„Zwischennutzungen sind weit mehr als eine Übergangslösung – sie können langfristig Städte verändern, neue Impulse setzen und kreative Ökosysteme schaffen“, betont Egbert Rühl, Geschäftsführer der Hamburg Kreativ Gesellschaft. „Sie dienen als Türöffner für neue Zielgruppen, zur Erprobung neuer Nutzungen sowie zur Adressbildung.“ Wie dies erfolgreich funktionieren kann, zeige die Zwischenbilanz nach gut drei Jahren: Von Altona bis Bergedorf wurden rund 90 Flächen temporär genutzt. Das entspricht mehr als 125 Zwischennutzungen auf über 28.000 Quadratmetern.
It’s a match! Während Leerstände in Innenstadtlagen zur zunehmenden Herausforderung für die Immobilienwirtschaft werden, sind Kreative auf der Suche nach Räumlichkeiten. Eine Antwort darauf liefert das Programm Frei_Fläche. Seit 2021 vernetzt die Hamburg Kreativ Gesellschaft Immobilieneigentümer:innen mit Kreativen. So werden leerstehende Flächen zu temporären Pop-up-Stores, Ateliers, Werksstätten oder Ausstellungsorten. Damit soll die kreativwirtschaftliche Zwischennutzung einerseits die Transformation zu einer vielfältigen und lebendigen (Innen-)Stadt vorantreiben, andererseits können so Impulse für die Folgenutzung von Bestandsgebäuden gewonnen werden. In einer Publikation fasst die Hamburg Kreativ Gesellschaft nun die Erfahrungen rund um das mehrjährige Programm zusammen.
Kreative Zwischennutzung als Türöffner
So funktioniert das Programm Frei_Fläche
Das Programm Frei_Fläche wurde 2021 von der Freien und Hansestadt Hamburg zur Bewältigung der Coronakrise ins Leben gerufen und war zunächst bis Ende 2022 befristet. Nachdem das Förderprogramm drei Mal verlängert wurde, endet es zum 30. Juni 2025. Es wird von der Hamburg Kreativ Gesellschaft umgesetzt. Sie vermittelt leerstehende Einzelhandelsflächen für 1,50 Euro/Quadratmeter temporär an Hamburger Kreativschaffende. Die Vermieter:innen der Flächen erhalten während der Laufzeit die Betriebs- und Nebenkosten in Form einer plausibilisierten Pauschale erstattet, eine Miete wird nicht gezahlt.

Katja Wolframm von der Hamburg Kreativ Gesellschaft im Gespräch
Mit mehr als 60 Mitarbeiter:innen gilt die Hamburg Kreativ Gesellschaft als größte städtische Kreativwirtschaftsförderung in Deutschland. Dr. Katja Wolframm leitet den Bereich Immobilien & Stadtentwicklung und begleitet das Programm Frei_Fläche von Beginn an. Ein Beispiel für eine Zwischennutzung ist das Jupiter mitten in der City. Im Future Hamburg Talk verrät sie, was es damit auf sich hat.
Wir wollten außerdem wissen: Mehr als drei Jahre Frei_Fläche – Welche Herausforderungen und Learnings gibt es? Und was brauchen Kreativschaffende in Hamburg?
Hamburg News: Inwiefern können Zwischennutzungen Impulse für die Transformation urbaner Räume geben?
Katja: Das Programm Frei_Fläche zeigt, dass Kreative einen Anstoß setzen und signalisieren können, was so ein Ort eigentlich kann. Das sind wichtige Infos – einerseits für die Stadt, andererseits für die oder den Eigentümer:in. Es ist gut zu wissen: ‚Aha, das kann die Adresse und, das geht überhaupt noch mit dem Bestandgebäude.‘
Hamburg News: Welche Erfolge und Learnings gibt es nach rund drei Jahren Frei_Fläche?
Katja: Bisher war es so, dass die Innenstadt für eine bestimmte Gruppe von Kreativschaffenden nicht als Arbeitsraum erschließbar war. Das lag vor allem am Preissegment. Ging es um Raumanfragen, ging es eigentlich nie um die Innenstadt. Doch jetzt haben die Kreativen sie auf dem Radar. Das ist jetzt langsam auch Immobilienentwickler:innen klar geworden: ‚Aha, wenn ich diese Gruppe oder bestimmte Unternehmen haben will, dann muss ich auch in meinen Preisstrukturen mischen‘, also: Nutzungsmix durch Preismix. Dass sich Denkweisen stärker verzahnt haben und Erfahrungen miteinander gesammelt wurden – ich denke, das ist der große Erfolg dieses Programms.

Hamburg News: Was brauchen Kreative in Hamburg?
Katja: Wir brauchen größere Areale. Die Nachfrage nach Flächen, zum Beispiel im Oberhafenquartier, ist immens. Dabei punkten Quartiere wie dieses durch die räumliche Nähe. Das sind eine Art kleine Cluster, die Synergien und eine starke Atmosphäre schaffen, die kreative Menschen brauchen. Kreativität funktioniert besser in einem bestimmten atmosphärischen Umfeld. Deshalb sind für eine vielfältige Stadt diese langfristigen Orte und kreativen Areale so wichtig. Wenn also die Stadt entscheidet, dass die Bestandsgebäude im Oberhafen stehen bleiben und diese von Kreativen genutzt werden sollen, dann kommt automatisch auf der anderen Seite des Kanals immer mehr kreativwirtschaftliche Nutzung hinzu, weil die räumliche Nähe gesucht wird. Ein weiteres Beispiel für solch ein Cluster ist das Hochwasserbassin in Hamburg-Hammerbrook.
Hamburg News: Kreative Zwischennutzung in Hamburg – Wie geht es weiter?
Katja: Frei_Fläche endet zwar am 30. Juni 2025 – aber die Wirkung des Programms reicht weit darüber hinaus. Es hat Kreativen den Zugang zu zentralen Lagen ermöglicht und uns zugleich den Weg zu wichtigen Partner:innen in der Innenstadt geebnet, insbesondere zu Eigentümer:innen von Einzelhandelsflächen. Diese Netzwerke tragen inzwischen konkrete Früchte: Mit Projekten wie dem Satellit, unserem Pop-up-Space im Baucontainer des Klöpperhauses, oder dem Fabric – Future Fashion Lab in der Galeria Passage, setzen wir die Idee kreativer Zwischennutzung fort – sichtbar, innovativ und mitten in der Stadt.
Das Fabric bietet in zentraler Lage beispielsweise einen Raum für nachhaltige Mode und urbane Produktion. Mit Coworking-Plätzen, moderner, gläserner Werkstatt, Showroom, Pop-up-Shop und Café ist es zugleich Begegnungsort und Experimentierfläche für neue Geschäftsmodelle in der Hamburger Modedesignwirtschaft. Digitale Technologien wie 3D-Druck, Lasercutting oder Augmented Reality werden hier in der Werkstatt erprobt – mit dem Ziel, einzelne Produktionsschritte zurück in die Stadt zu holen und Alternativen zur globalen Massenfertigung aufzuzeigen.
Für die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen realisieren wir zudem aktuell die Pilotprojekte des Förderprogramms „Ideen finden Stadt“ und bringen auch hier unsere Erfahrungen aktiv in die Revitalisierung der Innenstadt ein. Auch wenn Frei_Fläche endet, bleibt die Wirkung spürbar: Es hat die Kreativwirtschaft und die Kreativ Gesellschaft zu sichtbaren Akteuren der Innenstadt gemacht.
Das Interview führte Sarah Bischoff
sb/kk
Quellen und weitere Informationen
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