Hamburg News: Sie arbeiten nun seit zehn Jahren als Vorständin in Teilzeit. Wie gestalten Sie das?
Katy Roewer: Die ersten fünf Jahre nach der Geburt meines Sohnes habe ich auf eine Vier-Tage-Woche gesetzt. Montags hatte ich immer frei. Seit mein Sohn in der Schule ist, habe ich zwei freie Nachmittage – montags und freitags. Dieser Teilzeitansatz gibt mir die organisatorische Freiheit, die Zeit für meine Familie sinnvoll zu nutzen. So kann ich an den freien Nachmittagen tatsächlich Zeit mit meinem Sohn verbringen und nicht nur gebündelt am Wochenende. Denn ich weiß, wie ich arbeite. Wenn ich 100 Prozent arbeite, dann arbeite ich mehr als 100 Prozent. Und jetzt arbeite ich mehr als 80 Prozent. Deshalb brauche ich organisatorische Rahmendaten, die mir ein bisschen Struktur geben. Nämlich, um genau das zu machen, Beruf und Privatleben unter einen Hut zu bringen. Gemeinsam mit meinem Mann natürlich.
Hamburg News: Was sind Ihre größten Learnings dabei?
Roewer: Es ist wichtig, dass man das Modell für sich durchdacht hat. Ich könnte natürlich wieder auf einen 100-Prozent-Vertrag gehen. Das würde es sicher für meine Kolleg:innen einfacher machen, nur nicht für mich. Ich habe aber keinen Nine-to-five-Job und dann hätte ich wesentlich mehr Diskussionen, um mir die Freiräume, die ich für meine familiäre Situation brauche, zu schaffen. Darüber hinaus spielt das Umfeld eine entscheidende Rolle – ob beruflich oder privat. Das Umfeld muss solch einen Teilzeitansatz mittragen wollen.
Als ich damals in den Bereichsvorstand gewechselt bin, war Alexander Birken, der aktuelle Aufsichtsratsvorsitzende der Otto Group, mein Vorgesetzter. Ich habe ihm gesagt, dass ich es gern mit dem 80-Prozent-Modell probieren möchte. Ich wusste, dass das klappen kann, und ich war und bin bereit, einen Preis dafür zu zahlen. Aber das ist meine persönliche Entscheidung. Genauso, wie es die Entscheidung des Arbeitgebers ist, sich auf solch ein Modell einzulassen. Das war für mich das Wichtigste: Dass ich das gleich zu Beginn geklärt habe, weil es beiden Seiten Planungssicherheit gegeben hat. Dann kommt noch der organisatorische und der erklärende Aufwand in den Teams dazu; es gilt auch die Woche entsprechend zu strukturieren. Dabei hilft mir meine Assistentin, die mich auch daran erinnert, wenn ich zu viel in meine freien Nachmittage hineinarbeite.
Hamburg News: Und welche Rolle spielt das familiäre Umfeld?
Roewer: Auch das familiäre Umfeld ist entscheidend, da es das gewählte Modell mittragen muss. Wenn man weiß, was einem wichtig ist in der persönlichen Lebenssituation, dann kann diese Teilzeitlösung sehr gut funktionieren. Speziell für Mütter gilt, – und das ist mir ein Herzensthema –, dass Familie und Haushalt nicht nur in der Verantwortung der Frau liegen. Wenn wir über Gleichberechtigung sprechen, dann muss sich diese auch in der Partnerschaft und dem gewählten Familienmodell wiederfinden. Ich war da eher nüchtern am Anfang und vielleicht wenig romantisch – und habe das direkt geklärt. Das war wichtig, damit wir heute als Familie funktionieren, mit allen Höhen und Tiefen. Außerdem braucht man als Frau und Mutter, insbesondere mit kleinen Kindern, ein dickes Fell – vor allem, um den gesellschaftlichen Vorurteilen und den Reaktionen zu begegnen und diese auszuhalten. Und man muss sich immer wieder klarmachen, dass es keinen Grund gibt, ein schlechtes Gewissen zu haben. Ich habe zum Beispiel nach der Geburt meines Kindes sehr zeitnah wieder angefangen zu arbeiten.
Darüber hinaus habe ich gelernt, dass Führung in Teilzeit nur funktioniert, wenn ich meinen Mitarbeiter:innen bedingungslos vertraue. Wenn ich permanent das Gefühl hätte, ich müsse alles im Job kontrollieren, dann funktioniert solch ein Modell nicht.