„Kino ist so viel besser als Netflix und Co. Es ist überraschend, während Streamingdienste mithilfe von Algorithmen den Publikumsgeschmack analysieren und die Abonnenten dadurch oftmals mit Variationen vom immer Gleichen gefüttert werden“, erklärt Rabahallah. Aber sie räumt auch ein: „Streamingdienste sind auf ein globales Publikum ausgerichtet und schaffen so neue Chancen. Der Erfolg von ‚Parasite‘ aus Südkorea wäre sonst vielleicht nicht möglich gewesen.“ Tatsächlich avancierte mit „Parasite“ eine Sozialsatire zum internationalen Kassenerfolg und wurde 2020 mit sechs Oscars ausgezeichnet. Beim Filmfest Hamburg vom 26. September bis zum 5. Oktober will Rabahallah genau solche Filme zeigen: „Filme von gesellschaftlicher Relevanz. Filme, die das Publikum zum Lachen und zum Weinen bringen. Einfach gesagt: Filme, die berühren. Denn nur so können sie Brücken bauen, neue Perspektiven aufzeigen und ganz wichtig – Empathie fördern.“
Auf 52.700 Besucher:innen brachte es das Filmfest Hamburg im vergangenen Jahr, das Binnenalster Filmfest mit seiner schwimmenden Leinwand mitgerechnet. 17 Prozent mehr Tickets als in 2022 wurden verkauft – ein Rekord. Damit übernimmt Malika Rabahallah ein ausgesprochen erfolgreiches Format. Die gebürtige Französin, die zuvor die Förderabteilung bei der Moin Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein leitete, ist seit Anfang des Jahres neue Leiterin von Filmfest Hamburg. Zuvor hatte Albert Wiederspiel 21 Jahre lang diese Rolle inne, zu seinem Abschied wurde er mit einem Senatsfrühstück im Rathaus geehrt. Wenn sich nun die Scheinwerfer auf Rabahallah richten, sind damit große Erwartungen verbunden. Hamburg News hat die Filmenthusiastin nach ihren Plänen für die Filmstadt Hamburg gefragt – und wie sich Kino gegenüber Streamingdiensten behaupten kann.
Filme können Brücken bauen
120 Filme aus knapp 50 Ländern
Im Kinosaal geteilte Emotionen verbinden, besonders, wenn die Themen durch Gespräche mit den Filmemacher:innen vertieft werden, ist Rabahallah überzeugt. „Wenn das bei Menschen aus verschiedenen Ländern stattfindet, dient das der weltweiten und globalen Verständigung.“ An die 120 Filme aus knapp 50 Ländern stehen beim diesjährigen Filmfest auf dem Programm. Darunter Welturaufführungen, Europapremieren und deutsche Erstaufführungen – wie etwa die Deutschlandpremiere von ‚The Seed of the Sacred Fig‘, des iranischen Filmemachers und Wahlhamburgers Mohammad Rasoulof. Das Drama um einen Ermittlungsrichter vor dem Hintergrund der Proteste auf den Straßen Teherans, wurde beim Cannes Film Festival mit fünf Preisen ausgezeichnet und von der Moin Filmförderung gefördert: Schnitt und Postproduktion fanden in Hamburg statt.
Investition mehr als verdreifacht
Insgesamt hat die Moin Filmförderung im vergangenen Jahr 14,8 Millionen Euro in 258 Projekte investiert, darunter 26 Spielfilme, 15 Kurzfilme, 12 Dokumentarfilme und vier Serien. Diese Investition hat sich verdreifacht, da alle geförderten Produktionen mindestens 150 Prozent der Fördersumme in Hamburg und Schleswig-Holstein ausgeben müssen. Tatsächlich sei 2023 sogar mehr zurückgeflossen, ist im Moin-Jahresbericht 2023 zu lesen: „Jeder von uns investierte Euro hat somit 3,40 Euro für die Wirtschaft in Hamburg und Schleswig-Holstein generiert.“
2023: 1.741 Drehtage allein in Hamburg
Auch die 30.000 Euro für das Filmfest Hamburg – Muttergesellschaft ist die Moin Filmförderung – sei gut investiertes Geld, ist Rabahallah überzeugt. „Wir bringen internationale Filmemacher:innen nach Hamburg und organisieren Führungen durch die Stadt. Ich sehe mich auch als Botschafterin mit dem Ziel, Hamburg als Standort für die Branche und als Drehort noch bekannter zu machen.“ 2023 gab es 1.741 Drehtage in Hamburg, 2.292 in der Region – das sind rund 20 Prozent mehr als noch im Jahr zuvor. Diesen positiven Trend will Rabahallah weitertreiben und Hamburg noch stärker in internationale Produktionen bringen. Bekanntes Terrain: Bei der Moin Filmförderung war die 54-Jährige für internationale Koproduktionen und Kooperationen zuständig und hat zudem schon auf der ganzen Welt gelebt – in den USA, Kanada, Costa Rica oder in England. Das ermöglicht Gespräche auf Augenhöhe.
Filmfest Hamburg Industry Days
Die Vernetzung der heimischen mit der nationalen und internationalen Filmbranche steht auch bei den Filmfest Hamburg Industry Days im Fokus. Vier Tage lang (30. September bis 3. Oktober) tauschen sich Branchenexpertinnen und Filmschaffende über neueste Entwicklungen und Trends aus. Den Auftakt macht die Explorer Konferenz am 30. September 2024 zum Thema Risk & Reward. Steigende Kosten, immer kleinteiliger werdende Märkte und der aktuelle Stand bei öffentlichen Finanzierungspartnern wie Sendern und Förderinstitutionen werden in Keynotes, Panels und Deep Dives ebenso thematisiert wie die technologische Entwicklung durch künstliche Intelligenz, die ganz neue Möglichkeiten eröffnet, aber auch Fragen zum Umgang mit Kreativität, Marketing, Urheberrecht und Ethik aufwirft. Und auch bei der 32. Ausgabe von Filmfest Hamburg werden wieder zahlreiche Preise vergeben. Im vergangenen Jahr wurden Preisgelder in Höhe von 125.000 Euro ausgeschüttet, darunter die mit 50.000 Euro dotierten Hamburger Produzentenpreise für Internationale Kino-Koproduktionen und Deutsche Kinoproduktionen, gestiftet von der Behörde für Kultur und Medien der Freien und Hansestadt Hamburg.
Filmfest Hamburg – junge Talente fördern
Dem Filmnachwuchs widmet sich am 1. Oktober der Encourage Film Talents Industry Day als Erweiterung des 2022 erfolgreich eingeführten, internationalen Nachwuchsprogramms Filmfest Hamburg Atelier in Kooperation mit la Semaine de la Critique in Cannes. „Wir wollen die jungen Talente aus deutschen Filmhochschulen noch stärker mit Profis aus aller Welt zusammenbringen und deren Erfolgskonzepte in den Fokus rücken“, erklärt Rabahallah. So sollen Innovationen diskutiert, Kooperationen initiiert und bei einem Pitch neue Projektideen präsentiert werden. Vor allem aber gehe es darum, dem Nachwuchs Mut zu machen, betont die Expertin. „Es ist eine von Leidenschaft getriebene Branche, die es den Protagonisten aber nicht leicht macht. Filmemachen erfordert Mut, aber es lohnt sich. Das wollen wir mit dem Filmfest Hamburg zeigen.“
Das Filmfest Hamburg schenkt allen Hamburger:innen am 3. Oktober 2024 einen kostenfreien Kino-Festival-Tag. Beteiligt sind die fünf Festivalkinos Abaton, Studio-Kino, Metropolis, Cinemaxx Dammtor und Passage sowie die neun „Filmfest ums Eck“-Kinos.
ys/sb
Quellen und weitere Informationen
Filmfest Hamburg
Nach dem Motto „Filmfest für alle – überall in Hamburg“ fand 1992 das erste Filmfest in Hamburg statt. Bis heute feierten rund 3.000 nationale und internationale Filmproduktionen beim Filmfest Hamburg ihre Welt-, Europa- oder Deutschland-Premiere. 2024 werden etwa 120 Filme in zehn Sektionen – von cineastisch anspruchsvollen Arthouse-Filmen bis hin zum innovativen Mainstreamkino – in den Filmfest Hamburg Kinos Abaton, Passage, CinemaxX Dammtor, Metropolis und Studio-Kino zu sehen sein. Mit Filmfest Ums Eck ist Filmfest Hamburg seit 2019 in der Festivalzeit auch in den Hamburger Stadtteilkinos zu Gast. Seit 2003 gibt es mit dem Michel Kinder und Jugendfilmfest ein Festival im Festival für die jüngsten Kinobesucher und zum dritten Mal wird das Molodist Kyiv International Film Festival zu Gast sein.
Muttergesellschaft des Filmfest Hamburg ist die Moin Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein, zu den Förderern gehören unter anderem die Hapag Lloyd-Stiftung, die Deutsche Fernsehlotterie, Studio Hamburg, Norddeutscher Rundfunk, Haspa Joker, Moia und das Grand Elysee Hotel. Hauptförderin ist die Behörde für Kultur und Medien Hamburg.