Und Schulz meint: Da geht noch mehr. Er möchte die Einzigartigkeit Hamburgs als Musikstadt und damit die internationale Bedeutung des Standorts weiter stärken. „Wir brauchen mehr Alleinstellungsmerkmale. Also Formate, die musikkulturell einzigartig und somit standortprägend sind“, betont der Gründer des Reeperbahn Festivals, das in diesem Jahr seine 20. Ausgabe feiert. Das viertägige Event (17. bis 20. September 2025) hat sich zum größten Clubfestival Europas sowie einer internationalen Plattform für Musikwirtschaft entwickelt und vergibt seit 2016 den Musikpreis Anchor – für viele aufstrebende Musiker:innen das Sprungbrett zu einer internationalen Karriere. HIER ein Blick ins Programm.
Der (Wirtschafts)standort Hamburg kann sich sehen lassen. Er führt das aktuelle DDW-Städte-Ranking für die meisten Weltmarktführer, Top-Familienunternehmen sowie Top-Mittelstandsunternehmen an, und wurde vom SKL Glücksatlas 2024 als Deutschlands glücklichste Region identifiziert. Die Hip-Hop-Band Beginner singen in City Blues „Ich sage, Hamburg ist die Hälfte von zwei. Die Schönste, die Nummer 1, das Gelbe vom Ei“. Alexander Schulz hebt die wirtschaftliche Relevanz der Sparte Musik ausdrücklich hervor. „Bei der Frage: Worauf basiert unser Wohlstand, wird leider noch nicht wirklich an den Wirtschaftszweig Musik gedacht“, bedauert der Vorstandsvorsitzende von Hamburg Music, dem Netzwerk der Hamburger Musikwirtschaft. Dabei erziele die Branche einen beträchtlichen ökonomischen Effekt. „Die Musikwirtschaft in der Region Hamburg hat im Jahr 2019 einen Beitrag zum Bruttoinlandsprodukt in Höhe von rund einer Milliarde Euro geleistet.“
Einzigartige Formate schaffen

Neu: Hamburg House of Music
Eine Anlaufstelle für Hamburger Musiker:innen soll das „Hamburg House of Music“ (Arbeitstitel) werden, so die Idee von Hamburg Music. „Geplant ist ein Kreativzentrum, das den vielen verschiedenen Schmieden unterschiedlicher Musikrichtung mehr Sichtbarkeit verleihen soll“, so Schulz. Darum soll es auch in zentraler Lage, im Paloma-Viertel auf dem Gelände der ehemaligen Esso-Häuser direkt auf der Reeperbahn entstehen. „Dazu stehen wir in Verhandlungen mit der Stadt Hamburg und dem Projektentwickler, denn natürlich sind gerade die prominenten Flächen im Erdgeschoss heiß umkämpft.“ Hamburg Music geht mit einem umfassenden Konzept ins Rennen: „Entstehen soll ein Ort, an dem Innovation, Bildung, Weiterbildung und Austausch stattfinden und der sowohl Startups als auch etablierten Unternehmen die Möglichkeit bietet, sich zu präsentieren.“

Neu: Liaison-Manager
Um die internationale Sichtbarkeit voranzutreiben, wünscht sich Schulz zudem eine ‚Koordinationsstelle Musiktourismus‘ in Form eines Liaison-Managers. „Diese Position ist als Scharnierfunktion für Musikwirtschaft, Gastgewerbe und Stadtmarketing gedacht, um gemeinsam Projekte weiterzuentwickeln, die wiederum die Alleinstellungsmerkmale des Standorts betonen.“ So locken Konzerte internationaler Stars wie Taylor Swift, Robbie Williams oder James Blunt (2024) sowie Ed Sheeran (Juli 2025) Fans aus aller Welt in die Hansestadt – und tragen somit zur anhaltend positiven Tourismusentwicklung bei. Doch Hamburg ist dabei ein Tournee-Stopp unter vielen, betont Schulz. „Eine ganz andere Wirkung hätten Shows, die es nur in Hamburg gibt. Individuelle Formate, die für aufstrebende deutsche Künstler:innen konzipiert sind und im Herzen von Hamburg stattfinden.“

Neue Studie in Arbeit
Denn nicht nur ist Hamburg eine der wenigen Städte, die mit einer Messe in Innenstadtlage punkten kann, es bietet auch zentral gelegene Auftrittsmöglichkeiten. „Wir haben mit dem Millerntor-Stadion und dem Heiligengeistfeld exzellente Möglichkeiten musikalische Ereignisse für 10.000 bis 20.000 Besucher:innen mitten in St. Pauli auszurichten.“ Gemeinsam mit Hamburg Marketing, Hamburg Tourismus und dem Hamburger Gastgewerbe will Schulz Geschichten erzählen, die eine globale Strahlkraft auch abseits von Barclays Arena oder Volksparkstadion entfalten und Hamburgs Image als Musikstadt stärken. Dazu entsteht aktuell eine Studie von Hamburg Music und der Handelskammer Hamburg, um die Bedeutung der Stadt als Musikstandort zu messen. „Es handelt sich um eine befragungsbasierte Studie, bei der nicht wirtschaftliche Kennzahlen im Fokus stehen, sondern die Sicht der Hamburger:innen sowie Auswärtiger auf die Musikstadt Hamburg, um zielgerichtet Formate entwickeln zu können“, erklärt Schulz.

Reeperbahn Festival wirbt für Solidarität
‚Imagine Togetherness!‘ – so das diesjährige Motto beim Erfolgsformat Reeperbahn Festival. Es geht um mehr Solidarität in der Branche angesichts knapper Kulturbudgets auf Seiten der Besucher:innen. „Headliner können Ticketpreise von 200 bis 250 Euro aufrufen, denn die emotionale Verbindung der Fans ist so groß, dass sie tief in die Tasche greifen“, weiß Schulz. Für nicht so bekannte Namen bleibt dann jedoch immer weniger übrig und Festivals geraten unter Druck. So fand im August das Musik- und Kunstfestival MS Dockville in seiner 18. Ausgabe nur noch an zwei statt wie bisher an drei Tagen statt. Das Elbjazz-Festival pausierte in diesem Jahr gänzlich, um sich strategisch neu auszurichten. Doch gerade diese Festivals tragen maßgeblich zum Aufbau neuer Künstler:innen bei. „Hier präsentieren sich die Headliner von übermorgen“, weiß Schulz. Ein Blick über den nationalen Tellerrand könnte den Weg weisen. „Großbritannien hat ein Solidarmodell entwickelt, bei dem Headliner eine Abgabe zu Gunsten der gesamten Branche zahlen und Frankreich hat ein solches Modell gar staatlich verankert“, so Schulz.

KI-generierte Musik
Und noch in einem weiteren Punkt spricht sich der Verbandschef für staatliche Rahmenbedingungen aus. „Ein Fokus beim Reeperbahn Festival wird auf dem Teilmarkt der Musikaufnahmen liegen“, erklärt Schulz. „Labels und Musikverlage stehen vor existentiellen Herausforderungen durch KI-gestützte oder komplett KI-generierte Musik. Da brauchen wir europäische Rahmenbedingungen, die Künstler:innen Sicherheit bieten.“ Fragen nach geistigem Eigentum, den Umgang mit Urheberrechten und eine faire Beteiligung an den Erlösen müssten ausgehandelt werden. Insofern geht es bei der kommenden Jubiläumsausgabe weniger um den Blick zurück auf 20 Jahre Reeperbahn Festival als mehr um die Zukunft der Branche. „Wir feiern unser Jubiläum tatsächlich eher zurückhaltend. Aber natürlich sind wir schon auch ein wenig stolz auf zwei Jahrzehnte mit einem so emotionalen Produkt wie Livemusik.“
ys/kk
Quellen und weitere Informationen
Wirtschaftliche Bedeutung
Die Musikwirtschaft in der Region Hamburg hat im Jahr 2019 einen Beitrag zum Bruttoinlandsprodukt in Höhe von rund einer Milliarde Euro geleistet, etwa 591 Millionen Euro an Steuergeldern generiert und über 16.000 Arbeitsplätze direkt, indirekt und induziert geschaffen.
Zu den wichtigen Hamburger Playern gehört das Reeperbahn Festival. 2024 kamen rund 45.000 Besucher:innen und erlebten 450 Acts aus 35 Nationen, dazu lockte der Branchentreff etwa 5.000 Fachbesucher:innen. In Elbphilharmonie und Laeiszhalle wurden in der Konzertsaison 2023/24 insgesamt 1,22 Millionen Tickets für 1.270 Konzerte und Veranstaltungen verkauft. Nach wie vor ein touristischer Pull-Faktor: Musicals. Hamburg ist nach New York und London der weltweit drittgrößte Musicalstandort. Allein das Disney-Musical König der Löwen spielt seit 2001 stets vor nahezu ausverkauftem Theater und kommt mittlerweile auf mehr als 16 Millionen Besucher:innen.
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