Dabei wird die Arbeit am perfekten Matchmaking immer schwieriger. In Deutschland fehlen in 43,1 Prozent der Unternehmen qualifizierte Fachkräfte „Trotz schwächelnder Konjunktur sind viele Unternehmen weiterhin händeringend auf der Suche nach geeigneten Mitarbeitenden“, erklärte ifo-Experte Stefan Sauer bei der Vorstellung der ifo Konjunkturumfrage im August dieses Jahres. Verschärft wird die Situation durch den demografischen Wandel, weiß Petra von Strombeck. „Bis zum Jahr 2035 verlieren wir jeden einzelnen Werktag rund 1.000 Beschäftigte.“ Effizientes Recruiting gewinnt damit immer mehr an Bedeutung – und somit auch KI. Dabei ist der KI-Einsatz als solcher gar nichts Neues, betont von Strombeck. „Matching-Empfehlungen auf Jobportalen wie Xing basieren seit langem auf KI-Modellen. Und diese Modelle werden kontinuierlich verbessert und weiterentwickelt.“
Künstliche Intelligenz (KI) im Bewerbungsprozess? Rund ein Drittel der Befragten wäre zu einem Bewerbungsgespräch – schriftlich oder sprachbasiert – mit einem KI-Chatbot bereit, so das Ergebnis einer Xing-Studie in der Schweiz zum Thema „KI in der Berufswelt". Doch genauso viele schließen kategorisch aus, sich von einem Chatbot interviewen zu lassen. Und das übrige Drittel steht den plaudernden Robotern eher ablehnend gegenüber, würde sich aber auf sie einlassen, wenn es keine Alternative gäbe. Das Ergebnis der Xing-Studie aus der Schweiz zeigt, wie wichtig Bewerber:innen nach wie vor der Kontakt zu realen Menschen ist. Und das aus gutem Grund, findet Petra von Strombeck, Vorstandsvorsitzende der New Work SE (vormals Xing SE). „Der menschliche Kontakt bietet beiden Seiten wertvolle Einblicke durch verbale und nonverbale Kommunikation. Bewerber:innen erhalten einen besseren Eindruck vom Unternehmen, Personaler:innen davon, ob ihr Gegenüber ins Team passt.“ Denn darum gehe es ja im Bewerbungsprozess: „Um ein möglichst perfektes Matchmaking.“
Fachkräftemangel verschärft sich
Chatbot schafft Zeit für individuelle Fragen
Zudem werde KI das persönliche Bewerbungsgespräch keineswegs ersetzen, betont von Strombeck. Vorbereitend hingegen könnte ein Chatbot durchaus sinnvoll zum Einsatz kommen. „Klassische Ping-Pong-Fragen, etwa nach dem Bewerbungsprozedere, Einstiegsmöglichkeiten oder Arbeitgeberleistungen, kann ein Chatbot übernehmen. Damit bleibt mehr Zeit für individuelle Fragen im eigentlichen Gespräch.“ Und KI könne dabei helfen, Bewerbungsprozesse zu personalisieren, fährt die Expertin fort. Etwa im Active Sourcing, dabei sprechen Recruiter:innen möglichst viele potenzielle Talente über verschiedene Kanäle direkt an und versuchen sie für offene Stelle zu gewinnen. Je individueller die Ansprache, desto größer die Erfolgschancen. „Mit KI-Unterstützung lässt sich in kurzer Zeit ein personalisiertes Anschreiben erstellen, das dazu noch mit ergänzenden Details zu persönlichen Kompetenzen, Fähigkeiten und Details zur aktuellen Tätigkeit der Kandidatin oder des Kandidaten angereichert werden kann und damit zu mehr Aufmerksamkeit führt.“
KI-Einsatz: Die Chancen lohnen den Einsatz
Und wie steht es mit der KI-Analyse bei der Vorauswahl von Bewerbungen? Sind Algorithmen objektiver als Menschen? „KI basiert auf Daten. Es stellt sich also die Frage: Wie viel Bias, also Voreingenommenheit, liegt in den Daten?“ Sind etwaige Schwächen der Datenlage identifiziert, lasse sich entsprechend gegensteuern. Davon abgesehen spreche für KI: „Die Algorithmen sind auf den Abgleich von Fachkenntnissen und Skills programmiert, der ‚Nasenfaktor‘ hat keine Chance“, erläutert von Strombeck weiter.
Der Einsatz von technischen Innovationen sei stets mit Chancen und Herausforderungen verbunden, weiß Petra von Strombeck, doch sie ist überzeugt, die Chancen lohnen den Einsatz. „Ich denke, KI wird zu diversen Disruptionen in unserer Gesellschaft führen. ChatGPT stößt inzwischen in kreative Bereiche vor, die bislang dem menschlichen Geist vorbehalten waren.“ Das sorge für neue Ängste um Arbeitsplätze, ist sich die Unternehmerin bewusst. Doch sie hält dagegen: „Ich glaube, dass durch die technologische Entwicklung am Ende mehr Jobs entstehen als wegfallen. Und vor allem glaube ich, dass KI zu einer Produktivitätssteigerung führen wird – angesichts der bereits angesprochenen Abnahme von Beschäftigten eine gute Aussicht.“
ys/mm
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Quellen und weitere Informationen
Petra von Strombeck ist seit Mai 2020 Vorstandsvorsitzende der New Work SE. Davor war sie acht Jahre CEO der Lotto24 AG, führte unter anderem die Geschäfte einer Tochtergesellschaft von Tchibo und leitete den Bereich E-Commerce bei Tchibo Direct. Zur New Work SE zählen das Job-Netzwerk Xing, die Tech-Job-Plattform Honeypot, die Arbeitgeberbewertungsplattform Kununu, die Recruitingspezialisten onlyfy by XING und das Expat-Netzwerk InterNations. Das Unternehmen ist seit 2006 börsennotiert und hat seinen Hauptsitz in Hamburg.