Oehme: Der Dienstleistungssektor ist in der New Yorker Wirtschaft sehr ausgeprägt. Das hat den Vorteil, dass man vieles aus der Ferne machen kann. Es gibt hier sehr viele große und auch kleinere Anwaltskanzleien. Wirtschaftprüfer sind in der Stadt stark vertreten. Google und andere IT Unternehmen beschäftigen viele Menschen in New York City.
Viele Gastronomiebetriebe wie auch Lebensmittel-Geschäfte haben einen Lieferservice aufgebaut. New York City ist auch eine Medizinhochburg mit Spitzenkrankenhäusern.Virtuelle Arztbesuche sind da ein Bereich, der sich kräftig ausdehnt. Ganz allgemein haben Amerikaner wenig Probleme damit, Services virtuell zu nutzen. Kaufhäuser und Geschäfte sind wieder geöffnet, auch Shopping Malls, aber man muss davon ausgehen, dass ein Großteil des Handels schon online abgewickelt wird und sich das noch verstärken wird. Es ist nicht nur Amazon. Alle bieten online an. Der Versandhandel wurde in den USA erfunden, also gibt es wenig Hemmungen in der Bevölkerung. Auch Wohnungsbesichtigungen werden virtuell gemacht.
Hamburg News: Gibt es Fördermaßnahmen, die den Unternehmen helfen?
Oehme: Es gibt schon seit Beginn der Pandemie umfangreiche Programme sowohl auf der Bundesebene als auch auf der Staaten- oder Städteebene, die den Betroffenen helfen. Es war aber für einige Monate so, dass manche Arbeitnehmer auf diese Weise mehr Geld erhalten haben als wenn sie gearbeitet hätten. Daher war das Interesse bei vielen, wieder an den Arbeitsplatz zurückzukehren, reduziert. Inzwischen sind die Arbeitslosenzahlen, wenn auch noch auf hohem Niveau, wieder rückläufig. In den USA ist es üblich, Leute schnell wieder einzustellen, wenn der Bedarf vorhanden ist. Das hat sich in den letzten Rezessionen immer wieder gezeigt.
Hamburg News: Wir ordnen sie die Situation für die Kulturbranche ein?
Oehme: Die Kulturbranche ist extrem betroffen, also Broadway, die Metropolitan Opera, die Konzertsäle, auch die vielen Comedy und Musik Clubs. Ebenso auch die Museen, die jetzt langsam mit stark reduzierter Besucherzahl wieder öffnen. Es gibt Gerüchte, dass die Museen einige Exponate verkaufen werden müssen, um das Defizit abzufangen. Es wird nicht damit gerechnet, dass es Theateraufführungen vor 2021 geben wird. Es wird aber viel digital angeboten, allerdings inzwischen eher gegen Entgelt, nicht mehr kostenlos. Eine Ausnahme, New York Philharmonic, deren Solisten auf Pick-up Trucks in die Stadtteile fahren und kostenlos Live Musik spielen.
Hamburg News: Haben sich, wie in Deutschland und in vielen anderen Ländern, wieder stärkere lokale Strukturen entwickelt?
Oehme: Sowohl auf privater Ebene, aber auch auf staatlicher Ebene gibt es zum Beispiel Unterstützung, um die Leute mit Lebensmitteln zu versorgen, die sie sich nicht leisten können. Dabei gibt es auch viele Einzelinitiativen, über die gar nicht so viel gesprochen wird, die aber sehr aktiv sind.
Hamburg News: Es heißt, die Digitalisierung ist der größte Profiteur von Coronakrise. Stimmt das auch für New York Stadt und State?
Oehme: New York war bei der Digitalisierung schon immer ziemlich vorne weg und das wird sich noch weiter fortsetzen. In meinem Büro hatte ich nach dem Hurricane Sandy für jeden die Möglichkeit geschaffen, von zu Hause arbeiten zu können. Auch Artificial Intelligence wird sich schneller verbreiten, weil immer mehr Unternehmen die Vorteile sehen. Im persönlichen Bereich haben die Streaming Services, unter anderem Netflix, und viele andere kräftig zugelegt. Ob es dabei bleibt, dass viele von außerhalb New Yorks via Internet arbeiten werden, muss man sehen. Es gibt ja durchaus Stimmen, die wollen, dass die Leute wieder zurückkommen. So hat sich der CEO von Netflix, Reed Hastings, in einem Interview mit The Wall Street Journal am 7. September sehr deutlich gegen das Arbeiten aus der Ferne ausgesprochen. New York ist die amerikanische Medienstadt und auch da wird die Digitalisierung in den nächsten Jahren viel verändern.
Hamburg News: Lieber Herr Oehme, wir danken Ihnen für das Gespräch.
imb/sm/kk