Gastgewerbe

Food-Standort Hamburg: Ein gutes Umfeld, um Neues zu starten

17. Oktober 2023
Kulinarische Innovationen waren in Hamburg schon immer willkommen. Heute finden kreative Gründer:innen vielfältige Unterstützung

 

Als Vincenzo Andronaco im Jahr 2000 den Sprung vom 60-Quadratmeter-Stand auf dem Hamburger Großmarkt auf die rund 5.000-Quadratmeter-Fläche in Hamburg-Billbrook wagt, meint er, ihm sei Ware abhandengekommen: „40 Paletten hatten wir für den Start eingeplant, aber die wirkten in der Halle so verloren, dass wir mehrfach nachzählen mussten“, so der gebürtige Sizilianer lachend. Inzwischen findet sich hier die vielleicht längste Frischetheke der Stadt und das Andronaco-Sortiment umfasst neben 300 italienischen Wurst- und Käsesorten, 660 Pasta-Sorten, 200 Öle und rund 180 Essigsorten. Ihren Anfang nahm die Erfolgsgeschichte jedoch bereits 1983, als der einstige ‚Gastarbeiter‘ – er war mit 18 Jahren nach Hamburg gekommen – sich einen kleinen Obst- und Gemüsestand am Barmbeker Bahnhof kaufte. Das Geld dafür hatte er sich mit Muskelkraft auf Hamburger Baustellen verdient. 2023 nun feiert Vincenzo Andronaco 40-jähriges Jubiläum.

Italienische Lebenskultur in Hamburg  

Aus dem Obststand sind inzwischen elf ‚Grandi Mercati‘ in Deutschland geworden, teils mit angeschlossenem Bistro und betrieben mit gut 450 Mitarbeiter:innen. 2004 erweiterte Sohn Florian das Unternehmen um einen Gastronomie-Service. Ins Sortiment kommt nur, was den Andronaco-Qualitätscheck bestanden hat. „Wir gehen den Produkten auf den Grund, was Herkunft und Herstellung betrifft. An die 95% aller Lieferanten, habe ich ins Auge geblickt“, betont der Gründer.

Vincenzo Andronaco ist stolz darauf, italienische Lebenskultur nach Hamburg gebracht zu haben. „Wir sind von Anfang an auf großes Interesse gestoßen, aber es gab auch kleinere kulturelle Hürden.“ Etwa als der leidenschaftliche Genießer vor Jahren seine Kunden von Honig mit Trüffeln überzeugen wollte. „Oder als empörte Kunden unseren Gorgonzola zurückbrachten – er sei ja verschimmelt.“

Vincenzo Andronaco mit Sohn Florian (rechts) und Neffe Giovanni (links)

FIC 2023 Food Award

Auf solche Probleme dürfte Shweta Pahuja, Gründerin des Startups Just Nosh, wohl nicht stoßen. Dennoch muss auch die Gewinnerin des siebten FIC (Food Innovation Camp) Food Awards die Hamburger noch auf den Geschmack von indischen Popcorn bringen, das aus den Samen der Stachelseerose hergestellt wird.

In Indien sei der gesunde Snack – vegan, ohne Zucker und mit 20% weniger Fett als klassisches Popcorn hergestellt – ein Hit. Wie er sich in Deutschland verkauft, wird sich bald zeigen: Ihr FIC Food Award-Preis besteht in einem Listing in den Märkten von Rewe Nord.

Auch Preisträger Amjad Abu Hamid, Gründer von Mamas Falafelteig, hat sich ein Listungsgespräch erpitched – bei Lebensmittel-Großhändler Chefs Culinar. Ideal, schließlich zielt der Food-Gründer mit seinen Falafelcroutons für Bowls und Salate vor allem auf die Gastronomie-Belieferung ab.

Gemeinsamer Pitch von Chickpeace und Neni beim FIC-Food-Award

Essen überwindet Grenzen: Social Business

Mit einer weiteren orientalischen Spezialität überzeugten Chickpeace und Neni beim FIC 2023 Food Award Ende September. Die Restaurantkette Neni kocht gemeinsam mit dem Catering-Service Chickpeace eine orientalische Hummus-Variante und betonte neben der Kulinarik die soziale Komponente: Essen überwindet Grenzen. Dafür stehen die Frauen hinter den Marken: Neni-Gründerin Haya Molcho stammt aus Israel, Chickpeace – ein Wortspiel aus Chickpeas (Kichererbsen), Chicks (selbstbewußte Frauen) und Peace (Frieden) – ist ein Hamburger Verein für geflüchtete Frauen.

Gestartet als Kochkurs, um im noch fremden Land erste Kontakte zu ermöglichen, kochen in dem Social Business inzwischen Frauen aus Syrien, dem Irak, Somalia, Eritrea und Afghanistan für Privatkunden, Workshops und Veranstaltungen. Um diesen Ansatz auf die nächste professionelle Ebene zu heben, erhalten die Preisträgerinnen einen Stand beim Food Innovation Camp 2024, ein Media-Paket und eine Drop-In-Membership im foodlab.

Restaurant Neni im 25h Hotel Hafenamt

Hamburg - eine Stadt für Foodies

Eine weitere clevere Idee aus Hamburg hat jüngst für Furore bei „Die Höhle der Löwen“ gesorgt: Teablobs. Die Drops aus fein gemahlenen Teeblättern werden einfach in heißem Wasser aufgelöst. Sieb oder Teebeutel werden überflüssig. Das spare Verpackungsmüll, Zeit und Platz im Regal, versprechen die Gründer Sebastian Kadhim und Kai Stork – mit Erfolg. Nach der Ausstrahlung der Vox-Show am 25. September waren die Teablobs in kurzer Zeit ausverkauft.

So bestätigt die Ideenvielfalt Hamburger Startups die Aussage von Michael Otremba: „Hamburg ist eine Stadt für Foodies und braucht sich hinter Städten wie Kopenhagen, Kapstadt oder Lima nicht verstecken.“ Das sagte der Geschäftsführer Hamburg Tourismus GmbH im Kontext von Hamburgs neuem Food-Festival. Open Mouth fand vom 14. bis 18. September 2023 statt und brachte erstmals Gastgeber:innen sowie Verbraucher:innen und Erzeuger:innen der gesamten Metropolregion zusammen und legte einen besonderen Fokus auf Nachhaltigkeit und gesunde Ernährung.

Teablobs

Food Harbour Hamburg und foodlab Hamburg

Unterstützung erhalten Produkt-Innovationen oder -Strategien etwa im Food Harbour Hamburg in Rothenburgsort. Der Innovation-Hub bietet Services für Unternehmen zur zielgerichteten Entwicklung von Prototypen, zur effizienten Produktion von Kleinserien oder zur Entwicklung durchdachter Go-to-Market-Strategien sowie offene Beratungsstunden, Vorträge, Pitchtrainings und Netzwerkveranstaltungen für Startups. Ein Accelerator-Programm für Food-Startups bieten sowohl der Food Harbour Hamburg als auch das foodlab Hamburg an.

Gründerin Christin Siegemund hat dazu in der Hafencity auf 1.200 qm mit Entwicklungsküchen, einem Co-Working-Space sowie einem Pop-Up-Restaurant einen Raum geschaffen, in dem neue Ideen ausprobiert und Gästen präsentiert werden können. So will Küchenchef Louis Larbi im Oktober den Hamburgern mit Afroburger, Akwaaba Rolls oder Jollof Rice seine African Fusion Küche schmackhaft machen, während Marcel Görke und sein Team mit Wurzelwerk by Heimatjuwel nach dem Motto vom „Bauernhof auf den Tisch“ regionale, nachhaltige und saisonale Speisen serviert.

Kochen für das Pop-Up-Restaurant im Foodlab

Kulinarischer Kalender

Weitere foodlab-Termine: Am 10. November startet die Kitchen Party mit verschiedenen Food Stationen, an denen Food-Innovationen getestet und bewerten werden können. Ziel: Qualifiziertes Feedback für die kreativen Köch:innen. Dazu gibt es Drinks, Musik und reichlich Networking-Gelegenheiten. Am 2. Dezember findet der 2. foodlab Weihnachtsmarkt statt. Über 20 Food-Ständen bieten ein ‚Fancy christmassy-Kuchenangebot‘, dazu gibt es Glühwein und weihnachtliche Cocktails.

Und auch Vincenzo Andronaco lässt in seinem Jubiläums-Jahr seine Wein- und Genussmesse wiederaufleben. Am ersten November-Wochenende bestücken eigens aus Italien angereiste Hersteller:innen 50 Marktstände.

Über 300 Produkte können somit am 4. und 5. November im Andronaco Grande Mercato in Billbrook verkostet werden. Mit den Einnahmen dieser Veranstaltung und der stattfindenden Tombola unterstützt Andronaco die Fördergemeinschaft Kinderkrebs-Zentrum Hamburg e.V.
ys/kk

Weihnachten: Hochzeit der Kulinarik

Quellen und weitere Informationen

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