Forschung

Wann kommt der Quantensprung?

21. Oktober 2025
In Hamburg entwickelt sich ein vielversprechendes Quantencomputing-Ökosystem, so Dr. Robert Axmann, Leiter der DLR Quantencomputing-Initiative. Hamburg News hat nachgefragt

Wie sieht der perfekte Mix intelligenter Transportsysteme aus? Wie schützen wir uns besser vor Cyberattacken und wie sieht die ideale Rezeptur neuer Legierung für Flugzeugbauteile aus? Computersimulationen spielen eine zentrale Rolle bei der Erzielung technologischer Fortschritte. Quantencomputer könnten diesen Prozess gar revolutionieren. 2023 haben die Hamburg News mit Dr. Robert Axmann, Leiter der DLR Quantencomputing-Initiative, über das Potenzial der Zukunftstechnologie gesprochen. Höchste Zeit nachzuhaken – zumal 2025 das internationale Jahr der Quantenwissenschaft und Quantentechnologien der Vereinten Nationen ist.

Sowohl tot als auch lebendig

Auf die Frage, ‚Was hat sich inzwischen getan?‘ gibt der Experte eine quantenwürdige Antwort: „Ganz viel und gleichzeitig nicht wirklich viel“. Auch Quantenbits (Qubits) können sich in zwei Zuständen gleichzeitig befinden. Das berühmte Gedankenexperiment von ‚Schrödingers Katze‘, die sowohl tot als auch lebendig ist, veranschaulicht die fantastischen Möglichkeiten der Quantenmechanik, die eine enorme Rechenleistung verspricht – sobald es gelingt, Quantencomputer mit vielen fehlerarmen Qubits zu realisieren. „Noch jedoch sind Quantencomputer nicht leistungsstark genug, um für wirtschaftliche Anwendungsfälle interessant zu sein“, so Axmann. Das soll(te) 2026 der Fall sein. Zumindest hatte das damalige BMWi, heute Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, 2021 dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) Fördermittel von 740 Millionen Euro zugesagt, um innerhalb von 4 Jahren deutsche, prototypische Quantencomputer mit unterschiedlicher Architektur zu bauen. „Leider wurden die Fördermittel im Rahmen von Sparvorgaben auf 540 Millionen Euro gekürzt“, bedauert Axmann den Rückschritt im deutschen Forschungsengagement. Dabei hieß es noch 2023 im Handlungskonzept Quantentechnologien der Bundesregierung: „Ziel der Bundesregierung ist es, Deutschland und Europa in den Quantentechnologien mit zielgerichteter, langfristiger Unterstützung an eine internationale Spitzenposition zu bringen und diese zu festigen.“

Dr. Robert Axmann, lächelnd in blauem Sakko mit verschränkten Armen vor gelb beleuchtetem Flur.
Dr. Robert Axmann, Leiter der DLR Quantencomputing-Initiative. Das DLR hat einen signifikanten Millionenbetrag am Standort Hamburg investiert.

Quantencomputing-Ökosystem

Trotz der Mittelkürzung habe sich in Hamburg ein vielversprechendes Quantencomputing-Ökosystem etabliert, betont Axmann. „In unserem Innovationszentrum in Hamburg-Lokstedt werden fünf Quantencomputer gebaut und DLR-Forschungsteams und Industriepartnern aus ganz Deutschland zur Verfügung gestellt.“ In verschiedenen Anwendungsfeldern werde dabei geschaut, wie sich Probleme mit Quantentechnologien besser und effektiver lösen lassen als mit herkömmlichen Computern. Erste Meilensteine in Form von Demonstratoren konnten bereits erreicht werden, die Realisierung großer, wirklich interessanter Systeme erwartet Axmann 2027. Aber er weiß auch: „Nicht alle Projekte werden erfolgreich sein.“ Deshalb verfolgt das DLR eine Strategie der Technologieoffenheit. Während am Standort Ulm etwa an der Entwicklung von universellen Quantenprozessoren auf Basis photonischer Schaltkreise und Neutralatomen gearbeitet wird, liegt der Fokus in Hamburg auf Ionenfallen. Ein erster Ansatz wurde im Projekt QSea 1 verfolgt. Inzwischen werden in Hamburg in sechs Projekten Quantencomputer sowie notwendige Fertigungsmethoden entwickelt. „Das DLR hat einen signifikanten Millionenbetrag in den Standort Hamburg investiert“, betont Axmann. Und wann könnte der erste Quantencomputer präsentiert werden, der herkömmlichen Rechnern maßgeblich überlegen ist? „Mit den ersten praktischen Vorteilen rechne ich in fünf Jahren.“

Laborant mit Handschuhen montiert Mikrochip mit Pinzette auf Metallplatte in Reinraumumgebung.
Durch die Miniaturisierung der Ionenfallen-Technologie sollen skalierbare Quantencomputer entstehen, also eine Technologie mit Wachstumspotenzial.

Anwendungsfälle aus Hamburg

Wichtig sei jedoch, vielversprechende Anwendungen für die komplexe Technologie schon jetzt zu identifizieren, betont Axmann und nennt zwei Anwendungsfälle aus dem Hamburger Ökosystem. 

Mobilität

„Im Projekt QCMobility geht es um Optimierungslösungen für den Luft-, Schienen- und Straßenverkehr sowie das maritime Umfeld und den intermodalen Verkehr“, so Axmann. Vereinfachte Demonstrationsprobleme werden auf der Quantencomputing-Hardware an den DLR-Innovationszentren implementiert, die Projektergebnisse gehen ein in die Roadmap ‚Quantencomputing und Mobilität‘. Beteiligt sind Akteure, wie Fraunhofer, Lufthansa Industry Solutions, DB oder Dachser. Mit dem Projekt QI-TraSiCo – Quantum-Inspired Traffic Signal Control demonstriert das DLR die bereits heute vorhandene, praktische Nutzbarkeit des Quantencomputings für Echtzeitanwendungen im Bereich der Verkehrsoptimierung und -steuerung. 

Künstliche Intelligenz

Quantencomputing und künstliche Intelligenz (KI) sind zwei wesentliche Zukunftstechnologien. „KI ist stark bei der Bewältigung komplexer Rechenaufgaben, Quantencomputing könnte diese jedoch noch wesentlich effektiver lösen und so zu einem neuen Motor für KI werden“, ist Axmann überzeugt. Im Projekt QCoKaIn werden beide Technologien zusammengeführt, um Anomalien in großen Datenmengen automatisch zu identifizieren. Dabei liegt der Fokus auf ‚hybridem Quantencomputing‘, also dem Zusammenspiel von Quantencomputern und beispielsweise Superrechnern – ein Ansatz, der als besonders vierversprechend angesehen wird. Zudem bindet QCoKaIn ‚kausale Inferenz‘ ein. Das moderne Forschungsfeld ist sowohl in Statistik als auch Maschinellem Lernen angesiedelt und beschäftigt sich mit der datengetriebenen Analyse von Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen. Werden also beispielsweise abweichende Daten eines Fluges registriert, soll QCoKaIn nicht nur die Anomalie dokumentieren, sondern relevante Ursachen herausfiltern – idealerweise als Echtzeitanalyse, um sofort Lösungsvorschläge zu berechnen.

Quantencomputing: besonderes Potenzial

Als weitere Anwendungsfelder, die besonderes Potenzial für den Einsatz von Quantencomputing bieten, nennt Axmann Materialwissenschaften und die Entwicklung neuer Legierungen mithilfe von Simulationen. „Quantencomputer könnten diesen Prozess maßgeblich beschleunigen. Wir könnten buchstäblich Jahre einsparen, indem wir verschiedene Kombinationen von Molekülen ausprobieren und relevante Kandidaten identifizieren, die dann beispielsweise deutlich verbesserte Wärmeleitfähigkeit, Korrosionsverhalten oder Temperaturresistenz aufweisen.“ Kryptographie ist ein weiteres Feld, von dem sich Axmann viel verspricht. „Wir arbeiten hier mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik zusammen und untersuchen die Sicherheit von Kryptosystemen im Zeitalter leistungsfähiger Quantencomputer.“ Dabei geht es zunächst darum, Angriffe besser zu verstehen, um die Verschlüsselung zu verbessern. Das Ziel lautet letztlich aber Post-Quanten-Kryptografie. Also die Entwicklung kryptografischer Verfahren mithilfe von Quantencomputern als Schutz gegen Quantencomputer.
ys/sb

 Mehr zum Thema hören Sie im #ueberdentellerrand-Podcast mit Anisa Rizvanolli vom Fraunhofer CML in der Episode 83 ...

… oder in Episode 48 mit Natalie Rotermund und Benedikt Mehmel von der Hamburg Quantum Innovation Capital Initiative, kurz HQIC.

Quellen und weitere Informationen

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