„Wir wollen Quantencomputing von der Theorie in die Anwendung bringen und gehen dabei technologieoffen vor“, erklärt Dr. Robert Axmann, Leiter der DLR Quantencomputing-Initiative. Deswegen hat die Initiative die Entwicklung von mehreren Quantencomputern auf Basis unterschiedlicher Technologien beauftragt: Ionenfallen werden vor allem im DLR-Innovationszentrum Hamburg genutzt. Photonische Prozessoren, Neutralatomsysteme und Stickstoff-Fehlstellen in Diamant in Ulm. Die unterschiedlichen Ansätze haben jeweils Vor- und Nachteile, etwa was den Kühlungsbedarf betrifft oder die Fehleranfälligkeit. Und noch ist nicht klar, welcher Ansatz sich durchsetzen wird.
Quantencomputing verheißt wahre Wunder – Die Zukunftstechnologie soll dem Klimawandel begegnen, neue Wirkstoffe für die Medizin identifizieren oder Flug- und Schiffsrouten optimieren. Entsprechend intensiv wird weltweit auf diesem Gebiet geforscht und Deutschland will ein zentraler Akteur im Bereich Quantencomputing werden. Bis 2026 wird die Entwicklung eines leistungsfähigen universellen Quantenrechners angestrebt. Hamburg ist dabei ein wesentlicher Forschungsstandort – und die Quantencomputing-Initiative des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) ein wichtiger Player. Zusammen mit Partnern aus Industrie, Wirtschaft, Startups und Forschung werden an den DLR-Innovationszentren Hamburg und Ulm prototypische Quantencomputer und die dafür notwendigen Technologien entwickelt. Dafür hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz 740 Millionen Euro für einen Zeitraum von vier Jahren zur Verfügung gestellt.
Quantencomputing: technologieoffen vorgehen
Quantencomputer versus Supercomputer
Unabhängig vom Technologieansatz arbeiten die Forschenden an zwei Grundproblemen. „Die Hardware ist noch zu fehleranfällig. Parallel dazu versuchen wir die Anzahl der Qubits hochzufahren“, erklärt Axmann. Dabei wird Quantencomputing mit existierenden Supercomputern verglichen. „Parallel zur Entwicklung der Quantencomputer werden auch die klassischen Superrechner teilweise noch verbessert“, erklärt Axmann. Für bestimmte Problemstellungen dürften sich Quantencomputer jedoch als wesentlich leistungsfähiger erweisen als klassische Supercomputer. Die Wissenschaft jedenfalls ist vom langfristigen Quantenvorteil überzeugt. „Wir wissen, dass es eine mathematisch nachgewiesene potenzielle Beschleunigung der Quantencomputer geben wird, was ihnen einen klaren Vorteil gegenüber Superrechnern gibt. Es gibt also einen technologisch mathematischen Nutzungsansatz, für den wir ‚nur‘ noch die Hardware entwickeln müssen.“
Quantencomputer könnten in diesen drei Anwendungsfeldern ihr Potenzial besonders erfolgreich ausschöpfen:
1) Luft- und Raumfahrt, aber ebenso Schifffahrt
„Quantencomputing eignet sich besonders bei klassischen Optimierungsproblemen, wie wir sie zum Beispiel in der Luftfahrt sehen“, erklärt Axmann. Solche Ansätze zur Optimierung finden sich bei Wartungsprozessen, Flugplan- und Flugrouten, Gate-Zuordnung oder Air-Cargo-Verteilung. „Naturgemäß beschäftigen wir uns als DLR stark mit Anwendungen im Flugverkehr und in der Raumfahrt. Doch diese Anwendungen lassen sich genauso auf die Schifffahrt übertragen: Von der Routenplanung über das Be- und Entladen der Schiffe bis zur Zuordnung von Kais und der Lagerplanung.“
2) Medizin
Schon heute werden Computer zur Entwicklung neuer Medikamente eingesetzt. „Quantencomputer könnten deutlich schneller und damit effektiver molekularbiologische oder -chemische Systeme simulieren“, betont der Experte. So könnten mithilfe von Quantencomputing schneller noch individuellere und wirksamere Therapiemethoden entwickelt und Wechselwirkungen verschiedener Wirkstoffe berechnet werden.
3) Klimawandel
Welche Faktoren treiben den Klimawandel an – Und mit welchen Maßnahmen ließe sich die Entwicklung stoppen? „Auch hier könnten Quantencomputer komplexe Modelle und Simulationen unterstützen und verbessern“, so Axmann. Die Technologie könnte eingesetzt werden, um neue Methoden zur Eindämmung und Beseitigung von Emissionen zu entwickeln oder um bereits emittierten Kohlenstoff wieder aus der Atmosphäre zu entfernen.
Ziel: technologische Souveränität Deutschlands
Auch wenn die Realisierung solcher Anwendungen noch in der Zukunft liegt, zeigt sich der Quantenexperte doch zuversichtlich. „Wir gewinnen jeden Tag neue Erkenntnisse und damit nähern wir uns dem technologischen Durchbruch von fehlerkorrigierten gatterbasierten Quantencomputern. Diese Systeme sind für unsere zukünftige technologische Souveränität in Deutschland entscheidend.“
ys/sb