Luftfahrt

So macht KI die Luftfahrt nachhaltiger und wirtschaftlicher

21. November 2025
Lamellen-Inspektion, weniger Kerosinverbrauch, Foodwaste – Luftfahrtexperte Alexander Motzek nennt drei aktuelle Use Cases

Künstliche Intelligenz (KI) verändert die Luftfahrt. Prozesse werden effizienter, Abläufe sicherer und der Service für Passagiere besser. Laut der SITA Air Transport IT Insights 2024 investieren Airlines weltweit rund 37 Milliarden USD und Flughäfen 8,9 Milliarden USD in IT mit besonderem Fokus auf KI und Biometrie. Laut jährlichem Branchenbericht für die globalen IT-Trends in der Luftfahrt wird ein weiterer Anstieg der Investitionen, „angetrieben durch Rekordumsätze und steigende Passagierzahlen“, erwartet. Wie KI zum (wirtschaftlichen) Treiber der Branche werden kann, erklärt Alexander Motzek, Leiter der Wachstumsstrategie und Principal Data Scientist bei Zero G. Das KI-Kompetenzzentrum der Lufthansa Group ist ein Tochterunternehmen der Hamburger Lufthansa Systems GmbH.

Datenschatz Luftfahrt

„Das Potenzial ist riesig“, betont Motzek. „In der Luftfahrt wurde schon früh begonnen, Daten zu sammeln. Das ist jetzt ein Schatz, auf dem man aufbauen kann.“ Ein großes Feld ist Predictive Maintenance. Flugzeuge erfassen auf jedem Flug mit hunderten Sensoren umfangreiche Datensätze. Diese Daten werden genutzt, um Störungen an einzelnen Komponenten frühzeitig vorherzusagen. Lufthansa Technik (LHT) hat dazu die digitale Plattform „Aviatar“ entwickelt, die proaktives Handeln sowie die Überwachung des Zustands einzelner Komponenten oder Systeme nahezu in Echtzeit ermöglicht.

(Wahl-)Hamburger Motzek, der einen Doktortitel in Informatik und KI von der Universität zu Lübeck sowie einen Master in Computertechnik und einen Bachelor of Engineering in Informations- und Elektrotechnik von der Hochschule für angewandte Wissenschaften Hamburg hat, nennt drei aktuelle Use Cases, an denen er und sein Team arbeiten. Dabei kann er auf langjährige Erfahrung setzen. Das als unternehmenseigenes Startup begonnene Zero G feiert dieses Jahr seinen 10. Geburtstag.

Flugzeug am Flughafen mit markierten Fahrzeugen, Gepäckanhängern und Personen auf dem Rollfeld.
Auch KI-gestützte Bodenprozesse nehmen zu. Mithilfe von Echtzeitdaten sollen die Abläufe rund um die Flugzeugabfertigung transparenter, pünktlicher und effizienter werden

1. KI-basiertes Flugzeugtriebwerk-Analysetool

Motzek: „Bislang war die visuelle Inspektion der Triebwerke ein aufwendiger manueller Prozess, bei dem Ingenieur:innen jede einzelne Lamelle per Video in Augenschein nahmen und auffällige Lamellen per Hand in ein Protokoll eintrugen. Abgesehen vom Zeitaufwand war das ein fehleranfälliger Prozess. Hatte der Ingenieur einen Kratzer an Lamelle 27 entdeckt oder war es vielleicht doch Lamelle 28? Durch das KI-Screening des Videos konnte die Triebwerksbewertung um das Dreifache beschleunigt und die Zuverlässigkeit gesteigert werden. Dabei wird der Mensch aber nicht außen vor gelassen. Die KI bietet eine Zusammenfassung der interessantesten Lamellen. Anschließend schaut ein:e Ingenieur:in noch einmal darauf.“

Porträt eines lächelnden Mannes (Dr. Alexander Motzek) mit Bart, rosa Hemd und dunklem Sakko vor weißer Wand.
Alexander Motzek, Leiter der Wachstumsstrategie und Principal Data Scientist bei Zero G, dem KI-Kompetenzzentrum der Lufthansa Group

2. KI ermöglicht exaktere Betankung

Motzek: „In der Luftfahrt gilt: Gewicht ist alles. Wird zu viel Kerosin getankt, führt das zu einem erhöhten Gesamtgewicht, was wiederum zu einem erhöhten Kerosinverbrauch führt. Das steigert die Kosten und den CO2-Ausstoß. Wir haben eine Big-Data-Analyse durchgeführt und festgestellt, dass Vorkommnisse unmittelbar vor dem Abflug oft nicht in die Berechnung der notwendigen Kerosinmenge einfließen. Kann also etwa ein eingeplanter Container nicht geladen werden, hat das keine Auswirkungen mehr auf die Betankung. Das ist an sich keine neue Erkenntnis, doch die Relevanz wurde nicht erkannt. Unsere Analyse hat allein in den letzten zwei Jahren einen unnötigen Mehrverbrauch an Kerosin von mehreren Millionen Kilogramm ergeben und damit einhergehend 5.000 Tonnen an CO2-Emissionen. Durch eine exakte, KI-basierte Betankung konnten wir acht Millionen Kilo Kerosin pro Jahr einsparen.“

Tablet und Kamera überwachen Lebensmittel auf einem Förderband in einer Fabrikhalle.
Mit „Tray Tracker“ gegen Foodwaste

3. Tray Tracker verhindert Foodwaste

Motzek: „Foodwaste will niemand. Wir haben uns also gefragt: Was bleibt auf welchen Routen liegen und warum? Um optimale Portionsgrößen und die richtige Speisenauswahl zu ermöglichen, haben wir eine KI-gestützte Lösung – den „Tray Tracker“ – entwickelt, um Lebensmittelrückläufe von Bord zu messen. Dabei wird die Menge der Essensreste mit einer Kamera in der Spülstraße an Bord des Flugzeugs erfasst und per KI ausgewertet. Dazu kommen Informationen über Flugroute, Reiseklasse und Mahlzeitenkonzept sowie Feedback von Passagieren und Crew. Daraus ergibt sich ein ziemlich klares Bild, wo und warum Foodwaste entsteht und darauf können wir mit neuen Konzepten reagieren. Das ist eigentlich immer das Ziel unseres KI-Engagements: Die Technik übernimmt die Problemerfassung, der Mensch die Lösung.“

KI und Luftfahrt: Mensch bleibt unverzichtbar

Dieser letzte Aspekt ist dem Data-Experte besonders wichtig. KI sei in der Luftfahrt längst Realität und das Potenzial der Technologie sowie die Einsatzmöglichkeiten nähmen schnell zu. „Der Mensch bleibt dabei aber unverzichtbar. KI liefert Daten und Erkenntnisse, der Mensch trifft die Entscheidungen. So entsteht eine neue Form der Zusammenarbeit, die die Luftfahrt nachhaltig prägen wird.“
ys/mm/sb

Quellen und weitere Informationen

Ähnliche Artikel

Flugzeug mit Wasserstoffantrieb fliegt über Berglandschaft und See bei klarem Himmel.

Luftfahrt: wichtige (Zukunfts-)Entscheidungen gefragt

Ist die Dekarbonisierung auf einem guten Weg? Einschätzungen von Angus Baigent vom Luftfahrtcluster Hamburg Aviation
Crystal-Cabin-Award-Gewinner 2025

Crystal Cabin Award 2025 – Diese Konzepte überzeugen

Führende Auszeichnung für Flugzeugkabinen-Innovationen in Hamburg verliehen
Leichte, hängende Flugzeugsitze mit gelber Polsterung und Kopfstützen in einem Flugzeuginnenraum.

Faircraft: Wie lässt sich das Fliegen nachhaltiger gestalten?

Mit leichten und kreislauffähigen Materialien Flugzeugemissionen senken – eine Idee aus dem Cross Innovation Lab
Drei Personen in Anzügen halten gemeinsam einen großen gelben Schlüssel mit dem ZAL-Logo vor blauem Hintergrund.

ZAL: eine Erfolgsgeschichte des Luftfahrtstandorts Hamburg

Forschungsfläche im Zentrum für Angewandte Luftfahrtforschung wächst auf 34.000 Quadratmeter. Feierliche Einweihung des Anbaus in Hamburg-Finkenwerder. Hamburg News war dabei
Die von uns eingesetzte Consent Management Plattform (https://app.usercentrics.eu/) konnte nicht geladen werden. Dies kann passieren, wenn AdBlocker diese URL fälschlicherweise blockieren. Einige Funktionen, wie z.B. Kartendarstellungen, Umkreissuchen oder Formulare, können so nicht verwendet werden. Um diese Funktionen benutzen zu können, deaktivieren Sie bitte Ihren AdBlocker oder erlauben Sie den Zugriff auf *.usercentrics.eu.