Forschung

Deutsches Maritimes Zentrum: Thinktank und vier Handlungsfelder

10. Juni 2021
Autonome Systeme, alternative Kraftstoffe, der Einsatz von Wasserstoff - das Deutsche Maritime Zentrum bringt Zukunftsthemen voran

Die mehr als 830-jährige Geschichte des Hamburger Hafens ist zwar kein Garant für eine erfolgreiche Zukunft, aber eine solide Basis. An der Zukunftsfähigkeit nicht nur von Deutschlands größtem Seehafen, sondern der gesamten deutschen maritimen Branche, arbeitet das Deutsche Maritime Zentrum (DMZ) auf dem Gelände der Traditionswerft Blohm + Voss auf Steinwerder. „Wir sind ein unabhängiger, öffentlich finanzierter und interdisziplinär arbeitender Thinktank mit Fokus auf vier Handlungsfelder: Wettbewerbsfähigkeit, Innovation, Nachhaltigkeit und Klimawandel sowie die kommenden Generationen für die maritime Branche zu begeistern“, erklärt Geschäftsführer Claus Brandt. Das DMZ versteht sich dabei als Bindeglied zwischen den maritimen Akteuren vorwiegend im Inland und im europäischen Kontext, aber auch darüber hinaus. „Aktuell beschäftigt uns besonders die Frage nach alternativen Kraftstoffen, aber auch das Thema autonome Systeme ist in Planung. Dabei werden auch Aspekte wie Regularien und Verordnungen eine Rolle spielen, denn für dieses Zukunftsfeld müssen die Regeln erst noch ausgehandelt werden“, so Brandt.

Internationale Ausrichtung gerade jetzt entscheidend

„Unser Ziel ist es, den großen Umbruch in der Schifffahrt mitzugestalten. Und da Schifffahrt ein globales Geschäft ist, müssen wir versuchen, die weltweiten Regularien mitzugestalten“, fährt Brandt fort. Das DMZ pflegt deshalb engen Kontakt zu nahezu allen Vertretern des deutschen Flaggenstaats bei der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation (IMO), einer Sonderorganisation der Vereinten Nationen mit Sitz in London.

Hier werden die international gültigen Regeln der Seeschifffahrt sowie Richtlinien zum Bau von Schiffen definiert, die auch Aspekte wie Sicherheit, Umwelt oder Besatzung umfassen. Die internationale Ausrichtung sei gerade jetzt besonders wichtig. „Asien gewinnt in internationalen Gremien an Gewicht. Entsprechend müssen wir unsere eigene Position im internationalen Wettbewerb stärken,“ betont Brandt.

V.l.n.r.: Claus Brandt, Katja Leuteritz, Ralf Plump

Maritime Branche im Umbruch

Eine starke Position im internationalen maritimen Wettbewerb ist für Deutschlands Wirtschaft von großer Bedeutung. „Schätzungen gehen von einem jährlichen Umsatzvolumen von bis zu 50 Milliarden Euro und von bis zu 400.000 Arbeitsplätzen aus, die direkt oder indirekt von der maritimen Wirtschaft abhängig sind. Sie gehört damit zu einem der wichtigsten Wirtschaftszweige in Deutschland“, heißt es von Seiten des Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Und das Ministerium stellt fest: Die Branche befindet sich in einem Transformationsprozess aufgrund wachsender Umwelt- und Klimaanforderungen. Auch deshalb liegt ein Fokus des DMZ aktuell besonders auf der Analyse alternativer, regenerativ erzeugter Kraftstoffe. Eine Studie soll einen möglichst umfassenden Überblick bieten.  

Umstieg auf regenerative Kraftstoffe in den nächsten 10 Jahren

„Es geht um Fragen wie: Welche regenerativen Kraftstoffe gibt es und zu welchem CO2-Footprint führen sie? Wo auf den Hauptschifffahrtsrouten werden welche Arten von Brennstoff zu welchen Preisen verfügbar sein? Und: Schiffe können mehrere Jahrzehnte alt werden. Wir schauen also, welche Schiffstypen lassen sich gefahrlos umrüsten, aber natürlich auch: Wie bauen wir in Zukunft?“, erläutert Ralf Plump, Referent für Schiffs- und Meerestechnik beim DMZ. Die bisherigen Planungen sahen Klimaneutralität in der EU bis 2050 vor. Nachdem das Bundesverfassungsgericht jüngst das Klimagesetz von 2019 als unzureichend gerügt hatte, wird nun als neues Ziel 2045 ausgerufen.

Die internationale Schifffahrt hat über die IMO bisher noch ein Reduktionsziel von „nur“ 50% bis 2050 ausgerufen, doch Plump betont: „Der Druck auf die Schifffahrt, schneller Klimaneutralität über regenerative Kraftstoffe zu realisieren und auf die Häfen, das Betanken mit diesen Kraftstoffen zu ermöglichen, wird somit stärker“. Was die Frage aufwirft: Wie schnell wäre der Umstieg auf alternative Kraftstoffe überhaupt möglich? „Das kann relativ schnell gehen, ein Umstieg innerhalb der nächsten 10 Jahre wäre realistisch“, so Plump. „Vorausgesetzt, eine Betankungsinfrastruktur steht und die Kraftstoffe stehen zu Preisen zur Verfügung, die eine wettbewerbsfähige Schifffahrt weiterhin ermöglichen.“

Wasserstoff als alternativer Kraftstoff in der Schifffahrt

Aber es wird nicht den einen alternativen Kraftstoff geben, ist Plump überzeugt. „Die Zukunft liegt in der Diversifikation.“ Beispiel Wasserstoff. Dem Gas wird großes Potential als alternativer Kraftstoff der Zukunft beigemessen. Für die Nutzung als Schiffskraftstoff sind Lagerung und Transport in ausreichend großen Mengen wesentliche Faktoren. „Bei einem Tanker, dessen Deck weitgehend frei ist, können hier große Tanks installiert werden. Bei Containerschiffen hingegen kosten die Tanks wertvollen Laderaum“, so Plump.

Wasserstoff: Was geht? Wo wollen wir hin?

Auch zum Thema Rolle der maritimen Wirtschaft bei der Etablierung einer deutschen Wasserstoffwirtschaft hat das DMZ eine Studie in Auftrag gegeben. Federführend ist dabei Katja Leuteritz, Referentin für Häfen und Infrastruktur beim DMZ. „Es gibt verschiedene Wasserstoff-Strategien, die wir betrachten wollen: eine europäische, eine nationale – also deutsche – und eine norddeutsche. Wir wollen herausfinden: Wie greifen diese Strategien ineinander und welche Rolle spielt die maritime Branche dabei?“, erklärt Leuteritz. Zudem werde die gesamte Wasserstoff-Prozesskette im Zusammenspiel mit der maritimen Logistik betrachtet. „Nehmen wir grünen Wasserstoff, der mit Offshore-Windenergie produziert wird: Wie kommt der Wasserstoff an Land - über eine Pipeline oder per Tanker? Wenn er in einen Hafen transportiert wird, wie wird er dort umgeschlagen, gelagert oder weiterverarbeitet? Und schließlich schauen wir uns die Nutzer an, etwa die ortsansässige Industrie und Logistik.“

Blick auf Köhlbrandbrücke Hamburger Hafen

Hamburg auf Wasserstoff-Kurs

Auch die notwendigen Regularien zur Erzeugung, zur Nutzung und zum Transport von grünem Wasserstoff beschäftigen Leuteritz. „Es geht um die Frage, welche Mengen können in Deutschland produziert, wie viel muss importiert werden? Das wiederum führt zur Frage: Woher? Wie steht es mit dem Status Quo von grünem Wasserstoff in den jeweiligen Erzeugerländern?“ Damit sind wir wieder bei der internationalen Orientierung des DMZ. Die Bereitstellung umfassender Informationen zum aktuellen Forschungsstand in Sachen Wasserstoff, dürfte jedoch gerade auch in Hamburg auf großes Interesse stoßen. Im April haben sich zwölf Unternehmen zum Wasserstoffverbund Hamburg zusammengeschlossen und planen, neun Wasserstoff-Projekte im Hamburger Hafen zu initiieren. Kürzlich wurde entschieden, dass Hamburger grüne Wasserstoffprojekte  im Rahmen des sogenannten Wasserstoff-IPCEI (Important Projects of Common European Interest) mit einer halben Milliarde Euro staatlich gefördert werden sollen.
ys/kk

Quellen und weitere Informationen

Das Deutsche Maritime Zentrum e.V. (DMZ) gegründet Ende 2017, befindet sich noch im Aufbau. Das BMVI stellte im ersten Jahr 3 Millionen, aktuell 4 Millionen und in den kommenden beiden Jahren je 5 Millionen Euro zur Verfügung. 2024 soll der Aufbau abgeschlossen und das DMZ in seine Wirkphase eintreten. Das DMZ-Team besteht aktuell aus 16 Mitarbeitern und soll bis Ende des Jahres auf 25 Mitarbeiter wachsen.

Das DMZ unterstützt die maritimen Akteure mit Informationen und Untersuchungen zu relevanten Markt-, Technologie-, Rechts- und Politikentwicklungen. Mitglieder sind der Bund (vertreten durch das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur/BMVI), die fünf norddeutschen Bundesländer sowie alle großen maritimen Verbände.

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