Um für den sommerlichen Ansturm gewappnet zu sein, investiert Hamburg Airport sowohl in neue Mitarbeiter:innen als auch in technische Lösungen – wie etwa den „Tag-O-Mat“. Reisende können in Hamburg bereits seit 2017 ihr Gepäck auf Wunsch eigenständig am Gepäckautomaten aufgeben. Das Angebot wird gut angenommen, im Dezember 2023 wurde der millionste Koffer an einem der über 20 Self-Bag-Drop-Automaten abgegeben. „Nun kommt mit dem Tag-O-Mat eine zweite Anlaufstelle dazu, an der das Gepäck mit einem Handscanner erfasst und die Etiketten für Koffer und Taschen ausgedruckt werden können. Die Entzerrung durch zwei Automaten ermöglicht eine weitere Beschleunigung der Gepäckaufgabe“, ist Berit Schmitz überzeugt, die Hamburg News an ihrem 100. Tag ihrer neuen Geschäftsführerposition zum Interview im Lilienthal-Haus am Hamburg Airport trifft. Die Bankkauffrau und studierte Betriebswirtin hat das neue Co-Leadership-Modell am 1. April komplettiert. Zwar ist Kunsch formal Vorsitzender der Geschäftsführung, praktisch aber wollen beide als Doppelspitze agieren. „Wir arbeiten Hand in Hand“, bestätigt Kunsch.
Das neue Geschäftsführungsteam Christian Kunsch und Berit Schmitz geht mir sehr guten Zahlen an den Start. Hamburg Airport hat das Geschäftsjahr 2023 mit einem Gewinn von 6,6 Millionen Euro abgeschlossen, auch dank eines erneuten Anstiegs der Passagierzahlen auf rund 13,6 Millionen Fluggäste (ein Plus von etwa 22 Prozent im Vergleich zum Vorjahr). „Für den Sommer, unsere Hauptsaison, dürften wir ein Passagierniveau von 92 Prozent des Vor-Corona-Werts von 2019 erreicht haben“, so Kunsch. Der Vorsitzende der Geschäftsführung hat Anfang des Jahres Michael Eggenschwiler abgelöst, der zuvor mehr als 20 Jahre die Geschicke eines der ältesten Verkehrsflughäfen der Welt geleitet hat.
Neues Co-Leadership-Modell am Hamburg Airport
120 Direktziele ab Hamburg Airport
Ein Wunsch, auch aus der Hamburger Wirtschaft, an die neue Doppelspitze: mehr Direktflüge. Aktuell fliegen 55 Fluggesellschaften vom Hamburg Airport 120 Direktziele an, darunter seit dem 1. Juli 2024 die Interkontinentalverbindung nach Doha. Über die neue Destination verbindet Qatar Airways die Hansestadt nonstop mit ihrem Drehkreuz am Persischen Golf, über das Passagiere weltweit mehr als 170 Fernziele erreichen können. Hoffnungen auf weitere Direktflüge, beispielsweise nonstop von Hamburg nach New York, ruhen auf dem neuen A321 XLR von Airbus, der den gut 6.000 weiten Kilometerflug dank verbesserter Reichweite und Nutzlast wirtschaftlich ermöglichen könnte. Doch allein technische Verbesserungen reichen nicht, betonen die Expert:innen. „Das Problem ist die Auslastung. Nicht die ab Hamburg, sondern der Rückweg. Hamburg ist als Destination in USA und Asien nicht so bekannt, wie wir es uns wünschen würden – Und ein in nur eine Richtung gut gefülltes Flugzeug ist leider nicht wirtschaftlich“, berichtet Kunsch. Er wünscht sich mehr Werbekampagnen, um die Stadt international bekannter zu machen, und nennt den Imagegewinn durch die Fußball-Europameisterschaft als gutes Beispiel: „Dabei hat sich Hamburg international erfolgreich als guter Gastgeber und weltoffene Stadt präsentiert.“
Führungsduo vereint Innen- und Außenperspektive
Auch der Flughafen konnte sich zur EM erfolgreich präsentieren. Probleme wie im vergangenen Jahr, außergewöhnlich lange Warteschlangen vor den Sicherheitskontrollen oder bei der Abfertigung der Reisenden, hätten sich nicht wiederholt. Um die Abläufe so störungsfrei wie möglich zu gestalten, wurde eine Liste mit mehr als 40 Maßnahmen erarbeitet. Welche davon am Flughafen mit Priorität umgesetzt werden, entscheiden die Geschäftsführer gemeinsam. Schmitz bringt dazu einen Blick von außen mit – vor ihrem Wechsel in die Hansestadt war sie Mitglied der Geschäftsleitung des Flughafens Hannover sowie Geschäftsführerin der Mainzer Verkehrsgesellschaft – und Kunsch die Innenperspektive. Seit 2019 ist der Betriebswirt Geschäftsführer am Hamburg Airport und schon sein ganzes Berufsleben im Luftfahrtkosmos tätig.
Über 15 Millionen Euro für technische Verbesserungen und mehr Service
Zu den sich bereits in Umsetzung befindlichen Maßnahmen gehört ein technisches Upgrade für die zahlreichen Rolltreppen, Drehtüren und Aufzüge, eine umfassende Sanierung der Sanitäranlagen sowie die Aufstellung neuer Wasserspender und rund 60 Massagesessel zur Steigerung des (Warte-)Komforts. Insgesamt fließen in diesem und den beiden nächsten Jahren mehr als 15 Millionen Euro in technische Verbesserungen und mehr Service. Ein guter Teil der Maßnahmen zielt auf die Reduzierung von Wartezeiten ab. Das kostenlose Slot & Fly-Kontingent – ein vorab buchbares Zeitfenster für den schnellen Zugang zur Sicherheitskontrolle – wurde um 50 Prozent erhöht und neue CT-Scanner und verbesserte Software sollen für schnellere Abläufe sorgen. Kunsch erklärt: „Die Scanner erkennen Flüssigkeiten oder elektronische Geräte im Koffer. Dadurch müssen Reisende ihr Handgepäck nicht mehr auspacken und das spart bei den Sicherheitskontrollen erheblich Zeit.“ Die Maßnahmen greifen, ist der Fachmann überzeugt. „Kürzlich hatten wir 3.000 Passagiere in einer Stunde abzufertigen, und die Wartezeit betrug weniger als 15 Minuten.“
Digitalisierung und Automatisierung: Lösungen für den Personalmangel?
Steht also ein reibungsloser Sommerbetrieb bevor? „Solange nichts Außergewöhnliches geschieht, ja“, lautet die Antwort von Christian Kunsch. „Sollten sich allerdings beispielsweise Starkregenereignisse wiederholen, wie wir sie Ende Juni in Hamburg erlebt haben oder wie es sie im April in Dubai in einem vollkommen neuen Ausmaß gab, dann hat das immer auch operative Auswirkungen.“ Maßgebliche Auswirkungen hatte auch eine IT-Störung, die am 19. Juli den Luftverkehr weltweit beeinträchtigt hat. Zwar waren die Systeme des Flughafens selbst zu keiner Zeit betroffen, doch die Beeinträchtigungen bei den Fluggesellschaften hatten direkten Einfluss auf den Flugplan in Hamburg, der sich aber schon am Folgetag wieder stabilisierte.
Als größte Herausforderung über den Sommer hinaus nennt Schmitz den Personalmangel. „Die Rentenwelle der Babyboomer rollt heran und es wird schlicht nicht möglich sein, all diese Arbeitnehmer:innen zu ersetzen.“ Darum setze der Flughafen auf Digitalisierung und Automatisierung, um die verbliebenen Mitarbeiter zu unterstützen. „Wir testen dazu etwa Roboter. Sie übernehmen, sobald das Gepäck aus dem Flugzeug auf Wagen geladen wurde und heben Koffer sowie Taschen eigenständig auf die Gepäckbänder“, erklärt Schmitz. „Und ich setze meine Hoffnung in künstliche Intelligenz, was beispielsweise eine optimierte Steuerung von Passagierströmen betrifft“, fährt sie fort. „Natürlich unter Berücksichtigung des AI-Acts.“
ys/sb