Auch Hamburgs Wirtschaftssenator Michael Westhagemann – die Freie und Hansestadt Hamburg hat die QUIC-Initiative auf den Weg gebracht – findet, es sei keine Zeit zu verlieren und betont, wie passend daher der Name sei, der wie ‚quick‘, also englisch für ‚schnell‘ ausgesprochen wird. „Wir müssen möglichst schnell in die Anwendung springen und mit konkreten Produkten zeigen, was die Quantentechnologie kann.“ Wenn die Forschung schnell genug ist, könnte Deutschland in diesem Zukunftsfeld durchaus mit den digitalen Schwergewichten USA und China mithalten. Die nötige Forschungskompetenz sei vorhanden, betonen die Vertreter der Wissenschaft, neben Professor Henning Moritz auch der Präsident der Technischen Universität Hamburg, Dr.-Ing. Timm-Giel, sowie Dr. Eva Gümbel, Staatsrätin für das Thema Wissenschaft: „Wir haben bereits mit der Science City Bahrenfeld Hamburg auf die internationale Forschungs-Landkarte gesetzt. Mit QUIC kommt ein weiteres, ausgesprochen wichtiges Thema dazu.“
Hamburg hat das Zeug, eine der führenden Quantencomputing-Regionen der Welt zu werden – davon sind die Initiatoren der Initiative Quantum Innovation Capital (QUIC) überzeugt. Angesiedelt beim Artificial Intelligence Center ARIC e.V. – das bereits als zentrale Anlauf- und Koordinierungsstelle für das Thema Künstliche Intelligenz fungiert – soll QUIC als Netzwerkplattform Akteure aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik zusammenbringen. Der Fokus liegt dabei auf Ausbildung und Talentförderung, Forschung und Entwicklung sowie der frühzeitigen Identifikation betrieblicher Anwendungen, um bereit zu sein, wenn die Technologie endgültig einsatzfähig ist. Was nach vorsichtiger Schätzung in zehn bis15 Jahren der Fall sein könnte, so Professor Henning Moritz vom Institut für Laser-Physik der Universität Hamburg beim offiziellen ‚Kickoff‘ am 11. Mai. Vielleicht auch schneller, immerhin sei gerade bei der Quantencomputing-Forschung eine explosionsartige Entwicklung zu beobachten und schon Zwischenergebnisse ließen sich in reale Anwendungen übertragen. „Und 15 Jahre Entwicklungszeit sind im Grunde gar nichts“, gibt Jörn Messner von Lufthansa Industry Solutions zu bedenken und verweist auf die vielfältigen Anwendungsfelder, die dank des rasanten technologischen Fortschritts möglich werden – nicht zuletzt in der Luftfahrt.
Deutschland, USA und China bald auf Augenhöhe?
Alles ist möglich, weil ‚Qubits‘ alles sein können
Die Relevanz des Themas liegt an den schier unendlichen Möglichkeiten. „Alles ist möglich“, freut sich Professor Henning Moritz. „Das ist ja das Mysteriöse an der Quantenphysik: Ein ‚Qubit‘ muss sich im Gegensatz zu einem klassischen Bit nicht für 0 oder 1 entscheiden. Es kann sich in beiden Zuständen sowie in allem dazwischen befinden.“ Das sei die Grundlage für die enorme Rechenleistung, die es Quantencomputern erlaube, hochkomplexe Aufgaben in Sekunden oder Minuten, statt in vielleicht Jahren durchzuführen. Und Dr. Timm-Giel ergänzt: „Das können Aufgaben sein, um dem Klimawandel zu begegnen oder um resiliente Netze im Bereich Erneuerbare Energien zu schaffen. Aber auch in der Mobilität, Logistik oder bei maritimen Systemen gibt es vielfältige Optimierungsprobleme, die für Quantencomputing besonders geeignet sind.“ Wesentliche Grundlagenforschung wird zudem am DESY betrieben. „Wir konzentrieren uns aktuell vor allem auf drei Gebiete: Die Erforschung und Entwicklung von Anwendungen für Quantencomputer, Quantenmaterialien und Quantensensorik“, erläutert Professorin Kerstin Borras, Leitende Wissenschaftlerin bei DESY. Hamburg sei als ausgezeichneter Wissensschafts-, aber auch attraktiver Wirtschaftsstandort für dieses Zukunftsfeld somit gut gerüstet.
Ökosystem entlang der Wertschöpfungskette
So hat auch die Otto Group die Potentiale des Quantencomputing im Blick. „Wir schauen immer, welche innovativen Technologien für uns relevant werden könnten. In Forschungskooperationen wie QUIC die Quantentechnologie im Hinblick auf interessante Anwendungen ausprobieren zu können, ist wichtig“, erklärt Dr. Hanna Huber, Vice President Technology & Governance bei der Otto Group.
Entscheidend auf dem Weg zu einer Hochburg für Quantencomputing zu werden, ist jedoch eine enge Zusammenarbeit aller Akteure, sind sich die Anwesenden einig. „Wir müssen in Hamburg ein tragfähiges Ökosystem entlang der Quantencomputing-Wertschöpfungskette aufbauen und die Ergebnisse dann hinaus in die Welt tragen“, erklärt ARIC-Geschäftsführer Alois Krtil. Auch über die Grenzen Hamburgs hinaus könne und solle die Zusammenarbeit führen. „Deutschland ist in der Grundlagenforschung sehr gut aufgestellt. Nun brauchen wir einen Systemadministrator, der alle Stränge zusammenführt, um Lösungen zu schaffen, die im Alltag der Menschen ankommen, betont Dr. Bjoern Schulte vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Das ist für Hamburg die QUIC-Initiative und auf europäischer Ebene Forschungsinitiativen wie Quantum Flagship oder QuantERA, die sich der Förderung transnationaler Forschungsprojekte verschrieben haben.
Quantencomputing ist sexy
Den Blick auf die Industrie übernimmt bei der Auftaktveranstaltung NXP-CTO Dr. Lars Reger – immerhin dürfte die Mikrochip-Entwicklung auch im Quantencomputing ein wesentlicher Innovationstreiber sein. Zudem entsteht auf dem NXP-Campus in Lokstedt ein Quantencomputing-Innovationszentrum des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), wo an einer wirtschaftlich relevanten Weiterentwicklung des Quantencomputing-Ökosystems gearbeitet werden soll. Für die Entwicklung industrieller Anwendungen will Reger hier 180 Talente zusammenbringen – 60 davon sollen direkt bei NXP beschäftigt werden. Da hier eine Kombination aus technischem Know-how, physikalischem Verständnis und idealerweise einem Gespür für erfolgreiche Business-Cases gesucht wird, dürfte das Recruiting nicht ganz leicht werden. Das weiß auch Reger, doch er betont: „Das Thema ist wirklich sexy – damit haben wir gute Chancen!“
Die dunkle Seite
Was wirklich sexy ist, kommt oftmals mit einem Hauch von Gefahr daher. Reger kommt denn auch auf die ‚dunkle Seite‘ der Zukunftstechnologie zu sprechen: Mit der außergewöhnlichen Rechenpower der Quantencomputer lassen sich herkömmliche Verschlüsselungen leicht knacken. „Darum entwickeln wir schon heute Systeme, die Brute-Force-Angriffen widerstehen.“ Die dazu nötigen Fachkräfte habe NXP bereits, das Unternehmen entwickelt kryptografische Funktionen, die etwa in Personalausweisen oder Bankkarten zum Einsatz kommen.
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