„Neue Technologien und frische Denkweisen können helfen, Herausforderungen wie digitale Transformation, Fachkräftemangel oder Klimawandel zu meistern“, erklärte Melanie Leonhard, Hamburgs Senatorin für Wirtschaft und Innovation beim Auftakt. Ein Weg zu frischen Denkweisen: sektorenübergreifende Zusammenarbeit. Die werde auch von den Hamburger Clustern gepflegt, betonte die Senatorin und nannte KLIMAready als ein Beispiel. Bei dem Kooperationsprojekt – Laufzeit vom 1. Juli 2024 bis 30. Juni 2027 – arbeiten sieben Branchencluster zusammen, um Unternehmen bei der Energietransformation und Klimaanpassung zu unterstützen. Eine im Februar präsentierte Umfrage hat die drei größten Herausforderungen auf dem Weg zur Klimaresilienz identifiziert: Finanzierung bzw. hohe Implementierungskosten (66 Prozent), regulatorische Unsicherheit (52 Prozent) und zusätzlicher Arbeitsaufwand (48 Prozent). Lösungsansätze werden nun mithilfe eines interdisziplinären Workshopformats, der sogenannten „Clusterbrücke“, entwickelt. Denn die branchenübergreifende Kooperation – also der Austausch von Best Practices, gemeinsame Forschungsprojekte oder branchenübergreifende Schulungen – bezeichneten die Befragten als Schlüssel zur Veränderung.
Mit der VR-Brille ein visionäres Hygiene-Design-Konzept für das Krankenhauszimmer der Zukunft erkunden oder ganz real einen zwischen Decke und Boden verspannten Flugzeugsitz austesten: Tatsächlich bietet die nach dem Cradle-to-Cradle-Prinzip im Projekt Faircraft entwickelte Flugzeugmöblierung einen überraschend kuscheligen Sitzkomfort und ist ebenso wie die Hygienelösung von Albis Plastic und dem Drägerwerk ein Ergebnis des Cross Innovation Lab der Hamburg Kreativ Gesellschaft. Das Programm bringt Unternehmensmitarbeitende mit Kreativen zusammen, die als interdisziplinäres Team Neues entwickeln. Wie der kooperative Ansatz funktioniert, wurde am 12. Juni beim 2. Cross Innovation Day im Oberhafenquartier beleuchtet.
Konsens: Kooperation ist der Schlüssel

Multiperspektivität als Treiber
Egbert Rühl, Geschäftsführer der Hamburg Kreativ Gesellschaft, sieht den Schlüssel zur Innovation vor allem in den Kreativen. „Die Akteure der Kreativökonomie sind Spezialisten für Innovation – und ihre kreative Kraft kann Innovationstreiber für andere Branchen sein.“ Um diese Innovationskraft zu nutzen, hat die Hamburg Kreativ Gesellschaft einen Pool von 70 Kreativen zusammengestellt, die bei verschiedenen Formaten zum Einsatz kommen – vom Cross Innovation Lab über Attack your Business bis zum Pop-up-Office. „Durch die Multiperspektivität in diesen Formaten werden Denkprozesse angestoßen, die zu neuen Geschäftsmodellen, aber auch zu einer Veränderung der Haltung in Unternehmen und Organisationen führen“, ist Rühl überzeugt. Diese Veränderungsfähigkeit sei wichtig angesichts der Transformationsgesellschaft, in der wir uns befinden. Denn die erfordere nicht mehr nur Anpassung an sich verändernde Verhältnisse, sondern zunehmend eine Neugestaltung von Prozessen und Systemen.

KI als Produktpartner
Mit Kreativen als Projektpartner hat Markus Durstewitz, Senior Director Innovation bei Airbus, im Rahmen des Cross Innovation Labs bereits gute Erfahrungen gemacht. Zudem nutzt das Unternehmen KI in verschiedenen Bereichen, um Prozesse zu optimieren und Innovationen voranzutreiben. „KI ist für uns ein Partner im Kreativprozess. Ob es ein verlässlicher Partner ist, wird sich in ein paar Jahren zeigen.“ Entsprechend betont Durstewitz die Bedeutung des AI Acts, um Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass KI-Entwicklungen rechtlich einwandfrei entstehen und zu wirtschaftlich tragfähigen Ergebnissen führen. „Ich bin fest davon überzeugt, dass dies gelingt“, so Durstewitz. Darüber hinaus ist der Innovationsexperte überzeugt, dass Fortschritte nur gemeinsam erzielt werden können und nennt als Beispiel die Wasserstoffwirtschaft. Airbus hat seine Pläne, bis 2035 im Rahmen des Projekts „ZEROe“ wasserstoffbetriebene Verkehrsflugzeuge in die Luft zu bringen, verschoben, aber nicht eingestellt. „Das Flugzeug allein reicht nicht. Solange Infrastruktur und gesellschaftliche Akzeptanz fehlen, lässt sich das Ziel einer klimaneutralen Zukunft nicht erreichen. Das geht nur gemeinsam.“

Umdenken statt neu entwickeln
Wassich gemeinsam erreichen lässt, wurde beim Cross Innovation Day unter anderem mit dem Projekt Faircraft anschaulich demonstriert. Sieben Branchenakteure (darunter Airbus) haben sich mit drei Kreativen zusammengetan. Ziel ist die Entwicklung einer kreislauffähigen Flugzeugkabine – von Materialökologie über modulare Toilettensysteme bis hin zu den textilen Flugzeugsitzen. „Es ist uns gelungen, leichte, sichere und dazu bequeme Sitze zu entwickeln, die auch preislich mit der klassischen industriellen Variante mithalten können“, erläuterte Sebastian Mends-Cole, Mitgründer des Circular Design Hub Hamburg. Nachdem auch alle erforderlichen Crashtests bestanden wurden, befinde sich das Projekt nun im Zertifizierungsprozess. „Die Industrie hat bereits deutliches Interesse signalisiert.“
Doch nicht nur die kooperative Projektarbeit sei erfolgreich, betonte der Industriedesigner. Die durch den Perspektivwechsel geprägte Zusammenarbeit sei bezeichnend für die gesamte Kreislaufwirtschaft. „Es geht darum, Produkte und Dienstleistungen neu zu denken. Das umfasst auch den Aspekt der Kundenbindung.“ Ein klassisches Beispiel sei die Waschmaschine, der ultimative Haushaltshelfer. „Statt Geräte zu verkaufen, könnten Hersteller ihren Kunden eine Garantie über 20 Jahre frische Wäsche verkaufen.“ Durch den Perspektivwechsel wären Hersteller motiviert, langlebige und reparierbare Maschinen zu entwickeln, denn jede einzelne Maschine bliebe im Besitz des Unternehmens. So muss Innovation Prozesse oder Produkten nicht unbedingt neu denken – Umdenken gehört ebenso zum Spektrum.
ys/sb
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