Schon mit den aktuell gut 72 km2 ist der Hamburger Hafen nicht nur der größte deutsche Seehafen und, gemessen am Containerumschlag, nach Rotterdam und Antwerpen der drittgrößte Hafen Europas, sondern bildet zudem das größte zusammenhängende Industriegebiet Europas. 2019 hatten deutschlandweit rund 606.700 Beschäftigte einen Bezug zum Hafen Hamburg, unmittelbar oder mittelbar vom Hamburger Hafen abhängig waren etwa 114.400 Arbeitsplätze. Insgesamt wurden etwa 9,8 Milliarden Euro Wertschöpfung sowie Steuereinnahmen in Höhe von rund 2,57 Milliarden Euro durch diese hafenabhängige Beschäftigung in Hamburg erwirtschaftet, so eine Studie zur volkswirtschaftlichen Bedeutung des Hamburger Hafens aus dem Februar 2021. „Die Bedeutung des Hamburger Hafens hat sich auch gerade in der Pandemie erneut bewiesen, als durch den 24/7-Einsatz die Versorgung Deutschlands etwa mit medizinischen Produkten sichergestellt wurde“, betont Meier.
Knapp ein Zehntel der Fläche Hamburgs zählt zum Hafengebiet. Wenn die geplante Hafenerweiterung realisiert wird, dürfte diese Fläche deutlich wachsen – um 26,4 Hektar genauer gesagt. Das Gebiet auf der Elbinsel Steinwerder wird gerade für eine künftige Nutzung vorbereitet, die Bauarbeiten sollen in der zweiten Jahreshälfte beginnen. „Steinwerder Süd zählt zu den wichtigen Flächenreserven für die künftige Entwicklung des Hamburger Hafens. Für diese Fläche werden schon seit etwa drei Jahren Überlegungen angestellt, wie eine geeignete Nutzung erfolgen kann, die die Interessen der Hafenwirtschaft berücksichtigt. Derzeit durchläuft das Projekt zur Umgestaltung des Areals den Genehmigungsprozess. Nach dem Planfeststellungsbeschluss werden wir mit der Herrichtung des Areals sowie dem Auswahlverfahren für den oder die zukünftigen Nutzer fortfahren“, erklärt Jens Meier, Vorsitzender der Geschäftsführung der Hamburg Port Authority (HPA).
Bedeutung des Hamburger Hafens
Entscheidende Logistikdrehscheibe für Güter aller Art
Auch für Regionen wie Süd- und Südosteuropa ist der Hamburger Hafen ausgesprochen wichtig, fährt er fort. „Waren aus und für Tschechien, aus der Slowakei, aus Ungarn oder aus Österreich werden überwiegend über den Hamburger Hafen exportiert und importiert.“ Und auch die Metropolregion profitiert in hohem Maß, erklärt Meier. „Der Hafen ist nicht nur eine entscheidende Logistikdrehscheibe für Güter aller Art, ein beachtlicher Teil der Waren verbleibt zum Konsum oder zur Weiterverarbeitung in Hamburg und der direkten Umgebung.“ Der Haupthandelspartner des Hamburger Hafens ist nach wie vor China. 2021 betrug der Containerumschlag mit China knapp 2,6 Millionen TEU. Auf Platz 2 folgten die USA mit ‚nur‘ 0,58 Millionen TEU, gefolgt von Singapur mit 0,40 Millionen TEU. Ein Aspekt, der in die Diskussionen um die Beteiligung von Cosco mit 24,9 Prozent am Containerterminal Tollerort einfließen sollte, betont Meier.
Hafen ist Spiegel des weltweiten Handels
„Der Hafen bewahrt seit über 800 Jahren seine Unabhängigkeit und wird dies auch weiterhin tun. Aber er ist auch ein Spiegel des weltweiten Handels mit China. Darum freuen wir uns über die Entscheidung der Bundesregierung, der HHLA die Transaktion zu ermöglichen und so notwendige Erlöse für Investitionen in die Wettbewerbsfähigkeit des Hamburger Hafens zu erzielen.“ Zumal mit dem Cosco-Einstieg in den Terminal kein Zugang zur Verkehrssteuerung des Hafens verbunden sei. „Die Hafeninfrastruktur bleibt bei der HPA und damit im Eigentum der Freien und Hansestadt Hamburg“, sagt Meier. Hamburg und China sind seit dem 18. Jahrhundert über den Handel miteinander verbunden. Dennoch wird aktuell zur Sicherung der Unabhängigkeit des Hamburger Hafens der Aufbau von Alternativrouten geprüft sowie die Stärkung weiterer Handelsbeziehungen vorangetrieben. „Auch deshalb freue ich mich über das CETA-Abkommen“, erklärt der HPA-Vorsitzende.
Ausbau weiterer Handelsbeziehungen
Durch das Freihandelsabkommen rücken die europäische und kanadische Wirtschaft näher zusammen. Ein Abbau von rund 98 Prozent aller Zölle zwischen der EU und Kanada, ein deutlich besserer Zugang zum kanadischen Markt für europäische Unternehmen sowie weniger Kosten für den Mittelstand durch gemeinsame Regeln, gehören zu den Vorteilen des Wirtschaftsabkommens. Tatsächlich ist Kanada bereits seit Jahren ein bedeutender Rohstofflieferant für Deutschland. Zudem plant das Land nun die Förderung Seltener Erden. „Von einem Ausbau der Handelsbeziehungen zwischen Deutschland und Kanada würde der Hamburger Hafen maßgeblich profitieren“, so Meier.
Hafen als Testfeld für Zukunftstechnologien
Zur Zukunftssicherung des Hamburger Hafens gehört für Jens Meier nach wie vor die Digitalisierung. Die HPA testet dazu verschiedene innovative Ansätze wie virtuelle Welten, Sensorik, Simulationen oder den Einsatz von digitalen Zwillingen, also das digitale Abbild eines realen Objekts in 3D. „Der Hamburger Hafen ist ein Reallabor, das es uns erlaubt, Innovationen mit etablierten Strukturen zu verbinden.“ So ermöglichen Simulationen in einem digitalen Zwilling etwa Evakuierungsfälle durchzuspielen und verschiedene Strategien im Umgang mit einem virtuellen Feuer oder einer Sturmflut auszutesten. Aber auch zur Planung neuer Flächenansiedlungen, Bauwerke oder zur vorausschauenden Wartung lassen sich digitale Zwillinge nutzen. Bei der Brückeninspektion testet die HPA zudem Spot. Der mobile Roboterhund kam erstmals im Mai 2022 zur Identifikation von Schadstellen an der Köhlbrandbrücke zum Einsatz.
Mehr Nachhaltigkeit durch Digitalisierung
Eine Digitalisierung des Verkehrsgeschehens auf dem Hafengelände kann zudem zur Emissionsvermeidung beitragen, so Meier. Etwa durch intelligente Ampeln, die den Verkehrsfluss optimieren und somit Verbräuche beim Anfahren und Bremsen reduzieren, was wiederum den CO2-Ausstoß minimiert. Immerhin fahren täglich etwa 12.000 bis 14.000 Lastwagen durch den Hamburger Hafen. Schon 2015 hat die HPA diesen Ansatz im Rahmen des Projekts Smart Port Traffic Light verfolgt. Dank verbesserter Sensoren für den Straßenverkehr sowie immer leistungsstärkeren Rechnern – Stichwort Quantentechnologie – eröffnen sich nun neue Möglichkeiten. Das Projekt Mozart (Mobility Optimization, digital-twin Analysis in Real Time Traffic) hat sich zum Ziel gesetzt, einzelne Fahrzeugbewegungen und Ampelphasen in Echtzeit zu synchronisieren und LKW-Pulks zu priorisieren, um Bremsen und Beschleunigung zu vermeiden. „Durch intelligente Ampelschaltungen lassen sich die Verkehrsdurchflüsse um 10 bis 20 Prozent steigern“, ist der HPA-Vorstandschef überzeugt.
Landstrom: Hamburger Hafen Vorreiter in Europa
Um die Emissionsreduktionsziele im Luftreinhalteplan für Hamburg sowie das Ziel der Klimaneutralität des Hafens bis 2040 zu erreichen, treibt die HPA zudem den Ausbau der Landstromversorgung voran. So wurde bereits 2016 die erste Landstromanlage für Kreuzfahrtschiffe in Altona in Betrieb genommen, weitere sind an den Terminals Steinwerder und HafenCity geplant. Seit Juli 2021 steht an den Landungsbrücken grüner Strom für Fahrgastschiffe zur Verfügung und auch an den Containerterminals Burchardkai, Tollerort (beide HHLA) und Predöhlkai (Eurogate) werden aktuell Landstromanlagen gebaut. Hamburg wird damit ab 2023 der erste Hafen Europas sein, der sowohl für Kreuzfahrtschiffe als auch für große Containerschiffe eine Landstromversorgung anbietet.
ys/sb
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