Hamburg News: Worin besteht diese Überlegenheit – was sind die grundlegenden Vorteile beim 3D-Druck?
Frank Beckmann: Als erster großer Vorteil ist die enorme geometrische Gestaltungsfreiheit zu nennen, die durch additive Fertigung realisiert werden kann. Der schichtweise Aufbau von Bauteilen ermöglicht die Herstellung komplexer Geometrien, wie zum Beispiel von Gitterstrukturen oder bionischen Strukturen, die mit klassischen Fertigungsverfahren nicht oder nur mit sehr großem Aufwand umsetzbar sind. Das Fraunhofer IAPT nutzt diesen Vorteil, um beispielsweise Verbindungsstrukturen für die Luftfahrt, sogenannte Brackets, oder eine Radaufhängung mit integriertem Bremssattel für den Automobilhersteller Fiat Chrysler Automobiles (FCA), mittlerweile „Stellantis“, neu zu designen und zu drucken. Dabei wurden jeweils rund 40 % Bauteilgewicht unter Verwendung der Gestaltungsfreiheit des 3D-Drucks gespart: Denn um derartige hocheffiziente Designs umzusetzen, weisen die Bauteile nur dort Material auf, wo es für die Lastübertragung notwendig ist.
Hamburg News: Aktuell zeigen sich zudem Vorteile, wie Flexibilität und kleinteilige Produktion. Welche Rolle spielt der 3D-Druck während der Pandemie?
Frank Beckmann: Ein zweiter wichtiger Vorteil ist, dass die Konstruktion direkt aus dem CAD-Datensatz gedruckt werden kann, ohne die im konventionellen Bereich sonst notwendigen Guss- oder Schmiedewerkzeuge bzw. CNC-Programmierung für das Fräsen. Somit ist es möglich, sehr flexibel und auch bereits bei kleinen Stückzahlen wirtschaftlich Bauteile herzustellen, sodass Lieferketten enorm verkürzt werden können. Dieser Vorteil hat sich insbesondere während der Corona-Krise manifestiert: Am Fraunhofer IAPT haben wir innerhalb kürzester Zeit fehlende Adapter für Beatmungsgeräte sowie Halter für Face-Shields gedruckt und konnten so schnelle und unbürokratische Hilfe in Deutschland und auch im besonders betroffenen Italien leisten.
Weiterhin haben wir zwei mobile, containerbasierte Fertigungseinheiten entwickelt, die sowohl Kunststoff als auch Metall additiv verarbeiten und so vor Ort im Krisengebiet medizinische Produkte oder bei Unternehmen mit unterbrochenen Lieferketten bedarfsgerecht fehlende Bauteile gedruckt werden können. Der 3D-Druck trägt daher mit seiner flexiblen Bauteilherstellung zur Krisenbewältigung und zur Resilienzsteigerung von Lieferketten bei.