Künstliche Intelligenz

KI-Experte: Wir steuern auf ein New Normal zu

27. August 2024
Kann ChatGPT dabei helfen, KI-Berührungsängste abzubauen? Hamburg News sprach darüber mit Andy Witt, Professor für Business Informatics an der HSBA

Laut einer Umfrage im Auftrag des Digitalverbands Bitkom hat Ende 2023 etwa jede:r Dritte ChatGPT zumindest einmal ausprobiert. Gut 53 Prozent der Nutzer:innen geben an, die Dialoge mit der künstlichen Intelligenz (KI) würden ihnen Spaß machen. Dabei ist der Bot des US-amerikanischen Softwareunternehmens OpenAI gar nicht wirklich intelligent, weiß Andy Witt, Professor für Business Informatics an der Hamburg School of Business Administration (HSBA). „ChatGPT ist ein Large Language Model, das auf Wortstatistik basiert. Es bietet die wahrscheinlichste Antwort auf eine Anfrage, den sogenannten Prompt. Nutze ich nun außergewöhnliche Begriffe, um einen möglichst präzisen Prompt zu erstellen, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass ChatGPT den Begriff nicht sicher einordnen kann – und damit zu einer falschen Antwort kommt.“ Blindes Vertrauen in die Technologie sei somit fehl am Platze, betont der Professor, zu dessen Forschungsschwerpunkten Big Data Analysis, Digitalisierung der Produktion und künstliche Intelligenz gehören.

ChatGPT im Hochschulumfeld

Mit der gebotenen Umsicht sei ChatGPT allerdings ein nützliches Werkzeug und werde an der HSBA durchaus geschätzt. 85 Prozent der Studierenden und 90 Prozent der Professor:innen nutzen die KI zur Ideenfindung, Recherche oder um Texte zu schreiben und zu formulieren, so das Ergebnis einer nicht repräsentativen HSBA-Umfrage. Von den mit der Hochschule verbundenen Partnerunternehmen – als Hochschule der Hamburger Wirtschaft bildet die HSBA in Kooperation mit rund 300 Hamburger Partnerunternehmen duale Studierende aus – nutzen laut Umfrage immerhin 57 Prozent die generative KI.

Kann die zunehmende Nutzung von ChatGPT nun dazu beitragen, Berührungsängste mit KI abzubauen? Immerhin gaben 41 Prozent der Bitkom-Befragten – und hier vor allem die Altersgruppe 65 plus – an, ChatGPT mache ihnen Angst. „Klassische KI-Ängste beziehen sich auf einen möglichen Jobverlust oder KI im militärischen Umfeld“, weiß Witt. Und es helfe auch nicht, dass für viele der Prozess der Ergebnisgenerierung nicht zu durchschauen ist. Ein generatives KI-Modell ‚lernt‘ anhand von sehr vielen Daten, Zusammenhänge zwischen Wörtern, Sätzen und beschriebenen Sachverhalten herzustellen. Doch gerade der Gedanke an eine lernende Maschine löst bei manchen Unbehagen aus. Für weniger skeptische Geister liegt gerade darin die Magie der KI.

Andy Witt, Professor für Business Informatics, in einem der Hochschulräumen aufgenommen
Andy Witt, Professor für Business Informatics an der HSBA

Keine Angst vor KI – dank ChatGPT?

Ob magisch oder komplexes mathematisches System, ChatGPT ist praktisch und kann eine greifbare Unterstützung im (Berufs-)Alltag bieten. So baue die Nutzung tatsächlich Hürden ab, ist Witt überzeugt. „Ich kann mit dem Bot ganz natürlich kommunizieren, dadurch wirkt die KI menschlich. Und da die Anwendung in der einfachen Version kostenlos ist, gibt es auch keine finanziellen Hürden, sich unverbindlich mit der KI zu beschäftigen.“ Und beschäftigen sollten wir uns mit KI, betont der 41-Jährige. „Wie jede Technologie lässt sich KI positiv wie negativ nutzen. Tatsache ist aber: KI ist da – und wir sollten sie nach unseren Vorstellungen steuern.“ Den am 1. August in Kraft getretenen AI Act, das Gesetz der Europäischen Union zur Regulierung von künstlicher Intelligenz, hält Witt für einen Schritt in die richtige Richtung. „Ich bin bekennender KI-Fan, aber die Nutzung muss mit dem Schutz von Daten und Privatsphäre bzw. vor Deep Fakes einhergehen.“ Auch einen wirtschaftlichen Nachteil durch das KI-Gesetz, etwa gegenüber US-amerikanischen Unternehmen, kann Witt nicht erkennen, zumal er in der bereits 2016 gestarteten Datenschutzgrundverordnung das schärfere Regulierungsinstrument sieht. „Eine Begrenzung der Risiken wird übrigens auch in den USA angestrebt. So ist gerade ein ‚AI Bill of Rights‘ in Arbeit.“

Futuristische Straßenszene, erstellt von DALL-E, einer generativen KI
Straßenszene, erstellt von DALL-E, einer generativen KI

Vom Hype in die Nutzung kommen

Ein verlässliche Regulierung sei zudem wichtig, weil der KI-Hype zwar medial langsam seinen Peak erreicht habe, in der Industrie aber gerade erst Fahrt aufnehme. „Die Industrie fängt jetzt verstärkt an, KI für neue Produkte oder zur Effizienzsteigerung von Prozessen zu nutzen“, erklärt Witt, der die Technologie nicht nur erforscht, sondern selbst nutzt. Er ist Gründer der CALC4XL GmbH, die eine KI-basierte Software zur Berechnung von Produktkosten und der Erstellung einer Ökobilanz entwickelt hat. Seine Prognose für den Umgang mit KI: Wir steuern auf ein New Normal zu. „Als ChatGPT im November 2022 an den Start gegangen ist, war das eine kleine Revolution.“ Jeder Revolution aber folge eine Ernüchterung. „Und da sind wir nun: In der praktischen Nutzung der Technologie ohne allzu hochfliegende Visionen. Aber auch ohne, dass wir KI fürchten sollten.“
ys/sb/kk

PS: Künstler, der in diesem Artikel verwendeten Bilder: DALL-E von Open AI, nach einem Prompt von Professor Andy Witt

Quellen und weitere Informationen

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