„Das Problem besteht eher darin, den Wasserstoff wieder aus dem Material herauszubekommen“, erläutert Andreas Stierle, Leiter des Nanolabs bei DESY (Deutsches Elektronen-Synchrotron) und Professor für Nanowissenschaften der Universität Hamburg. Hier kommt die Nanotechnologie ins Spiel, denn bei Nanoteilchen ändern sich die physikalischen und chemischen Eigenschaften, je kleiner sie werden. „Wir experimentieren deshalb mit Palladium-Teilchen, die lediglich rund einen Nanometer messen.“ Ein Nanometer ist ein millionstel Millimeter. Wichtig bei dem Forschungsansatz: Die Palladium-Nanoteilchen müssen stabil bleiben und dürfen sich nicht vergrößern, wenn man sie Wasserstoff aussetzt. Dazu werden die Teilchen durch einen Kern aus dem seltenen Edelmetall Iridium stabilisiert und zusätzlich auf Graphen fixiert, einer extrem dünnen Lage aus Kohlenstoff. „Der Iridium-Kern fungiert quasi als Anker und sichert die Stabilität“, so Stierle.
Die Metropolregion Hamburg ist besonders geeignet für den Aufbau einer grünen Wasserstoffwirtschaft – so die Einschätzung der OECD. Allein in 12 staatlich geförderten Wasserstoff-Großprojekten wird an der Zukunft eines Wasserstoff-Ökosystems geforscht. Gleichzeitig besteht Forschungsbedarf entlang des gesamten Wasserstoff-Ökosystems – von der energieeffizienten Erzeugung über die Transportfähigkeit bis zur Speicherung. Denn der vielversprechende Energieträger ist ein leicht flüchtiges Gas und für die Speicherung sind entweder ein sehr hoher Druck oder extrem niedrige Temperaturen erforderlich. Ein Forschungsteam aus Wissenschaftler*innen aus Köln und Hamburg verfolgt nun einen innovativen Ansatz basierend auf Nanoteilchen – und dem Edelmetall Palladium. Dass sich die Forscher*innen gerade für Palladium interessieren, ist nicht überraschend. Das Edelmetall besitzt die höchste Absorptionsfähigkeit aller Elemente für Wasserstoff, kann es quasi aufsaugen, wie ein Schwamm.
Nanotechnologie eröffnet neue Möglichkeiten
„Nano-Pralinen“ speichern Wasserstoff
Um zu beobachten, was genau geschieht, wenn sich der Wasserstoff mit den winzigen Palladium-Teilchen verbindet, nutzen Stierle und seinen Kolleg*innen den Elektronenspeicherring PETRA III bei DESY. PETRA III gilt als eine der besten Speicherring-Röntgenstrahlungsquellen der Welt. Das hier erzeugte brillante, intensive Röntgenlicht erlaubt es den Forscher*innen, tief in die Materie ihres Beobachtungsobjekts zu blicken. „Wir haben festgestellt, dass der Wasserstoff im Wesentlichen an den Oberflächen der Palladium-Teilchen haften bleibt – In das Innere der Klümpchen dringt kaum etwas ein“, sagt der Wissenschaftler und erklärt die Verbindung mit einem ebenso anschaulichen wie appetitlichen Vergleich: „Bildlich gesprochen ähneln diese Nanoteilchen einer Praline: In der Mitte befindet sich eine Iridium-Nuss, umhüllt von einer Marzipanschicht aus Palladium, ganz außen folgt als Schoko-Überzug der Wasserstoff.“ (siehe obige Grafik) Um den Wasserstoff nun wieder vom Palladium zu lösen, reiche eine leichte Erwärmung – oder, um im Bild zu bleiben, die Schokolade wird geschmolzen.
Nächster Schritt: Transportanwendungen
Der innovative Ansatz zur Speicherung von Wasserstoff wurde im Rahmen eines grundlagenorientierten Forschungsprojekts unter realistischen Umgebungsbedingungen entwickelt, betont Stierle. „Unser nächster Schritt geht nun in Richtung praktischer Anwendung, etwa für Transportanwendungen. Dazu sind wir mit potenziellen Partnern wie der Fraunhofer-Gesellschaft im Gespräch, aber auch mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) wegen der entsprechenden Fördermittel.“ Doch es hätten auch bereits verschiedene Industrieunternehmen Interesse signalisiert, so der Leiter des DESY-Nanolabs. „Wasserstoff ist aktuell von großem Interesse.“
ys/sb/kk