„Wir wollen Möglichkeitsfenster eröffnen und den Weg in die Transformation anstoßen. Städte sollen lernende Organisationen werden“, erklärt Mitinitiator und It's the Glue-Gründer Matthias Weber. Schließlich sei vieles, das zuvor nur schwer vorstellbar war – beispielsweise umfassendes Homeoffice – während der Pandemie nicht nur möglich, sondern sogar normal geworden. Weber plädiert deshalb zu mehr Mut im Um- und Neu-Denken und nennt als ein Beispiel die Nutzung freier Kapazitäten. „Die Pandemie hat neue solidarische Hilfsangebote ermöglicht. So ist etwa ein Projekt entstanden, das Wohnungslosen das Duschen im (coronabedingt geschlossenen) Hallenbad St. Pauli ermöglicht hat.“ Beteiligt an dem Projekt waren die Sozialbehörde Hamburg, die gemeinnützige Initiative GoBanyo und Bäderland Hamburg. Weber erhofft sich von diesem Beispiel einen Impuls für die Wirtschaft, ungenutzte Kapazitäten in Unternehmen zu identifizieren und sie gemeinwohlorientiert zu nutzen. Abgesehen von der guten Tat, trage eine solche Gemeinwohl-Orientierung zudem zur Attraktivität eines Unternehmens bei. Ein Pluspunkt angesichts des zunehmenden Fachkräftemangels, glaubt Weber.
Die Pandemie hat uns viele Herausforderungen beschert – aber auch zu einer Vielzahl kreativer Lösungsansätze geführt, die das Potential haben, über die Krise hinaus zu wirken. Präsentiert werden sie im Playbook „Urban Creativity Now“, der Urban Change Academy. Die Weiterbildungsplattform rund um Zukunftsfragen der Stadtentwicklung ist eine Initiative von Urbanista, Futur A und der Strategieberatung It's the Glue. Herausgekommen ist eine Sammlung von Impulsen, Beobachtungen und Perspektiven mit konkreten Handlungsoptionen. Das Playbook steht kostenfrei auf Deutsch und Englisch zum Download bereit und entstand mit Mitteln aus dem European Capital of Innovation Award 2018 im Rahmen der Hamburger Bewerbung unter dem Dach von Future Hamburg.
Neue solidarische Hilfsangebote
Vielfalt als Wirtschaftsfaktor
Als weiteren Hamburger „Best Case“ nennt Weber das Emergency Lab des Cross Innovation Hub der Kreativgesellschaft, das in der Krise akut existenzbedrohte Unternehmen mit Kreativen zusammenbrachte, damit sie gemeinsam innovative Ansätze entwickeln. „Innovationen brauchen Interdisziplinarität, denn neue Netzwerke und Formate ermöglichen neue Arbeitsformen und Kreativität“, so der Innovationsexperte. Im Playbook fänden sich eine Vielzahl weiterer motivierender Beispiele, so Weber – etwa eine gemeinsame digitale Liefer-Plattform für lokale Läden oder ein mobiler Rollschuhverleih, der Bewegung, Musik und Netzwerken zusammenbringt. Die mehr als 30 Best Cases sollen Lust aufs Experimentieren machen und die Vielfalt der Stadt voranbringen. „In den Beobachtungen, die wir zusammengetragen haben, hat sich u.a. die These ‚Ohne Vielfalt verliert das Stadtleben seine Bedeutung‘ herauskristallisiert.“ Denn gerade der Mix unterschiedlicher Geschäfte sowie gastronomischer und kultureller Einrichtungen, mache die Attraktivität einer Stadt aus – für ihre Bewohner, Touristen und Fachkräfte. „Vielfalt inspiriert“, so Weber. „Menschen, die durch eine inspirierende Stadt wandern, tragen diese Inspirationen in ihr Unternehmen.“ So werde Vielfalt letztlich zu einem Wirtschaftsfaktor.
Ökonomie der Großzügigkeit
Im Playbook kommen elf internationale Expert*innen aus verschiedenen Fachrichtungen zu Wort. Darunter Amelie Deuflhard, Intendantin und künstlerische Leiterin der Kulturfabrik Kampnagel, Alexander Bechtel, der in der Strategieabteilung der Deutschen Bank für das Thema Blockchain und Digitale Währungen zuständig ist, oder Kirsten Pfaue. „Gerade im Interview mit der Koordinatorin der Mobilitätswende in Hamburg klingt ein Plädoyer für mehr Mut zum Ausprobieren und dem Überwinden starrer Strukturen an, was wiederum zu mehr Kreativität führen kann,“ findet Weber.
Und er hofft, dass Jenny Grettve gehört wird. Die Architektin, Autorin, Künstlerin und Designerin aus Malmö plädiert für eine Ökonomie der Großzügigkeit, die mehr gibt, als sie zurückerwartet. „Ein solcher Ansatz schafft ein Hamburg, das vielfältiger, großzügiger und freundlicher ist.“ Die Bereitschaft ist da, ist Weber überzeugt.
ys/kk