Am 1. Juli hat Müller-Lietzkow sein Amt als Präsident der HCU angetreten. Am 1. Oktober unterzeichneten Vertreter der Vereinten Nationen sowie des Auswärtigen Amtes und er den „Letter of Intent“ für die Eröffnung eines UN Technology Innovation Lab Germany (UNTIL) an der HCU. Hamburg wäre damit der erste Standort weltweit, wo am UN-Entwicklungsziel ‚nachhaltige Städte und Gemeinden’ geforscht wird. „Das ist gar nicht mein Verdienst, sondern der von Professorin Gesa Ziemer, der Vizepräsidentin für Forschung sowie Direktorin des CityScienceLab an der HCU sowie dem Altpräsidenten Dr. Walter Pelka und der Kanzlerin Stephanie Egerland“, betont Müller-Lietzkow. Ziemer hat dem CityScienceLab bereits durch das erfolgreiche Projekt FindingPlaces hohe Sichtbarkeit verschafft und nun auch das UNTIL mit auf den Weg gebracht. „Ich durfte nur in meiner neuen Rolle als Präsident die feierliche Unterzeichnung vornehmen“, kommentiert Müller-Lietzkow.
Die HafenCity Universität Hamburg (HCU) holt ein UN-Projekt nach Hamburg, dazu kommt ein Förderbescheid über 10 Millionen Euro für ein 5G-Projekt, das federführend von der HCU geleitet werden wird – nicht der schlechteste Start für den neuen Präsidenten Professor Dr. Jörg Müller-Lietzkow. Nach den ersten 100 Tagen im Amt zieht der 49-Jährige im Gespräch mit den Hamburg News eine erste Zwischenbilanz.
UN Technology Innovation Lab Germany
10 Millionen Euro Förderung
Ebenfalls am 1. Juli wurde Müller-Lietzkow zum Universitätsprofessor für Ökonomie und Digitalisierung an der HCU berufen. Wie er betont, ist es ihm wichtig, neben dem Amt des Präsidenten auch in der Forschung weiter aktiv zu bleiben. Zusammen mit dem Vizepräsidenten für Lehre, Harald Sternberg hat er das Projekt „Level 5 Indoor Navigation“, initiiert. Am 16. September überreichte Andreas Scheuer, Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur einen Förderbescheid über 10 Millionen Euro. In dem auf drei Jahre angelegten Projekt geht es darum, mit Hilfe von 5G Lösungen die Navigation mittels Smartphone in geschlossenen Räumen mit Echtzeitaktualisierungen zu entwickeln. Dabei sollen auch Regionen erreicht werden, in denen bisher kein GPS-Signal verfügbar ist. „Stahlbeton wirkt oft wie ein faradayscher Käfig. Wir werden nun eine universelle Lösung entwickeln, die eine Kombination von In- und Outdoor-Navigation ermöglicht“, erklärt Müller-Lietzkow. Ziel ist es, beispielsweise auf Campus- oder Krankenhausgeländen von Gebäude zu Gebäude, aber eben auch von Zimmer zu Zimmernavigieren zu können. Die 10 Millionen Euro dürften dabei für die Entwicklung einer Basisversion der Software reichen. „Zusätzlich planen wir zusammen mit einem Partner einen Chip herzustellen – also in die Hardware-Entwicklung zu gehen, damit wir ein noch besseres Signal senden können, ohne dass die Smartphones verändert werden müssen.“
Aufbruch zu noch mehr Digitalisierungsprojekten
Müller-Lietzkow freut sich über die prestigeträchtigen Projekte in mehrfacher Hinsicht. Zum einen sind sie eine Würdigung der akademischen Qualität der Universität, zum anderen ein Zeichen des Aufbruchs zu noch mehr Digitalisierungsprojekten an der HCU, einem der beiden Schwerpunktbereiche, die Müller-Lietzkow für seine erste Amtszeit neben Klimafragen adressiert hat. Nicht zuletzt stärken (neue) Verbundprojekte die Hochschule, und zwar Lehrende wie Studierende. „Wir haben an der HCU ausgesprochen talentierte Menschen, die sich einsetzen möchten, die aber natürlich alle ihre eigenen Wünsche, Träume und Vorstellungen haben.“ Eine seiner vorherrschenden Aufgaben als neuer HCU-Präsident ist es, allen zuzuhören und eine neue Kultur des gegenseitigen Respekts einzuführen. Denn nur gemeinsam lasse sich das Renommee der Universität weiter stärken. Immerhin ist die HCU noch eine sehr junge Universität. Gegründet 2006 und mit derzeit rund 2.400 Studierenden, ist sie im Grunde immer noch ein Stück weit in ihrer ‚Entwicklungsphase’. „Da passen wir ganz gut in das Baustellen-Umfeld der HafenCity“, schmunzelt Müller-Lietzkow.
Die Zukunft des Bauens im urbanen Raum
Vor allem aber sei die HCU in ihrer Spezialisierung auf Architektur, Baukunst und Metropolenentwicklung einzigartig in Deutschland, ist Müller-Lietzkow überzeugt. „Hier wird an der Zukunft des Bauens im urbanen Raum geforscht.“ Sein Ziel ist dabei eine Schwerpunktsetzung mit Digitalisierung und Klimathemen. Letzteres ist aus der aktuellen Diskussion kaum mehr wegzudenken. „Die HCU entwickelt dazu Lösungsstrategien, die sowohl Aspekte wie nachhaltige Materialien, Reduktion von CO2-Emissionen oder Erdoberflächenversiegelung, als auch die Lebensqualität der Menschen berücksichtigen.“ Gleiches gelte auch in dem Zusammenhang für Mobilität, wo er sich für einen Mix aus ökologisch ausgewogenen Mobilitätsangeboten – unter Förderung von eMobility, Fahrrad-Strategie, ÖPNV – ausspricht, der die Lebensumstände und Orte der Menschen einbezieht sowie vor allem auch die finanziellen Möglichkeiten berücksichtigt.
KI ist eine Schlüsseltechnologie
Das Thema Digitalisierung ist für Jörg Müller-Lietzkow generell von besonderer Relevanz. Der ausgewiesene Digitalexperte – zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören etwa die digitale Wirtschaft, Smart Cities, StartUps im Digitalsektor, Games oder Digital Humanities – wurde im September 2018 in die Enquete-Kommission Künstliche Intelligenz des deutschen Bundestages berufen. „KI ist eine Schlüsseltechnologie, in ihrer Bedeutung vergleichbar mit der Internetprotokollsprache HTML und in vielen Bereichen zur Steigerung der Lebensqualität vielfältig einsetzbar”, so Müller-Lietzkow. So könne KI durchaus einen fundamentalen Beitrag zur Lösung vieler ökologischer oder auch medizinischer Probleme leisten sowie auch etwaige Fehlentscheidungen untersuchen und gegebenenfalls dazu beitragen, sie zu korrigieren.
Ein Chief Data Scientist für Hamburg?
Doch gebe es im Umgang mit KI, wie bei allen neuen Technologien, sowohl Licht als auch Schatten. „Im Grunde ist KI komplexe Statistik auf hohem Niveau – und dennoch ist das Bauchgefühl eines Menschen in bestimmten Situationen immer noch überlegen.“ Müller-Lietzkow plädiert generell für die Einsetzung eines Chief Data Scientist (CDS) in Smart Cities und somit als Ergänzung zum CIO auch in Hamburg. Wenn etwa Algorithmen zur Unterstützung bei Entscheidungsfindungen eingesetzt werden, könnte ein CDS sicherstellen, dass die Entscheidungen zum Gemeinwohl getroffen, mit Ergebnissen sorgfältig umgegangen und die Freiheit der Menschen gewahrt werden. „Nichts wäre schlimmer als eine Form von Social Scoring und somit der Totalüberwachung, wie in China. Technologien, die den Menschen zu einem besseren Leben in Frieden und Freiheit dienen, sind der Schlüssel zum Erfolg.“
ys/sb