Luftfahrt

Drohnen: Der Falke hat sein Nest verlassen

7. November 2025
Von der Wissenschaft in die Wirtschaft. Drohnen-Projekt der HSU von Startup übernommen. Abfangdrohne erregt Interesse im In- und Ausland

Werft- und Militäreinrichtungen in Norddeutschland, Flughäfen in Dänemark und Norwegen, Atomkraftwerke in Frankreich – hybride Bedrohungen durch illegale Drohnenüberflüge nehmen zu. Als Reaktion will die Bundesregierung die Befugnisse der Bundespolizei bei der Drohnenabwehr erweitern, damit diese in Zukunft Drohnen in Gefahrensituationen abschießen dürfen. Das Problem: Durch herabfallende Trümmer könnten Menschen verletzt und Infrastruktur beschädigt werden. Ein Drohnenabwehrsystem hingegen, das feindliche Drohnen mit einem Netz einfängt und sie sicher und intakt zu Boden bringt, bietet darüber hinaus den Vorteil, eingefangene Drohnen auf ihre Herkunft untersuchen zu können. Schließlich lässt sich bislang nicht sicher nachvollziehen, wer hinter den Drohnenüberflügen steckt.

Verbundprojekt Falke

Eine solche Abfangdrohne mit integriertem Netzwerfer wurde über einen Zeitraum von drei Jahren im Verbundprojekt Falke, unter der Leitung von Professor Dr. Gerd Scholl von der Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg (HSU), entwickelt. Die Ergebnisse stellten die Konsortialpartner Anfang 2023 der Öffentlichkeit vor: eine etwa 1,40 Meter große Drohne, die es mit sechs Propellern auf 120 km/h bringt und für deren Einsatz die Abstimmungsprozesse zwischen den zuständigen Akteuren – Bundespolizei, Flugsicherung und Flughafen – am Hamburger Flughafen erprobt und trainiert wurden. Das Ergebnis war so überzeugend, dass die Argus Interception GmbH, ein Startup mit Sitz in Rotenburg (Wümme) in der Metropolregion Hamburg, das System übernahm und zur Produktreife brachte.

Porträt eines lächelnden älteren Mannes (Professor Dr. Gerd Scholl) mit Brille und grauen Haaren vor hellem Hintergrund.
Unter der Leitung von Professor Dr. Gerd Scholl wurde der Falke an der HSU entwickelt

Interesse aus dem In- und Ausland

Damit hat der Falke zwar das Nest verlassen, mit der HSU bleibe Argus Interception aber durch eine Kooperationsvereinbarung verbunden, so Scholl. „Wir tauschen uns regelmäßig fachlich aus, um das Abfangsystem kontinuierlich weiterzuentwickeln und das System an eine sich verändernde Bedrohungslage anzupassen.“ Die aktuelle Version werde von Bundeswehr und Polizei im Inland, aber auch von Interessenten im Ausland gekauft, erklärt der Professor für Elektrische Messtechnik. Die EU plant aktuell eine „European Drone Defence Initiative". Verschiedene Abwehrsysteme sollen Drohnen erkennen, verfolgen und neutralisieren. Ein Baustein könnte die HSU-/Argus-Entwicklung darstellen.

Unbedingt abwehrbereit

Ursprünglich als Gegenmaßnahme für zu ehrgeizige Flugzeug-Spotter sowie Aktivisten entwickelt, die mit einer Drohne Flughäfen lahmlegen wollen, könnte es das Abwehrsystem nun mit hochprofessionellen Eindringlingen zu tun bekommen. Ist der ehemalige Falke dem gewachsen? „Die Abfangdrohne kann sich auch einer großen, schnell anfliegenden Drohne in den Weg stellen und sie mit ihrem Netz einfangen“, so Scholl. „Wenn die anfliegende Drohne zu schwer oder der Netzimpuls der auftreffenden Drohne zu groß sein sollte, wird vor dem Schuss das Netz ausgehakt. Die getroffene Drohne fällt zu Boden, bevor sie ihr Ziel erreicht und wäre damit eine Alternative zur aktuell diskutierten Abschussoption“, fährt der Professor fort. Damit dies auch einigermaßen kontrolliert erfolge, könne zudem ein Bremsfallschirm eingesetzt werden.

Zwei Drohnen im Flug, wobei eine Drohne ein Netz auf die andere wirft.
Die Weiterentwicklung des Falken, die Argus Interceptor Phantom, im Einsatz

Frei verkäuflich, aber nicht frei einsetzbar

Kann sich nun jeder die Abwehrdrohne zulegen, nachdem der Falke den Projektstatus hinter sich gelassen hat? „Das System darf jeder kaufen, aber nicht jeder einsetzen“, erklärt Scholl. Aktuell ist eine Nutzung nur für Bundeswehr und Polizei möglich. „Und auch hier ist ein Einsatz nur im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten – also, wenn es die (Gefahren-)Lage gebietet und die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleibt – vorgesehen“, betont der Experte. Nicht erlaubt ist der Drohnenschutz in Eigenregie bislang für große Unternehmen wie BASF, RWE oder die Rechenzentren der Deutschen Telekom, obwohl sie zur kritischen Infrastruktur Deutschlands gezählt werden.

Neues Kooperationsprojekt

Mit der Deutschen Telekom kooperieren Scholl und sein Team aktuell im Projekt „Digitale Sensor-2-Cloud Campus Plattform“, um die Detektion, also das Aufspüren, sowie die Klassifikation und Abwehr von Drohnen weiter zu verbessern. „Wir arbeiten daran, Drohnen zu detektieren, die über Mobilfunknetze gesteuert werden. Zudem haben wir mit T-Systems onsite ein Kooperationsprojekt, bei dem Drohnen und Drohnensteuerer über Hochfrequenzsensoren präzise lokalisiert werden können“, erklärt Scholl. Anschließend lassen sich passende Abwehrmaßnahmen ergreifen, wie beispielsweise das Stören der Funksignale oder das Einfangen der Drohne mit der Falke-Technik.
ys/mm/sb

Quellen und weitere Informationen

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