Die digitale Transformation, allen voran das Thema Telearbeit, ist auch für traditionelle Branchen zu einer Notwendigkeit geworden. Im Bereich Gesundheit hat sich das in Frankreich ohnehin schon weit verbreitete Feld der Telemedizin durch Corona noch einmal weiterentwickelt, z.B. werden Tele-Konsultationen von der französischen Krankenversicherung nun voll erstattet. Nicht zuletzt findet die traditionelle Paris Fashion Week in diesem Sommer online statt. Sowohl die großen Modehäuser als auch junge Labels präsentieren ihre Kollektionen auf einer digitalen Plattform.
Hamburg News: Was sind die aktuellen Zukunftsthemen der Grande Nation?
Scriba: Der herausragende Erfolg der Grünen bei den diesjährigen Kommunalwahlen hat es gezeigt: Eines der Zukunftsthemen ist der Kampf gegen den Klimawandel. Neben den vielen Herausforderungen, die es hier zu meistern gibt, soll auch das Leben in den Metropolen nachhaltiger und damit lebenswerter gestaltet werden. Die Stadt Paris hat bereits etliche Initiativen ins Leben gerufen, um der Luftverschmutzung Herr zu werden: Der Autoverkehr wurde vielerorts beruhigt, Grünflächen angelegt und urbane Landwirtschaftsprojekte, wie beispielsweise Gärten auf Dächern, initiiert. Bereits während des monatelangen Streiks im öffentlichen Nahverkehr Ende letzten Jahres stiegen viele Pariser*innen auf das Fahrrad um – und die Corona-Pandemie hat den Trend noch einmal deutlich verstärkt. Seit Mitte Mai sind allein in Paris 50 km zusätzliche Fahrradwege entstanden.
Hamburg News: 2019 hat Paris Berlin laut einer Studie als Gründer-Metropole überholt und liegt in Europa hinter London auf dem zweiten Platz. Für die Jungunternehmer hat Präsident Emmanuel Marcon ein Rettungspaket über 4 Milliarden Euro geschnürt. Können Sie das für uns einordnen?
Scriba: Richtig, Frankreich zum führenden Start-up-Standort Europas zu machen, ist eines der Hauptanliegen Macrons. Um das zu erreichen, will er bürokratische Hürden für Jungunternehmer*innen abbauen, Talente fördern und Investoren mit Steuererleichterungen belohnen. Im Sommer 2017 eröffnete in Paris der größte Start-up-Campus der Welt: Die Station F bringt über 1.000 internationale Jungunternehmen, vielseitige Gründer- und Mentorenprogramme und potenzielle Investoren zusammen. Allerdings sollen sich die Bestrebungen, Frankreich zur Tech-Nation zu etablieren, nicht auf Paris beschränken, sondern alle Regionen umfassen. Das nun verabschiedete Rettungspaket will in dieser Zeit z.B. mit kurzfristigen Darlehen und Übergangsfinanzierungen die Liquidität junger Unternehmen sicherstellen.
Hamburg News: Gibt es weitere Fördermaßnahmen in Frankreich?
Scriba: Wie überall hat die Corona-Krise die Kulturwelt und ihre Akteure auch in Frankreich besonders hart getroffen. Der Kulturminister hat recht früh ein Hilfspaket in Höhe von 22 Millionen Euro zugesagt. Kulturschaffende, die hier den besonderen Status des „intermittant“ (ähnlich der Künstlersozialkasse KSK) und damit besondere Konditionen genießen, sind auf diese Weise durch ein staatliches Überbrückungsgeld abgesichert. Kulturinstitutionen und Festivals müssen trotz ausgefallener Veranstaltungen die Subventionen nicht zurückzahlen. Leider gibt es aber auch viele frei arbeitende Künstler*innen, die nicht von den Staatshilfen profitieren.