Die rechtlichen Grundlagen dafür wurden zunächst 2018, durch den Wegfall des Fernbehandlungsverbots, und am 19. Dezember 2019 geschaffen. Da trat das „Gesetz für eine bessere Versorgung durch Digitalisierung und Innovation“, kurz: Digitale-Versorgung-Gesetz – DVG, in Kraft. „Patientinnen und Patienten sollen möglichst schnell von innovativen Versorgungsansätzen profitieren. Darum verlängern wir den Innovationsfonds um fünf Jahre mit 200 Millionen Euro jährlich. Und wir sorgen dafür, dass erfolgreiche Ansätze schnell in die Versorgung kommen“, so Bundesgesundheitsminister Jens Spahn.
Der health innovation hub (hih) des Bundesministeriums für Gesundheit nennt den Virus Covid-19 in seinem ersten Corona-Newsletter ein disruptives Ereignis, das innovative und unkonventionelle Lösungen erfordere. „Dabei können digitale Technologien unterstützen und schützen. Video-Sprechstunden, ChatBots und Apps ermöglichen Datenaustausch und Kommunikation ohne menschliches Zusammentreffen.“
Digitale-Versorgung-Gesetz gestartet
Gut 50% der Bevölkerung an Videosprechstunde interessiert
Das Interesse ist da. So hat das Healthcare-Barometer 2020, eine repräsentative Bevölkerungsbefragung von PwC mit 1.000 Studienteilnehmern, ergeben: Mehr als jeder zweite Bundesbürger kann sich vorstellen eine Videosprechstunde statt eines persönlichen Besuchs in der Praxis in Anspruch zu nehmen. Die Studie stammt von Februar dieses Jahres. Durch die Angst vor Ansteckung während der Hochzeit der Corona-Pandemie stieg der Bedarf nach Ferndiagnosen nochmals deutlich an und das Hamburger Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf (UKE) reagierte mit einer Ausweitung seines telemedizinischen Angebots.
Corona-Pandemie triggert Telemedizin
Im April startete eine Pilotphase im UKE-Ambulanzzentrum. Über gesicherte Netzwerke können Ärzte und Therapeuten ambulante Therapien per Video durchführen, etwa in den Fachbereichen Infektiologie, Rheumatologie, Flüchtlingsambulanz oder Psychotherapie. „Wir möchten unseren Patientinnen und Patienten des Ambulanzzentrums auch während der Corona-Pandemie eine bestmögliche Versorgung anbieten, dabei jedoch gleichzeitig die physischen Kontakte reduzieren“, erklärt Tillmann Halbuer, Kaufmännischer Geschäftsführer des UKE-Ambulanzzentrums.
Breites medizinisches Angebot per Video
Auch immer mehr Hamburger Arztpraxen bieten Videosprechstunden an, so dass es den Service inzwischen für eine Vielzahl verschiedener medizinischer Fachbereiche gibt: Von der Arztpraxis am Michel, die klassische hausärztliche Leistungen anbietet, über die HNO-Praxis an der Oper, bis zur Praxis für Rheumatologie und klinische Immunologie im Struenseehaus, dem Zentrum für Gefäßmedizin Hamburg oder dem Medizinischen Versorgungszentrum amedes, das unter anderem auf Kinderwunsch spezialisiert ist. Interessierte müssen dabei in der Regel keine besondere Technik vorhalten. Ein Computer, Tablet oder Smartphone mit Kamera, Mikrofon und Lautsprecher sowie eine verlässliche Internetverbindung sind ausreichend.
Kry und Zava: Online-Arztpraxen auf dem Vormarsch
Doch auch reine Online-Arztpraxen wie Kry und Zava expandieren zunehmend nach Deutschland. Das schwedische Telemedizin-Startup Kry ist 2014 in Schweden gestartet und kooperiert mit lokalen Ärzten und Apotheken. Über 1.8 Millionen Patienten wurden nach eigener Angabe auf diese Weise bereits behandelt. Seit Ende 2019 ist die Plattform auch in Deutschland verfügbar. Zava – inspiriert vom französischen „Ça va, wie geht’s?” – wurde 2011 von dem Hamburger Juristen David Meinertz und dem Briten Amit Khutti gegründet, damals noch unter dem Namen DrEd. Der digitale Arztbesuch umfasst rund 35 Beschwerdebilder, vom grippalen Infekt über Kopfschmerzen oder Schlafproblemen bis zu Magen-Darm-Erkrankungen. Nicht aus der Ferne behandelbare Patienten verweist Zava an einen Arzt vor Ort. Denn für alle digitalen Angebote gilt: Der persönliche Arztbesuch soll nicht ersetzt werden, sondern eine Ergänzung und Entlastung des Gesundheitssystems darstellen.
ys/kk