Künstliche Intelligenz

SERIE: Mit künstlicher Intelligenz zur Schlaganfall-Prophylaxe

15. März 2022
Das Startup dpv-analytics hat ein Mini-EKG entwickelt, das die Diagnose vereinfachen soll. Serie „Zukunftstechnologien in der Medizin“, Teil 3

Die Gefahr bleibt leicht unerkannt. „In Deutschland sind etwa 500.000 Patient*innen von Vorhofflimmern betroffen, oft ohne sich dessen bewusst zu sein. Etwa weil es nachts zu unbemerkten Herz-Rhythmus-Störungen kommt“, so Dr. med. Stephan Kranz, Facharzt für Nuklearmedizin und Gesellschafter des Hamburger Cardiologicums. Und der Mediziner fährt fort: „Schätzungen zu Folge sind bis zu 20 Prozent aller Schlaganfälle auf Vorhofflimmern zurückzuführen.“ Würde die Gefahr frühzeitig erkannt, ließe sie sich relativ leicht abwenden: „Durch Einleiten einer blutverdünnenden Therapie lässt sich der Bildung von Blutgerinnseln vorbeugen“, so Kranz. Es geht also darum, Risikopatienten zu identifizieren. Bislang geschieht dies durch aufwändige und kostenintensive Langzeit-EKGs. Das Startup dpv-analytics hat mit ritmo eine einfache, bequeme und smarte Alternative entwickelt. Das Mini-EKG in Passbildgröße kommt mit der Post, wird vom Patienten eigenständig mit einem Pflaster auf die Brust geklebt, ist wasserfest und wird nach 72 Stunden Tragezeit ausgewertet – von künstlicher Intelligenz (KI). Lesen Sie Teil drei unserer Serie „Zukunftstechnologien in der Medizin“.

Ausgezeichnet mit dem German Medical Award

Entwickelt wurde das zertifizierte Medizinprodukt von den Cardiologicum-Medizinern Dr. med. Ekkehard Schmidt, Dr. med. Stephan Kranz und Dr. med. Matthias Glawe. „Wir haben am Cardiologicum die Arbeit mit den herkömmlichen Langzeit-EKG-Geräten schon lange nicht mehr für die optimale Lösung gehalten“, erklärt Kranz. Die Handhabung der kabelgebundenen Geräte sei weder komfortabel noch zuverlässig. Gerade nachts komme es leicht zu Fehlermeldungen, wenn sich die Kabel verwickeln, weil sich der Patient im Schlaf um die eigene Achse dreht. „Als dann Investitionen in eine neue Geräte-Generation anstanden, war Dr Ekkehard Schmidt als Gründungsgesellschafter des Cardiologicums der Meinung, das müsse doch besser gehen“, erzählt Kranz. In Zusammenarbeit mit dem Ingenieurbüro livetec und dem Hamburger KI-Startup Psiori entstand ritmo – inzwischen ausgezeichnet mit dem German Medical Award 2021.

 

V.l.n.r. Dr. Kranz, Dr. Schmidt und Dr Glawe

Jede KI ist nur so gut, wie die Daten, mit denen sie trainiert wird

Die Auswertung eines Langzeit-EKGs ist die perfekte Aufgabe für KI. Die selbstlernenden Algorithmen scannen jeden einzelnen Herzschlag und erkennen mit großer Genauigkeit und Schnelligkeit Abweichungen und Anomalien. Allerdings ist jede KI nur so gut, wie die Daten, mit denen sie trainiert wird. „Das Cardiologicum ist eine der größten ambulanten Einrichtungen für Kardiologie in Deutschland. So sind wir in der Lage unsere KI mit Daten von hoher Qualität zu trainieren“, sagt Kranz. „Die Auswertung springt direkt an die Stelle, an der eine Störung identifiziert wurde. Diese Diagnose wird von uns validiert, so dass wir bei Bedarf sofort eine entsprechende Therapie einleiten können.“

Gerät zur Herzinfarkt-Prophylaxe in Vorbereitung

Je früher ein Schlaganfall-Risiko identifiziert werden kann, desto besser – nicht nur für den Patienten, betont Kranz. „Schlaganfälle sind teuer. Im 1. Jahr belaufen sich die Kosten auf durchschnittlich 19.000 Euro. Dazu kommen weitere Kosten je nach Behinderungsgrad und Berufsunfähigkeit. Je mehr wir screenen, je mehr sparen wir für das deutsche Gesundheitssystem.“ Kranz ist vom Einsatz von KI in der Medizin überzeugt.

„Diese Form der Diagnoseunterstützung wird kommen und ist besonders interessant im Bereich der häuslichen Diagnose und um der medizinischen Unterversorgung in ländlichen Gebieten entgegenzuwirken.“ Die drei Gründer von dpv-analytics arbeiten denn auch schon an ihrem nächsten Projekt. „Wir entwickeln ein Gerät zur Herzinfarkt-Prophylaxe, das wie ritmo wiederum auf KI setzt.“ Bis zur Zulassung als Medizinprodukt rechnet Kranz mit anderthalb Jahren. „Optimistisch geschätzt.“
ys/kk

 

Lesen Sie dazu auch Teil 1 unserer Serie: Mit Virtual Reality Phantomschmerzen lindern

und Teil 2 Angststörungen in der virtuellen Welt bekämpfen

Quellen und weitere Informationen

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