„Auch wir verfolgen die Transformation der klassischen Verlage hin zu zukunftsorientierten Medienunternehmen aufmerksam. Fest steht, Veränderungen sind zunächst einmal auch schmerzhaft, aber notwendig, wenn Geschäftsbereiche absehbar nicht mehr profitabel oder zukunftsfähig sind. In den beiden Beispielen ermöglichen radikale Schritte aber vor allem auch ein Überleben und die Möglichkeit, sich auf ein funktionierendes Geschäftsmodell zu fokussieren“, erläutert Dr. Nina Klaß. Grundsätzlich zeigt sich die Leiterin der Standortinitiative nextMedia.Hamburg optimistisch für den Medienstandort Hamburg: „Eine so vielfältige Mischung aus Diversität, Relevanz, Kreativität und Fortschritt bietet kein anderer Standort – und früher oder später sorgt diese neue Mischung dafür, dass Hamburgs neues Narrativ von den nachhaltigen, digitalen Geschäftsmodellen rund um kreativen Content und transformative Technologie da ankommt, wo aktuell noch um Altes getrauert wird.“
„2,335 Milliarden Mopos. Eine völlig unwirkliche Zahl. So viele Exemplare werden es in etwa sein, die seit dem 16. September 1949 an ungefähr 23.350 Tagen verkauft wurden.“ Mit diesen Zahlen unterstreicht Maik Koltermann, Chefredakteur der Hamburger Morgenpost (Mopo), den Wandel einer fast 75-jährigen Historie als Tageszeitung zur neuen Wochen-Mopo. Das neue Kapitel, das der Verlag am 12. April aufschlägt, wurde getrieben von stetig gestiegenen Pro-Stück-Kosten für die Erstellung und den Vertrieb der täglichen Printausgabe, erklärt Koltermann und verweist stattdessen auf mopo.de. Online würden sich bis zu 450.000 Menschen täglich über die aktuelle News-Lage informieren – das neue Wochen-Mopo-Format sei die optimale Ergänzung zu diesem Digitalangebot. Ein weiterer Schlag für den Printstandort Hamburg nach dem Zusammenschluss von RTL Deutschland und Gruner + Jahr?
Fokus auf ein funktionierendes Geschäftsmodell
Immersiver Content gewinnt an Bedeutung
Darüber hinaus ist Klaß überzeugt: „Die Medienlandschaft erlebt aktuell eine dynamische Entwicklung, die alle Hamburger Unternehmen im Bereich Content betrifft. Dies betrifft nicht nur die Content-Produzent:innen selbst, sondern auch Marketingexpert:innen in anderen Branchen, die Inhalte für ihre Geschäftsmodelle oder als Teil ihrer Marketingstrategie benötigen.“ Durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) würden Inhalte wie Nachrichten, Serien, Meinungen und Werbung noch persönlicher, was zwar eine faszinierende Entwicklung sei, jedoch auch gesellschaftliche Risiken berge, wenn Inhalte ausschließlich individuell angepasst und nicht als Konsens präsentiert würden, analysiert die Expertin. Und sie stellt fest: „Trotz eines Rückgangs des Metaverse-Trends im letzten Jahr gewinnt immersiver Augmented Reality (AR)- und Virtual Reality (VR)-Content an Bedeutung, oft in Kombination mit KI. Darüber hinaus beobachten wir einen Trend, bei dem etablierte Content-Marken Produkt- und Servicemarken im Handelsbereich aufbauen, um ihre Kernaktivitäten gegenüber Marktschwankungen abzusichern.“
Produkte an der Schnittstelle von Content und Technologie
Die Standortinitiative nextMedia.Hamburg versteht sich als erste Anlaufstelle für die Medien- und Digitalwirtschaft in Hamburg und legt dabei einen großen Fokus auf Innovationsförderung. Wobei die Bezeichnung „Medien und Digitales“ kaum noch für die Branche passt, findet Klaß. „Was ist denn heute nicht ‚digital‘ und wer kann sich noch erlauben nicht ‚reichweitenstark‘ zu sein? Vielmehr handelt die Zukunft dieser Wirtschaft von Produkten an der Schnittstelle von Content und Technologie, von diversifizierten, vornehmlich digitalen Geschäftsmodellen und konvergierten Teilmärkten.“ Den Medienstandort Hamburg zeichne dabei ein Ökosystem aus, in dem unterschiedliche Akteur:innen kreativen Content und transformative Technologien verbinden. So sind zahlreiche bedeutende Agenturen, Plattformen und Content-Produzent:innen mit nationaler und internationaler Bedeutung in Hamburg vertreten, wie etwa Pilot, Der Spiegel, Believe, Ströer, Carlsen, Die Zeit oder Jung von Matt. „Daneben betreiben zahlreiche globale Größen wie Google, Snapchat, Meta und Twitch ihr Deutschland-Geschäft von Hamburg aus. Fast noch wichtiger und oft übersehen sind zudem sehr junge und innovative Unternehmen wie Musicube, Oxolo, die Online Marketing Rockstars und We Create“, so Klaß. Und sie betont: „Neben städtepolitischen Initiativen zur Gründung und Förderung von Ideen gibt es ein breites Netzwerk an Creator:innen und Expert:innen, die ihr Wissen gerne teilen und in den Austausch mit dem Nachwuchs gehen. Moderne Coworking-Spaces, innovative Labs und zahlreiche Branchen-Veranstaltungen wie das Reeperbahn Festival, das ADC Festival, die 9:16 Awards oder das OMR Festival fördern zudem die Möglichkeiten zum Wissensaustausch und Geschäftemachen.“
Innovationsraum Space
Einen weiteren Ort zum Wissensaustausch und Geschäftemachen gibt es seit Anfang September 2023 mit dem Innovationsraum Space, der von nextMedia.Hamburg und anderen Bereichen der Hamburg Kreativ Gesellschaft konzipiert, umgesetzt und gehostet wird. „Der Space ist ein Innovationsraum, in dem kreative Köpfe aus den Bereichen Content und Technologie zusammenkommen“, erklärt Paula Lauterbach, Kommunikationsmanagerin bei nextMedia.Hamburg. Dabei sei der SPACE weit mehr als ein Coworking Space, betont sie: „Vielmehr entwickeln wir hier gemeinsam Lösungen, teilen Wissen, fördern Partnerschaften und etablieren so eine neue, einzigartige Kultur des Lernens.“ Die 630 Quadratmeter große Fläche wird von der Stadt Hamburg und von nextMedia.Hamburg-Partnerunternehmen finanziert sowie von dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) kofinanziert.
Neues Format von nextMedia.Hamburg gestartet
Im Space startete Ende Februar auch das neue Format der Themenfestivals. „Unsere Themenfestivals sind einwöchige Festivals für alle, die an und für Content- und Technologieprodukte arbeiten. Auf mehreren Stages können die Besucher:innen in Workshops, Impulsvorträgen, Panels und Sparring Sessions alles rund um ein bestimmtes Fokusthema erfahren, sich austauschen und voneinander lernen“, führt Lauterbach aus. Das Programm entsteht in Zusammenarbeit mit Space-Partnern wie Ströer, Carlsen und Snap sowie einem externen Kuratorium und adressiert an unterschiedlichen Tagen unterschiedliche Perspektiven der Geschäftsführer:innen, New Leaders, Young Professionals, Gründer:innen und Kreativen. Zum ersten Festival mit dem Fokusthema „Künstliche Intelligenz“ kamen mehr als 260 Besucher:innen. Über 40 Speaker:innen teilten ihr Wissen in intensiven Prompt-Workshops und -Battles, bei Paneldiskussionen, Campfire Talks und einem C-Level-Dinner. „Das Festival war binnen weniger Wochen ausgebucht“, betont Lauterbach. Das nächste Themenfestival ist vom 24. bis 27. Juni zum Thema „Attention Economy“ geplant.
Media Lift und Prototyping Lab
Als weiteren wichtigen Termin nennt Lauterbach den 5. Mai. Dann endet die Bewerbungsphase für den Content & Tech-Inkubator Media Lift, bei dem in drei Phasen innovative Geschäftsideen durch Netzwerk- und Mentoringangebote sowie individuell abgestimmte Workshops und professionelle Trainings gefördert werden. Unter den Startups im letzten Batch war One Guide, eine KI-gestützte Reise-App mit hochwertigen Audio- und AR-Inhalten. „One Guide nutzt Natural Language Processing (NLP), Ultra-Realistic Text-to-Voice- und Text-to-3D-Model-Technologien sowie Computer Vision. Für die Audio- und AR-Inhalte verwenden die Gründer:innen, Wiebke Nadzeika und Marlon Lückert, ein speziell trainiertes KI-Modell. Anfangs wurden die Audio- und AR-Inhalte von Menschen erstellt und in einem A/B-Test optimiert, um die bestmöglichen Inhalte zu erzielen“, so Lauterbach. Generell sei das Thema KI in der Startup-Welt ein starker Treiber. „Wir sehen viele Startups, die ihr Geschäftsmodell auf KI generierten Content auslegen. Das passiert auf allen Ebenen, von Texten über Audio bis zu sprechenden Avataren.“
Gemeinsam Prototypen entwickeln
Auch das Prototyping Lab wird in diesem Jahr wieder stattfinden. „Dabei bringen wir experimentierfreudige Unternehmen mit talentierten Studierenden der Hamburger Hochschulen zusammen und lassen sie gemeinsam Prototypen entwickeln“, erklärt die Kommunikationsmanagerin. Die Teams arbeiten an realen technologischen Herausforderungen der Unternehmen und werden dabei durch namhafte Branchenexpert:innen unterstützt.
ys/sb
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Teil 1: Die (Energie-)Wende im Blick
Teil 2: Luftfahrt auf grünem Kurs
Teil 3: Kreativbranche 2024: Nachhaltigkeit und Creative AI im Fokus
Teil 4: So stellt sich der Logistikstandort Hamburg zukunftssicher auf
Teil 5: Cluster Life Science Nord: Geschäftsführer:in gesucht
Teil 6: Foodactive; Heute die Ernährung von morgen gestalten
Teil 7: Maritime Branche: Innovatives Umfeld mit vielen Facetten