Tatsächlich hat die traditionelle Verbundenheit im Grunde nie gelitten – zumal sich die Länder dank Direktflügen von Hamburg nach London, Manchester und Edinburgh nahe sind. Auch die Handelsbeziehungen, die durch das Austrittsabkommen Großbritanniens 2020 eingebrochen waren, erholen sich wieder. Laut Statistikamt Nord lag das Vereinigte Königreich 2024 mit gut 5,1 Milliarden Euro auf Platz 2 im Ranking der wichtigsten Hamburger Ausfuhrländer, gleich nach den USA. Im Vorjahreszeitraum lag der Exportwert bei 2,7 Milliarden Euro und Großbritannien damit – aus Hamburger Sicht – nur auf Platz 6. Bei den Importen nach Hamburg belegte das Vereinigte Königreich mit gut 2,3 Milliarden Euro Rang 7 und verbesserte sich damit um einen Platz im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.
Ist der Brexit bald Geschichte? Der Austritt aus der Europäischen Union wird sich wohl nicht so einfach revidieren lassen, aber gefühlt nähern sich Europa und Großbritannien vor dem Hintergrund der geopolitischen Entwicklungen wieder an. Im Mai unterzeichneten Malte Heyne, Hauptgeschäftsführer der Handelskammer Hamburg, und Karim Fatehi OBE, Chief Executive Officer der Londoner Handelskammer, ein Memorandum of Understanding und leiten damit ein neues Kapitel in den UK-deutschen Wirtschaftsbeziehungen ein. Das Abkommen zielt darauf ab, Unternehmenskooperationen zu fördern, Protektionismus entgegenzuwirken und gemeinsame Projekte in den Bereichen Innovation, Handel und Nachhaltigkeit zu initiieren.
Wirtschaftliche Verflechtungen
Touristenattraktion Queen Mary 2
Rund 1.000 Hamburger Firmen pflegen enge Geschäftsbeziehungen mit Großbritannien. Erste Beziehungen wurden bereits 1266 geknüpft, als Heinrich III, ein Urahn von Elizabeth II, den Hansestädten das Recht gewährte, mit England Handel zu treiben. Elizabeth II wiederum ist unter anderem die Namensgeberin eines der in Hamburg gern gesehenen „königlichen" Kreuzfahrtschiffe der Cunard Line: Queen Elizabeth, Queen Anne, Queen Victoria und Queen Mary 2. Die 1839 als „British and North American Royal Mail Steam-Packet Company“ gegründete Reederei gehört heute zum britisch-amerikanischen Kreuzfahrtunternehmen Carnival und hat ihren Deutschland-Sitz in Hamburg.
Seit 2004 die Queen Mary 2 zum ersten Mal im Hamburger Hafen anlegte, entstand eine rege Fan-Kultur um die vier Cunard-Queens. Die Anläufe der Ozeanriesen haben sich zu einer lukrativen Touristenattraktion entwickelt und werden zelebriert. So lädt etwa das Luxushotel Louis C. Jacob zu Kreuzfahrt-Events mit Wumms: Die Schiffe werden mit Salutschüssen aus der Jacob-Kanone gefeiert. Die Begeisterung für die Cunard-Schiffe stützt die Kreuzfahrtbranche, die mit einer jährlichen Brutto-Wertschöpfung von 420 Millionen Euro einen maßgeblichen Wirtschaftsfaktor für den Standort Hamburg darstellt.

Unilever: Wichtiger Akteur der Food-Branche
Ein weiterer Wirtschaftsfaktor, den Hamburg mit dem neu gegründeten Food Cluster stärker in den internationalen Fokus rücken will, ist die Ernährungswirtschaft. Unilever als britischer, aber weltweit agierender Lebensmittelkonzern, ist dabei ein wichtiger Akteur in der Hansestadt. Die Food-Branche ist in der Metropolregion Hamburg mit rund 4.500 Unternehmen und 123.000 Beschäftigten ein wichtiger Standortfaktor und das Identifizieren globaler Trends ein entscheidender Erfolgsfaktor. So hat die Unilever-Marke Knorr aktuell den wachsenden Snacking-Trend im Blick. „Prognosen zufolge wird die Kategorie der Trockenfertiggerichte von derzeit 48,8 Milliarden Euro bis 2028 auf 66 Milliarden Euro wachsen“, heißt es seitens des Unternehmens, das sich in dieser Hinsicht gut aufgestellt sieht. „Die Snack-Kategorie bei Unilever ist in den letzten fünf Jahren im mittleren einstelligen Bereich gewachsen.“
Die Hamburger Food-Szene ist zudem für britische Investoren attraktiv. 2023 übernahm Peckwater Brands mit Sitz in London das Hamburger Unternehmen Eatclever. Peckwater Brands gilt als Europas größter Betreiber virtueller Food-Marken, Eatclever hat sich auf die Lieferung gesunder, frisch zubereiteter Gerichte spezialisiert. Das 2015 gegründete Unternehmen liefert Speisen in Deutschland, Österreich, der Schweiz sowie in Großbritannien aus, die von regionalen Restaurants nach eigens entwickelter Eatclever-Rezeptur gekocht werden.

Teatime in Hamburg
Doch welches Lebensmittel ist britischer als Tee? Und was ist klassischer als eine Afternoon Teatime? Die Tradition soll auf die Duchess of Bedford, einer Hofdame von Queen Victoria, zurückgehen, die sich außerhalb der beim Adel streng geregelten Essenszeiten nachmittags belegte Brote, Scones und Tee kommen ließ. In Hamburg servieren immer mehr (Luxus-)Hotels den englischen Klassiker – vom Hotel Vier Jahreszeiten über The Fontenay bis hin zum Grand Elysée Hamburg, wo süße und herzhafte Leckereien seit diesem Jahr in einem Tresor serviert werden.
Ein Britannien im Kleinen gibt es seit 2018 in Hamburg-Ottensen. Im Tearoom Eaton Place wird mit dem „Queen Elizabeth Afternoon Tea" die englische Tradition mit großer Liebe zum Detail zelebriert. Sandwiches, Gebäck, Scones und Clotted Cream werden auf einer dreistufigen Etagere serviert. Teeliebhaber können aus insgesamt 30 Teesorten auswählen und mit einem Gläschen Portwein kombinieren. Und das alles in ausgesucht englischem Ambiente: mit britischen Fähnchen und Wappen, Herrscher-Porträts sowie silbernen Queen-Anne-Kannen. Und natürlich sind auch die Staffordshire Hundefiguren aus Porzellan zu finden, die traditionell englische Kaminsimse zieren. Mehr England geht kaum.
ys/kk/mm
Quellen und weitere Informationen
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