bei generativer KI viel schneller. „Die ersten Use Cases funktionieren – und in ein bis zwei Jahren kommt der Durchbruch bei komplexen Themen. Die Geschwindigkeit der Entwicklung ist enorm, aber genau das erhöht auch den Druck.“
Generative künstliche Intelligenz (KI) hat sich in den vergangenen Jahren zu einer Schlüsseltechnologie entwickelt, die Unternehmen zahlreiche Chancen zur Prozessoptimierung bietet. Auch die Otto Group hat diese Entwicklung aufgegriffen, um Arbeitsabläufe zu modernisieren und den Weg für langfristige Veränderungen in der Arbeitswelt und Gesellschaft zu bereiten. Wir sprachen mit Sebastian Walter, Vice President Digital and Consulting der Otto Group, sowie Anja Körber, die als Head of Automation & AI verantwortlich für den internen KI-Assistenten ogGPT ist, über Fortschritte, Herausforderungen und die Zukunft dieser Technologie im Unternehmenskontext.
Hype Cycle generativer KI
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Wie die Otto Group generative KI ganzheitlich implementiert
Trotz der Herausforderungen sieht sich die Otto Group im internationalen Wettbewerb gut aufgestellt: „Mit der Vielzahl an erfolgreichen Use Cases, die aktuell schon laufen, bewegen wir uns auf Augenhöhe mit den Marktführern“, erklärt der Vice President Digital and Consulting. Implementierungsprozesse erstrecken sich von Tests rund um die Erstellung von digital generierten Bildern bei Bonprix bis zum Einsatz von Robotern in der Logistik, für die die Otto Group mit den US-amerikanischen Robotik-Spezialisten Covariant und Boston Dynamics zusammenarbeitet. Das Unternehmen implementiert die generative KI mittels vier Säulen in den praktischen Geschäftsalltag, wie Walter beschreibt: Die Emotionalisierung des KI-Themas durch interne Kampagnen sorgt dafür, dass alle Mitarbeitenden die Potenziale der Technologie verstehen und schätzen lernen. Tools wie ogGPT sollen den individuellen Nutzen maximieren und den Arbeitsalltag effizienter gestalten. Praktische strategische Anwendungsfälle, wie automatisierte E-Mail-Antworten oder die Generierung von Marketinginhalten, verdeutlichen den greifbaren Mehrwert der Technologie. Gleichzeitig legt die Otto Group großen Wert auf ethische Verantwortung und verfolgt den Leitgedanken „Responsible AI“, um sicherzustellen, dass KI verantwortungsvoll und nachhaltig eingesetzt wird. Es sei wichtig mit Mut an die KI-Implementierung heranzugehen: „Wer sich jetzt nicht mit der Technologie beschäftigt, wird überholt“, so der Digitalstratege.
Zwischenfazit – ein Jahr ogGPT
Vor gut einem Jahr führte die Otto Group den KI-Assistenten ogGPT ein. Ziel war es, die Technologie in der Breite für alle Mitarbeitenden nutzbar zu machen. Zum Beispiel, um Fragen zu großen Mengen an Dokumenten, wie Konzernrichtlinien, schnell zu beantworten oder Projekte einfacher zu planen. Inzwischen sind über 7.500 Mitarbeitende pro Monat mit dem KI-Assistenten aktiv, mit monatlich rund 300.000 Interaktionen. „Am Anfang dachten wir, das ist ein spannender Einstieg“, sagt Anja Körber, die das Projekt als Head of Automation & AI begleitet. „Mittlerweile hat sich gezeigt, dass ogGPT ein Fundament unserer KI-Reise bildet und die Kolleg:innen dabei unterstützt, Fakten und Wissen über KI besser zu verankern.“ Sie beschreibt den KI-Assistenten als einen „Safe Space“, der es allen Mitarbeitenden ermöglicht, KI zu erleben und praktisch anzuwenden – „eine KI zum Anfassen“. Besonders wichtig seien die sogenannten Custom GPT, die interne Inhalte, z. B. Richtlinien, in interaktiven Szenarien nutzbar machen. „Damit können wir nicht nur mit Texten interagieren, sondern sogar spezielle Expertenmodelle erstellen, die komplexere Aufgaben deutlich effizienter umsetzbar machen“, erklärt die Körber. Ein zentraler Bestandteil des Erfolgs seien Tutorials, Konferenzen und Workshops, die sowohl Anfänger:innen als auch Fortgeschrittene ansprechen sollen. Gleichzeitig wurde ogGPT technisch kontinuierlich weiterentwickelt, etwa um Funktionen wie Bildgenerierung und die Analyse von Excel-Daten. Für die Zukunft seien weitere Funktionen geplant. Körber spricht von zunehmenden Schnittstellen zu internen Wissensquellen, betont jedoch, dass die Qualität der Datengrundlage entscheidend sei: „Wir wollen, dass die Nutzer:innen bewusst entscheiden, welche Inhalte sie einbringen, um hochwertige Ergebnisse zu erzielen.“
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Branche im Wandel: der Shopping-Assistent der Zukunft
Langfristig sieht Körber in ogGPT das Potenzial, zentrale Arbeitsprozesse grundlegend zu verändern: „Ich glaube, wir werden künftig nicht mehr manuell durch Oberflächen navigieren, sondern Aufgaben wie die Zeiterfassung oder die Erstellung von Workshop-Agenden direkt über Agenten steuern.“ Und nicht nur intern seien einschneidende Entwicklungen zu erwarten. Zukünftig werde generative KI für einen „persönlichen Shopping-Assistenten“ eingesetzt, prognostiziert Sebastian Walter. „In fünf Jahren könnte ein solcher Assistent nicht nur Produkte empfehlen, sondern auch Aufgaben wie das Planen von Einkäufen übernehmen und insgesamt viel schneller sowie personalisierter auf die Bedürfnisse der Kund:innen eingehen.“ Dafür seien jedoch eine stärkere Integration von Daten und Systemen sowie weitergehende Innovationen notwendig, an denen die Otto Group aktuell arbeitet. Die Vision sei ein nahtloses Zusammenspiel zwischen Mensch und KI, das den Alltag erleichtert und die Kundenerfahrung revolutioniert, so Walter weiter.
fw/sb
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