Innovation

Hamburg baut auf Quantencomputer

21. Februar 2023
Initiative Hamburg Quantum Innovation will Zukunftstechnologie voranbringen – und registriert Neuansiedlungsinteresse

Hochkomplexe Simulationen in Sekunden statt in Stunden durchführen? Quantencomputer sind zu enormen Rechenleistungen in der Lage. Denn anders als herkömmliche Rechner, die Aufgaben nacheinander abarbeiten, können sie parallel rechnen – Qubit sei Dank. Ein Qubit ist die kleinste Rechen- und Informationseinheit eines Quantencomputers, die sich im Gegensatz zu klassischen Bits – 1 oder 0 – in beiden Zuständen sowie in allem dazwischen befinden kann. Die Forschung an der potenziell revolutionären Technologie läuft weltweit auf Hochtouren. „Die staatliche Finanzförderung für Quantencomputing in der EU betrug bis zum Jahr 2021 insgesamt rund 7,2 Milliarden US-Dollar. In den USA liegt die öffentliche Fördersumme bis 2021 bei insgesamt 1,9 Milliarden US-Dollar. China übertrifft diese Werte mit einer Fördersumme von 15,3 Milliarden US-Dollar deutlich“, meldet Statista. Den Förderinvestitionen steht ein prognostiziertes Marktvolumen von weltweit rund 8,6 Milliarden US-Dollar im Jahr 2027 gegenüber.

Maßgeblicher kommerzieller Impact erwartet

Hamburg hat sich zum Ziel gesetzt, ein relevanter Player dieses Marktes zu werden. Die Stadt will zu einem internationalen Quantentechnologie-Hotspot mit Schwerpunkt Quantencomputing werden. Alternative Forschungsfelder sind etwa Quantenkommunikation, Quantensensorik und Quantenmaterialien. Die Initiative Hamburg Quantum Innovation Capital (HQIC), gestartet im Mai 2022, soll dazu alle relevanten Stakeholder am Standort miteinander vernetzen, Projekte entlang der gesamten Wertschöpfungskette koordinieren und als branchenübergreifender Ansprechpartner bei Fragen aller Art fungieren. Diese Fragen sind durchaus breitgefächert, weil der Einsatz von Quantencomputern für viele Branchen ausgesprochen interessant ist, betont HQIC-Projektmanager Benedikt-Sebastian Mehmel. „Mit Quantencomputern wird sich ein maßgeblicher kommerzieller Impact erzielen lassen. Doch bis zur Marktfähigkeit wird es je nach Anwendungsfall sicher noch fünf bis zehn Jahre dauern, vielleicht auch länger. Aktuell sind wir mit einer Vielzahl verschiedener Use Cases beschäftigt.“

HQIC-Projektmanager Benedikt-Sebastian Mehmel

Quantencomputer: Gefahr und Rettung zugleich

Einer dieser Use Cases beschäftigt sich mit dem Thema Sicherheit: Sicherheit durch, aber auch vor Quantencomputern. Denn Quantencomputer werden zukünftig in der Lage sein, jeden noch so ausgeklügelten Sicherheitsschlüssel zu knacken. Entsprechend müssen neue quantencomputingresistente Sicherheitsschlüssel entwickelt werden. NXP Semiconductors Hamburg forscht bereits an neuen Kryptographie-Algorithmen und beteiligt sich an der internationalen Entwicklung von Standards, die heutige, klassische Computerplattformen vor neuen Quantencomputerbedrohungen schützen. „Das amerikanische National Institute of Standards and Technology (NIST) arbeitet an einem weltweiten Verschlüsselungsstandard, der Angriffen sowohl von herkömmlichen als auch von Quantencomputern standhält und hat sich dabei für einen von NXP mitentwickelten Verschlüsselungsalgorithmus entschieden“, so Mehmel.

Je komplexer, desto besser der Quantencomputer

Aber auch für die Logistik sieht Mehmel vielfältige Anwendungsmöglichkeiten. Denn je mehr Variablen, desto komplexer die Optimierung von Abläufen in der Industrie – und in der maritimen Logistik findet sich eine Vielzahl von Parametern. „Der Transport von Waren erfolgt weltweit zu großen Teilen per Schiff. Stellen Sie sich eine Flotte mit 100 Schiffen und einer Crew von um die 2.000 bis 3.000 Menschen vor, die eine sich ständig ändernde Zahl von Containern in eine Vielzahl von Häfen transportieren. Allein bei 60 Häfen sprechen wir von mehr möglichen Routen als es Teilchen im Universum gibt“, so der studierte Physiker. Dazu kommt, dass die zu transportierenden Container mal leer und mal voll sind. Für eine optimale Routenplanung müssen zudem Wetterdaten berücksichtigt werden. Und das alles vor dem Hintergrund eines möglichst nachhaltigen Transports. Herkömmliche Rechner kommen bei dieser Vielzahl an Optionen an ihre Grenzen, Quantencomputer hingegen können auch sich verändernde Rahmenbedingungen adaptieren und das Ergebnis mit großer Geschwindigkeit anpassen.

Optimierung maritimer Logistik – durch Quantencomputer

Hamburg punktet als Quantenforschungsstandort

Als weitere vielversprechende Einsatzfelder nennt Mehmel die Luftfahrt, die Automobilindustrie und den Health-Care-Sektor. „Allein bei der Medikamentenentwicklung werden sich durch Quantencomputer ganz neue Möglichkeiten eröffnen. Hamburg hat mit Unternehmen wie Philips und Astra Zeneca, aber auch dem UKE und DESY, starke Akteure, in deren Zusammenarbeit großes Potenzial liegt.“ Das Zusammenführen solcher Akteure ist eine der Hauptaufgaben des HQIC. In der Forschung der Quantentechnologie findet derzeit ein internationaler, aber auch nationaler, Wettbewerb statt. „Hamburg punktet mit exzellenter Wissenschafts- und Wirtschaftsinfrastruktur sowie dem sichtbaren Engagement seitens der Politik“, betont Dr. Natalie Rotermund, zusammen mit Mehmel im Projektmanagement für die Entwicklung der neuen Technologie in Hamburg aktiv. Das HQIC wurde von der Stadt Hamburg ins Leben gerufen und ist beim Artificial Intelligence Center ARIC e. V. angesiedelt, das bereits als zentrale Anlauf- und Koordinierungsstelle für das Thema künstliche Intelligenz fungiert.

HQIC-Projektmanagerin Natalie Rotermund

Hamburg Quantum Computing School im Aufbau

„Wir arbeiten in enger Zusammenarbeit mit der Behörde für Wirtschaft und Innovation, der Behörde für Wissenschaft, Forschung, Gleichstellung und Bezirke sowie der Hamburger Senatskanzlei“, so Rotermund. Im Oktober hat der Hamburger Senat ein vierteiliges Maßnahmenpaket zur Stärkung des Quantencomputing-Ökosystems auf den Weg gebracht. Darin enthalten ist eine Förderung von rund 17 Millionen Euro für den Aufbau der Hamburg Quantum Computing School (HQS). An der HQS sollen sowohl Spezialist:innen in den Bereichen Hardware, Software und Anwendungen von Quantencomputern ausgebildet werden, als auch Promovierende und Post-Docs der Quantenphysik, Elektrotechnik und Informatik fachübergreifend arbeiten und lernen können. Die neue Ausbildungsstätte ist ein gemeinsames Projekt der Technischen Universität Hamburg und der Universität Hamburg, insbesondere des Zentrums für Optische Quantentechnologien der Universität Hamburg, das bereits im Rahmen des Projekts „Rymax One“ am Bau eines Quantencomputers arbeitet. Insgesamt investiert der Senat rund 25,1 Millionen Euro in die Stärkung Hamburgs als Quantencomputing-Region. „Mit diesem Schritt demonstriert Hamburg sein langfristiges Engagement für das Feld der Quantentechnologie“, betont Rotermund. „Und diese Politik hat bereits zu Aufmerksamkeit geführt. Erste Unternehmen signalisieren Interesse für eine Neuansiedlung am Standort.“

Am Thema Interessierte erhalten kompetente Beratung und Unterstützung bei der Wirtschaftsförderung Hamburg Invest.
ys/mm/sb

Versuchsaufbau am Zentrum für optische Quantentechnologien

Quellen und weitere Informationen

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