Die Synergeticon GmbH hat sich auf Digitalisierungs- und Automatisierungslösungen im Industriekontext spezialisiert. Das 2015 gegründete Unternehmen ist im Zentrum für Angewandte Luftfahrtforschung (ZAL) in Hamburg angesiedelt – und hat ein KI-Bildererkennungssystem entwickelt, das eigentlich in der Flugzeugproduktion zum Einsatz kommt. Doch außergewöhnliche Zeiten erfordern neues Denken. Im Gespräch mit den Hamburg News berichtet Synergeticon-Geschäftsführer David Küstner, wie das Unternehmen mithilfe von künstlicher Intelligenz die Infektionsgefahr minimieren und so den Kampf gegen das Corona-Virus vorantreiben will.
Hamburg News: Welches Geschäftsmodell verfolgt Synergeticon?
David Küstner: Ursprünglich sind wir in der Luftfahrt als Partner für sogenannte Cutting-Edge-Technologien bekannt. Für die Flugzeugfertigung haben wir zum Beispiel ein KI-betriebenes Bilderkennungssystem entwickelt, das Objekte detektiert und endsprechende Events auslöst. So wird beispielsweise überprüft, ob ein Seitenleitwerk (die „Heckflosse“ eines Flugzeugs, Anm. d. Redaktion) montiert wurde. Dieses ‚Echtzeitbild‘ ebnet den Weg für eine präskriptive Produktionsplanung, also eine auf Handlungsempfehlungen basierende Fertigung. Unsere KI-Technologien sollen den Menschen unterstützen – und nicht ersetzen. In diesem Fall es zudem wichtig, dass Datensätze hinsichtlich persönlicher Informationen anonymisiert werden, um Persönlichkeitsrechte zu wahren.
Hamburg News: Wie kann das KI-System den Kampf gegen Corona unterstützen?
Küstner: Wir haben unsere Lösung weiterentwickelt: Die anonymisierte, datenschutzkonforme KI-Bilderkennung soll zur Einhaltung von sicheren Betriebskonzepten in Gebäuden beitragen. Dadurch ist es möglich zu erkennen, ob Masken korrekt getragen werden, und ob jemand eine erhöhte Körpertemperatur aufweist. Sollte eine Auffälligkeit bestehen, wird die Information an entsprechendes Personal weitergeleitet. Unser KI-System besteht aus Kameras, einer Rechner- und Bedieneinheit sowie einem Anzeigemonitor. Es wird am Einsatzort aufgebaut und ist direkt einsatzbereit.
Dabei legen wir großen Wert auf eine datenschutzkonforme Umsetzung, denn die Personen werden mithilfe unserer KI anonymisiert. Hier verschwinden wie von Geisterhand Personen aus dem Kamerabild. Darüber hinaus werden die Daten weder gespeichert noch weitergeleitet.
Hamburg News: Gibt es bereits konkrete Anwendungsbeispiele?
Küstner: Das System eignet sich vor allem für Eingangsbereiche von größeren Gebäuden, in denen sich viele Menschen aufhalten. Dazu gehören beispielsweise medizinische Einrichtungen, aber auch Seniorenresidenzen, da dort aktuell gesonderte Zutrittsberechtigungen gelten und der Datenschutz einzuhalten ist. Unser System kann dabei helfen, die Infektionsgefahr zu minimieren. Wir planen derzeit ein Einsatzszenario mit einer Rehabilitationsklinik. Hierbei wollen wir von wertvollen medizinischen Hinweisen profitieren, die wiederum in die Verbesserung unseres Systems fließen sollen.
Mit Blick auf die Luftfahrt ist der Einsatz am Flughafen besonders sinnvoll: Beim Check der Bordkarte, also noch vor der Sicherheitskontrolle, die den sicheren vom öffentlichen Bereich trennt, könnten zeitgleich der korrekte Sitz der Maske sowie die Körpertemperatur überprüft werden. Bei einer Auffälligkeit kann das Personal reagieren und ins Gespräch gehen. So können Mensch und Maschinen Hand in Hand zusammenarbeiten und ein Sicherheitsgefühl vermitteln, bevor der Passagier ins Flugzeug steigt. Es wäre auch denkbar, dass das System zusätzlich in der Flugzeugkabine zum Einsatz kommt.
sb/kk
Das Interview führte Sarah Bischoff