Im internationalen Wettlauf um die Zukunftstechnologie will Hamburg eine bedeutende Rolle spielen. „Wir müssen jetzt schnell sein und den ersten richtigen Quantencomputer am Standort entwickeln“, betonte Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank bei ihrer Begrüßung zum 3. Austauschforum Quantencomputing, das vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) initiiert wurde. Die Politik wolle dazu eine Kultur des ‚Chancen-Sehens‘ und ‚Möglich-Machens‘ schaffen. Der Senat hat dazu bereits ein Maßnahmenpaket beschlossen: Von 2023 bis 2028 sollen gut 34 Millionen Euro in die Stärkung des Quantencomputing-Ökosystems fließen. Die dazu nötigen Fachkräfte sollen an der „Hamburg Quantum Computing School“ aus- und weitergebildet werden und im Verbundprojekt „Rymax-One“ soll ein sogenannter Quanten-Annealer für industrielle Anwendungen entstehen. „Ziel ist der Aufbau eines Quantencomputer-Demonstrators, der 100 Qubits erzeugen kann“, erklärte Professor Klaus Sengstock vom Zentrum für Optische Quantentechnologien der Universität Hamburg, die das Projekt federführend betreut. Die aktuelle Forschung im Bereich Quantentechnologie konzentriere sich vor allem auf vier Bereiche, so Sengstock: „Quanten-Information, -Kommunikation, -Messung und -Simulation. „Als 5. Feld ließe sich vielleicht noch die Materialforschung mithilfe von Quantencomputern nennen.“
Hamburg stand Anfang Mai ganz im Zeichen der Quantentechnologie. Vertreter:innen aus Wissenschaft, Politik und Wirtschaft kamen aus ganz Deutschland zum 3. Austauschforum Quantencomputing im CCH zusammen und diskutierten über Anwendungsfälle und vor allem den aktuellen Stand der Forschung. Denn noch ist ein universell einsetzbarer Quantencomputer Zukunftsmusik. Allerdings eine sehr vielversprechende. Der McKinsey Quantum Technology Monitor 2023 hält ein Wertschöpfungspotenzial von bis zu 1,3 Billionen US-Dollar bis 2035 für möglich. Die hohen Erwartungen basieren auf der beeindruckenden Fähigkeit von Quantenbits (Qubits), der kleinsten Rechen- und Informationseinheit eines Quantencomputers. Denn Qubits können nicht nur die Zustände 0 und 1 einnehmen, sondern auch unendlich viele Werte dazwischen – Das macht Quantencomputer extrem leistungsfähig. Ende April 2023 hat die Bundesregierung ein Handlungskonzept beschlossen, um Quantentechnologien in Wirtschaft, Gesellschaft und staatlichen Institutionen zur Anwendung zu bringen. Bis 2026 sollen drei Milliarden Euro in die Technologieentwicklung fließen.
Hamburg Quantum Computing School und „Rymax-One“
Hamburg hat das Potenzial zum ‚Quantum-Harbor‘ zu werden
Materialforschung ist auch eines der Felder, in dem das Deutsche Elektronen-Synchrotron (DESY) aktiv ist. Und mithilfe der Quantentechnologie lassen sich beispielsweise der atomare Aufbau von Materialien erforschen oder gänzlich neue Werkstoffe entdecken, weiß Professorin Kerstin Borras. Die leitende Wissenschaftlerin bei DESY bescheinigte Hamburg – angesichts der Hochschulen und Forschungseinrichtungen sowie der DLR Quantencomputing-Initiative (QCI) am Standort – großes Potenzial, um zu einen dynamischen ‚Quantum-Harbor‘ zu werden. Dieses Potenzial zu nutzen, sei jetzt genau die richtige Zeit. „Wir befinden uns in der zweiten Quantenrevolution“, so Borras. Zu Innovationen der ersten Quantenrevolution werden die Erfindung der Atomuhr oder der Lasertechnologie gezählt. „Nun sind wir in der Lage, individuelle Quanten zu identifizieren und manipulieren – und das bietet ungeahnte Möglichkeiten.“ Die jedoch seien nur zu nutzen, wenn der Transfer aus der Wissenschaft in die Wirtschaft gelinge, waren sich die Teilnehmer:innen der zweitägigen Veranstaltung einig.
Quantentechnologie-Startups pitchen um Venture Capital
Genau dieser Transfer stand in einer weiteren Veranstaltung zum Thema Quantentechnologie im Fokus. Die Initiative Hamburg Quantum Innovation Capital (HQIC) und die DLR-Quantencomputing-Initiative (QCI) luden im Anschluss an das Austauschforum in den Digital Hub Logistics zu einem Netzwerktreffen unter dem Motto: „Quantum Technologies: Venture Capital and Industry meets Talent and Startups“. Sechs Startups hatten hier Gelegenheit, ihr Geschäftsmodell potenziellen Investor:innen oder Partner:innen vorzustellen. Gepitched wurde mit Ansätzen aus den Feldern Hardware, Services oder Forschung. So entwickelt XeedQ etwa einen Quantencomputer auf Diamantbasis, der klein, robust sowie mobil sein soll und zudem bei Raumtemperatur funktioniert. Kiutra wiederum forscht an einer innovativen Kühllösung, die ohne rares – und teures – Helium 3 auskommt, während Diatope künstliche Diamantblättchen produziert. Advanced Quantum ist im Feld Qualitätssicherung von Quantenhardware aktiv und Anaqor beschäftigt sich mit der reibungslosen Integration von Quantencomputer-Anwendungen in unternehmerische Prozesse. Das Hamburger Startup Noisy Labs schließlich adressiert mit ‚gequetschtem Licht‘ (Licht, das sich in einem speziellen Quantenzustand befindet) Anwendungen in den Bereichen Quantencomputing, Quantenmeterologie und Quantenkommunikation.
Quantencomputing: Eine Innovation, die weitere hervorbringen wird
„Ob Quantencomputing tatsächlich die Wunderlösung für viele Probleme sein wird, die wir uns erhoffen, steht noch nicht fest. Dass es aber eine echte Innovation mit großem Potenzial ist, die zu weiteren Innovationen führen wird, das ist ziemlich sicher“, betonte Professor Karsten Lemmer, DLR-Vorstand für Innovation, Technologietransfer und wissenschaftliche Infrastrukturen. Bis zum Proof of Concept sei es aber noch ein weiter Weg. Diesen Weg zu ebnen ist eines der Ziele der QCI, die mit 740 Millionen Euro vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz gefördert wird. Rund 80 Prozent der Fördergelder sollen über Forschungskäufe sowie Forschungs- und Entwicklungsaufträge direkt an Unternehmen und insbesondere an Startups gehen.
ys/sb