Hamburg News: Diese Besonderheit sorgt gerade für viel Aufmerksamkeit – zu Recht?
Werner Bogula: Tatsächlich ist ChatGPT momentan in aller Munde und das aus gutem Grund. In einer Informationsgesellschaft erfolgt ein Großteil unseres gesellschaftlichen und auch wirtschaftlichen Austauschs über Texte. Eine KI zu haben, die solche Texte in sinnvollen Kontexten erzeugen kann, ist von hoher gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Relevanz. Mit ChatGPT-erzeugten Gebrauchstexten, wie Beschreibungen für Kataloge, Werbetexte fürs Internet oder Brainstorming für neue Produktideen, bekommen Textprofis in Werbeagenturen, Verlagen und Internet-Newsportalen ein mächtiges Werkzeug an die Hand, um vor allem Routinetexte schnell und günstig zu erstellen.
Aber solch ein mächtiges Werkzeug stellt auch bestehende Strukturen in Frage. Wenn man Texte, die sonst von professionellen Texter:innen erstellt wurden, auf Knopfdruck erzeugen kann, dann kommen etablierte Jobstrukturen unter Druck. Ob die davon betroffenen Jobs einfach wegfallen oder aber produktiver werden, wird sich noch zeigen. Doch das ist erst der Anfang. Die Frage, wie der Zugang zu und die Ergebnisse einer solchen Grundlagen-Technologie reguliert werden, ist momentan ein wichtiges Thema, dem wir uns beim ARIC unter dem Stichwort „Responsible AI" widmen.
Hamburg News: Wie relevant wird diese Grundlagentechnologie für Hamburgs Wirtschaft?
Werner Bogula: Neben dem bereits in das Modell eintrainierte Wissen, lässt sich auch eigenes Wissen verarbeiten und damit kommen wir zur Wirtschaft. Das betriebliche Wissensmanagement wird zunehmend zu einem Wettbewerbsfaktor, und ein mit firmeneigenem Wissen nachtrainierter Chat Bot kann dieses Wissen für alle Mitarbeiter verfügbar machen. Für die Hamburger Wirtschaft ist das vor allem in zwei Bereichen relevant:
Einerseits KI-Unternehmen und Startups, die diese neue Technik so verpacken, dass Wirtschaftsunternehmen aller Art sie einfach für sich nutzen können. Hier sind etwa Moin.ai zu nennen, die über 100 Chatbots für Unternehmen und Organisationen entwickelt haben oder Neuroflash, ein extrem innovatives Startup, das ein einfach bedienbares Interface entwickelt hat, mit dem man über 100 Textsorten erzeugen kann – von der Textanzeige über Social-Media-Posts bis hin zu ganzen Blog-Beiträgen.
Andererseits die Unternehmen, die von solchen Startups profitieren. Wir vom ARIC sind mit mehreren Unternehmen im Gespräch, die ihr firmeneigenes Wissen besser aufschlüsseln und verstreutes Wissen durch ein einheitliches Chat-Interface für ihre Kunden:innen und/oder Mitarbeiter:innen verfügbar machen wollen.
Hamburg News: Haben wir es beim ChatGPT mit einem Hype oder einer technischen Revolution zu tun?
Werner Bogula: Natürlich gibt es einen Hype, wenn sich nach der Veröffentlichung von ChatGPT im November 2022 innerhalb von fünf Tagen über eine Million Menschen bei der Technologieplattform anmelden. Oder wenn selbst Schüler:innen auf einmal ihre Lehrer:innen mit interessanten Aufsätzen verblüffen. Aber dahinter steckt eine Technologie, die das Arbeiten mit sprachlich verfügbarem Wissen revolutioniert. Die genannten Beispiele zeigen ja verschiedene Businessperspektiven auf. Und das ist erst der Anfang. In ChatGPT sind Jahrzehnte von Forschung und Entwicklung in der Computerlinguistik eingeflossen.
Hamburg News: Lieber Herr Bogula, vielen Dank für das interessante Gespräch!
Das Interview führte Yvonne Scheller.
Anmerkung: Auf die Frage, für wie revolutionär ChatGPT sich selbst hält, gibt sich der Bot diplomatisch. Das sei eine Frage der Perspektive…
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