Die Frage, wie sich unsere Zukunft sicher gestalten lasst, scheint so brisant wie lange nicht mehr. Generative KI, also eine Technologie, die selbstständig Texte und Bilder produziert, hat daran durchaus ihren Anteil. Lange hieß es, KI könne nicht kreativ werden. Super-Chatbots wie Chat GPT scheinen diese These widerlegt zu haben. Plötzlich erscheint alles möglich, im Guten wie im Schlechten. So ging es in den Vorträgen, Talks und Workshops des KI-Summits immer wieder um die Frage ‚KI: Doom or Boom?‘ Und während Martina Warning, Vizepräses der Handelskammer Hamburg, das mächtige Potenzial von KI hervorhob, das ganze Industrien und Sektoren revolutionieren könne; und Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard betonte, dass gerade am Standort Hamburg dieses Potenzial genutzt werde – die Hansestadt ist eine von vier vom BMWK ausgerufenen Modellregionen für KI-Startups – überließ Christian Bruss, KI-Trainer des Mittelstand-Digital-Zentrum Hamburg, die Frage dem (Fach-)Publikum: Was bedeutet KI für den Arbeitsmarkt: Doom or Boom? Die Abstimmung ergab eine leichte Tendenz zu Doom. Bruss konterte mit dem amerikanischen Ökonom Richard Baldwin: „AI won't take your Job. It's somebody using AI that will take your job!”
Wie soll Hamburg in Zukunft aussehen? Und wie lassen sich Leben und Beruf nachhaltiger und effektiver gestalten? Damit beschäftigen sich Stadtplaner:innen, Politiker:innen und Unternehmer:innen in jeder Generation aufs Neue – und nun auch künstliche Intelligenz (KI). Im Rahmen des diesjährigen fAIstival.hamburg hat ThIS! (The Interface Society) in Kooperation mit der Universität Hamburg einen Prompt-a-thon ausgerichtet, in dem verschiedene Zukunftsbilder für die Stadt kreiert wurden. Ein Prompt-a-thon ist, ähnlich wie ein Hack-a-thon, ein praktischer KI-Workshop, in dem mit generativer KI experimentiert wird. Die besten Ergebnisse präsentierte Tilo Böhmann, Professor für Informatik an der Universität Hamburg, beim 4. KI-Summit am Donnerstag (31. August) in der Katholischen Akademie. „Gewonnen hat die Stadt mit Herz.“ Um eine funktionierende Koexistenz von Natur und Technologie möglichst anschaulich zu visualisieren, hat die KI den Hamburger Hafen im Jahr 2040 in Herzform dargestellt.“ Der Weg zu diesem Ergebnis sei nicht leicht gewesen, berichtet der Professor. Mensch und KI brauchten mehrere Anläufe, um sich ‚zu verstehen‘. Prompting – also die möglichst präzise Formulierung von Befehlen an eine KI – ist eben eine Kunst. „Natürlich sind die Ergebnisse Utopien“, räumt Böhmann ein. „Doch sie öffnen den Horizont für völlig neue Denkansätze.“ Teil 2 unserer KI-Serie.
Generative KI hat alles verändert
Technologie für das Gute nutzen
Ganz klar für KI, aber eben auch für einen verantwortungsvollen Umgang mit der Technologie, plädierte Alois Krtil, Gründer und CEO des Artificial Intelligence Center Hamburg (ARIC). „Es liegt an uns, wie wir KI einsetzen, wir sitzen im driver's seat. Also lasst uns mit einer Responsible AI (RAI) die Technologie für das Gute nutzen.“ Wie verführerisch die vielfältigen Möglichkeiten der Technologie jedoch in der Praxis sein können, wurde in der Paneldiskussion ‚Building Trust in Generative AI – Verantwortungsvoller Umgang in der kreativen Ära‘ deutlich. Michelle Gutting, Head of Marketing bei Luis Technology, führte aus: „KI bietet uns ein Tool für ein hochgradig personalisiertes Marketing, was die Branche wirklich begeistert. Doch der Grad hin zu einer potentiellen Kund:innenmanipulation ist schmal.“ Die KI-Enthusiastin des auf Fahrassistenzsysteme spezialisierten Unternehmens betont deshalb die Bedeutung von technischem Know-how: „Marketer:innen müssen die Technik verstehen und wissen, wie sie funktioniert, um sie innerhalb der Grenzen von Ethik und Datenschutzrichtlinien einzusetzen.“
KI muss sich outen
Dr. Lothar Hotz, CEO des Forschungs- und Technologietransferzentrums des Fachbereichs Informatik der Universität Hamburg (HITeC e.V.), geht noch einen Schritt weiter. Er fordert: „Wir brauchen mehr Transparenz, KI muss sich immer outen. Und es muss immer deutlich werden, wie Algorithmen zu ihren Ergebnissen kommen.“ Erklärbare KI sei eine reine Frage der Forschung und es gäbe bereits mehrere Projekte, die sich damit beschäftigen, so der Wissenschaftler. Das bekräftigte auch Benedikt Gietl, Head of AI@Public Sector und Senior Consultant beim IT-Dienstleister Sopra Steria: „Wir müssen Tools entwickeln, die aufzeigen, welche Quellen Algorithmen nutzen.“ Damit ließe sich Technik nutzen, um Technik zu kontrollieren. Doch haben wir die Zeit, um entsprechende Tools zu entwickeln? Pia Cuk, Chief Science Officer beim Tech-Startups Ada Lab AI, zumindest wandte ein „Wir können doch nicht zehn, 15 Jahre warten, bis eine erklärbare KI Realität ist. Und dann bleibt immer noch die Frage: Wird das je wirtschaftlich möglich sein?“ Sie ist überzeugt, dass KI-Anteile in technischen Prozessen in naher Zukunft eine Selbstverständlichkeit sein werden. „Dann reicht auch eine Nennung im Impressum.“
Ein neues ‚Made in Germany‘
Für die Generation Z sei der Umgang mit KI ohnehin vielfach etwas ganz natürliches und erfordere daher keine besondere Betonung, stimmte Gutting zu, betonte jedoch explizit den Wert von RAI, selbst wenn die Umsetzung Geduld erfordere. „Vielleicht geraten wir im internationalen Wettbewerb aktuell etwas ins Hintertreffen, weil wir uns mit RAI Grenzen setzen. Das kann sich aber drehen und zum Wettbewerbsvorteil für Deutschland werden. Denn sichere Produkte anzubieten, schafft Vertrauen.“
Tatsächlich kommen erfolgreiche KI-Innovationen vor allem aus den USA. Google und IBM zählen zu den Pionieren, Chat GPT wurde von dem amerikanischen Unternehmen Open AI entwickelt, maßgeblich finanziert von Microsoft. Doch Hendrik Reese, AI-Experte und Partner bei PwC, ist überzeugt: „Wir haben jetzt die Chance ein neues ‚Made in Germany‘ zu etablieren. Deutschland ist für Qualität bekannt, lasst uns das auch im Bereich KI beweisen.“ Hamburg mit seiner Infrastruktur an KI-Akteur:innen und Hochschulen sei prädestiniert, dabei eine wesentliche Rolle zu spielen.
ys/sb
Lesen Sie auch die weiteren Teile unserer KI-Serie:
Teil 1: IT-Experte Alois Krtil: Hamburg ist ganz klar ein KI-Hotspot