Wissenschaft

Life Science: Wie innovativ ist die Branche?

2. Juni 2025
Die Chancen für Firmen und Forschung sind groß. Life Science Nord legt Strategie 2030 vor. Ein Gespräch mit LSN-Chef Oliver Schacht und HamburgAmbassador Bodo Liesenfeld

Ein elegantes Büro am Neuen Wall in Hamburg. Auf dem Konferenztisch die Gläser. „Meins ist immer halb voll“, so Oliver Schacht, seit gut acht Monaten Geschäftsführer vom Branchencluster Life Science Nord. Der Satz – symbolisch für seine Haltung. „Die Chancen für die Branche sind groß. Um sie zu nutzen, brauchen wir vor allem eins: ein selbstbewussteres Mindset“, so Schacht. Auch Bodo Liesenfeld, HamburgAmbassador aus Boston, sieht vor allem zahlreiche Möglichkeiten. Daher hat er eine Veranstaltung ins Leben gerufen – in Boston, dem US-Hotspot der Life Science Welt. Hamburg News sprach mit beiden Wirtschaftslenkern über die neue Branchen-Strategie 2030, Startups und KI, Zölle und Preise – und eine Sache, die jetzt unbedingt angepackt werden müsse.

Hamburg News: Herr Schacht, Sie haben die Cluster-Strategie 2030 gerade fertig gestellt. Was sind die wichtigsten Punkte und Handlungsfelder für die kommenden fünf Jahre?

Oliver Schacht: Unsere Strategie, an der zahlreiche Akteure unserer rund 300 Mitgliedsunternehmen mitgewirkt haben, adressiert zentrale Herausforderungen und Chancen für die Branchen Biotechnologie, Medizintechnik, Pharma und Digital Health. Zu den strategischen Schwerpunkten gehören vor allem eine Erhöhung der Sichtbarkeit, Innovation- und Technlogie-Transfer, Internationalisierung mit Fokus auf Nordeuropa insbesondere Skandinavien aber weiterhin auch den USA, und nachhaltige Organisationsentwicklung. Dafür haben wir konkrete Maßnahmen zur Umsetzung jedes einzelnen strategischen Ziels definiert und messbare KPIs vereinbart.

Porträtfoto von Oliver Schacht
Oliver Schacht, Geschäftsführer vom Branchencluster Life Science Nord wünscht sich „ein selbstbewussteres Mindset“ für seine Branche

Hamburg News: Am Ende des Interviews verweisen wir in einem Link auf das Strategiepapier. – Herr Liesenfeld, welches sind Ihre Aufgaben als ehrenamtlich von der Stadt Hamburg benannter HamburgAmbassador in Boston?

Bodo Liesenfeld: Zur wichtigsten Aufgabe gehört, Hamburg im Ausland bekannter und sichtbarer zu machen und wo möglich zu vernetzen. So habe ich beispielsweise vor ein paar Jahren ein Life Science und VC-Unternehmen aus der Branche nach Hamburg vermittelt. Damals scheiterte es noch an fehlenden Laborräumen. Da haben wir heute schon eine ganz andere Situation mit dem Innovationspark in Altona, entsprechenden Laborflächen und großzügiger Infrastruktur. Da hat sich inzwischen sehr viel entwickelt.

Hamburg News: Welche Projekte planen Sie aktuell?

Bodo Liesenfeld: Zurzeit planen wir das GermanAmerican Economic Forum – zum Thema Life Science mit hochkarätigen Speakern, auch mit Hamburger Beteiligung unter anderen auch mit Herrn Oliver Schacht. Am 6.6. in Boston – dem US-Zentrum für die Life Science Branche. Das Format für das German-American Business Council habe ich 2019 ins Leben gerufen, als Treffen für deutsch-amerikanische Wirtschaftsbeziehungen. Dann kam Covid, und 2020 wurde daraus eine Serie von sieben Online-Events. Nun wollen wir das Format wieder aufleben lassen.

Porträtfoto von Bodo Liesenfeld
Zu den Aufgaben des HamburgAmbassadors in Boston, Bodo Liesenfeld, gehört es, Hamburg im Ausland bekannter und sichtbarer zu machen

Hamburg News: Welches sind derzeit die größten Herausforderungen für die Branche?

Oliver Schacht: Mehr als über Herausforderungen möchte ich über die Chancen sprechen. Die Ausgangslage ist gut. Wir haben vier Forschungsverbünde, acht Hochschulen, zwei Universitätskliniken und 14 Forschungseinrichtungen – darunter Fraunhofer, Helmholtz, Max-Planck und Leibniz, international renommierte Großforschungsanlagen wie das Deutsche Elektronen-Synchrotron (DESY), den European XFEL und die Science City Hamburg Bahrenfeld, das ist deutschlandweit einzigartig. Dennoch: Es muss uns gelingen, mehr Investoren hierher zu bringen. Daran arbeiten wir. Und wir brauchen auch hier am Standort mehr privates Kapital für das Thema Innovation und Life Science. Optimistisch stimmen mich Initiativen wie jetzt die Impossible Founders.

Bodo Liesenfeld: Womit wir umgehen müssen, ist die weltweit dramatische Zunahme an Unsicherheit und der Wegfall von Verlässlichkeit. So ist die geplante Medikamentenpreis-Begrenzung in den USA einerseits ein Einnahmeverlust, andererseits aber auch eine Chance für andere Länder. Sie kann für die Industrie auch ein Anreiz sein, bestimmte Medikamente in Deutschland zu produzieren.

Hamburg News: Wie groß ist der Anteil von Startups unter ihren 300 Mitgliedsunternehmen?

Oliver Schacht: Ein sehr signifikanter Teil. Wir haben ca 100 Biotech / Pharma Unternehmen, 100 Medtech-Akteure und 100 Dienstleister. Allein unter von den 100 Biotech-Firmen sind die Hälfte Startups oder noch junge Unternehmen. Wir sehen es als unsere Aufgabe, die Player miteinander zu vernetzen. Ich bin selbst Seriengründer, habe in den letzten 27 Jahren acht Startups gegründet, vor allem im Life Science Bereich.

Fotoaufnahme während des Interviews, am Tisch sitzen links Bodo Liesenfeld, rechts Oliver Schacht. Vor ihnen Wasser und kaffee und einige Unterlagen
Bodo Liesenfeld (links) und Oliver Schacht (rechts) im Austausch über die Life Science Branche: „Wir sind zu bescheiden“

Hamburg News: Schauen wir noch mal auf Boston und Ihre Zusammenarbeit. Dort findet vom 16. bis 19. Juni die BIO International Convention statt. Warum ist die so wichtig für die Branche?

Oliver Schacht: Es ist die weltweit größte Biotech-Branchenkonferenz mit ca. 16.000 Teilnehmenden. Von ihr gehen große Impulse aus – auch für Innovation, denn ohne Weiterentwicklung kein Fortschritt. Bei solchen Anlässen, wie auch bei Delegationsreisen würde ich mir eine größere öffentliche Aufmerksamkeit wünschen. Da haben wir in Deutschland großen Nachholbedarf! Wir müssen lauter werden.

Bodo Liesenfeld: Das kann ich nur bekräftigen. Das gilt besonders auch für Hamburg. Wir haben so viel zu bieten am Standort. Wir sind zu bescheiden.

Hamburg News: Welche Rolle spielt KI in der Branche?

Oliver Schacht: Es gibt heute kein Life Science Startup mehr ohne KI, wie zum Beispiel auch das sehr erfolgreiche, 2018 in Hamburg gegründete, KI-Scaleup Mindpeak. Hier in Hamburg sind wir mit dem ARIC gut aufgestellt, das branchenübergreifend die AI-Themen bündelt. Mit dem ARIC sind wir in regem Austausch, um Forschung schnellstmöglich in die Anwendung zu bringen. Wir haben in Europa den AI Act, jetzt soll noch ein EU-Biotech-Act geschaffen werden. Da müssen wir nur aufpassen, dass wir nicht überregulieren. Dann wäre die Frage nicht, wie innovativ ist die Branche - sondern, wie innovativ kann die Branche sein, wenn man sie lässt? Wir brauchen dieses Maß an Grund-Optimismus. Wie gesagt, das Glas ist halbvoll.  

Hamburg News: Vielen Dank für das inspirierende Gespräch und viel Erfolg bei Ihren Veranstaltungen.

Das Interview führte Karolin Köcher

Quellen und weitere Informationen

Life Science Nord

Das Cluster Life Science Nord (LSN) umfasst rund 600 Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Institutionen der Medtech-, Biotech- und Pharmabranche in Hamburg und Schleswig-Holstein, davon rund 300 Vereinsmitglieder. Mit über 55.000 Mitarbeiter:innen im direkten Umfeld des Sektors wurde 2021 eine Bruttowertschöpfung von 5,7 Milliarden Euro erzielt. Im indirekten Umfeld, also etwa bei Zulieferern, kommen noch mal rund 31.000 Beschäftigte dazu, sodass sich nach Schätzungen aus dem Cluster zufolge die Bruttowertschöpfung inzwischen der Marke von sechs Milliarden Euro genähert haben dürfte.

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