Wer vor der Pandemie gut dastand, Strukturen erlernt hat und sich in seiner Familie wohl und gut aufgehoben fühlt, werde auch gut durch die Pandemie kommen, ist Prof. Dr. Ulrike Ravens-Sieberer, Leiterin der COPSY-Studie und Forschungsdirektorin der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychotherapie und -psychosomatik des UKE, überzeugt. Deshalb seien vor allem verlässliche Konzepte gefragt, um Kinder aus Risikofamilien unterstützen und ihre seelische Gesundheit zu stärken.
Ein knappes Jahr nach Beginn der Corona-Pandemie leidet fast jedes dritte Kind in Deutschland unter psychischen Auffälligkeiten, darunter Niedergeschlagenheit oder Bauchschmerzen. Betroffen seien vor allem Kinder aus sozial schwächeren Verhältnissen oder mit Migrationshintergrund. Zu diesem Ergebnis kommt die sogenannte COPSY-Studie (Corona und Psyche) des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE). Im Zuge dessen wurden von Dezember 2020 bis Januar 2021 über 1.000 Kinder und Jugendliche sowie mehr als 1.600 Eltern online befragt. Die Ergebnisse wurden mit denen der ersten Befragungsrunde im Juni 2020 verglichen. Die Studie sei die bundesweit erste und international eine der wenigen Längsschnittstudien ihrer Art, so das UKE. Das sind die weiteren Ergebnisse.
Verlässliche Konzepte gefragt, vor allem für Kinder aus Risikofamilien
Fears and worries grow among children
Four out of five of children and youths surveyed feel burdened down by the pandemic. Their quality of life had also deteriorated further with seven out of ten children reporting a reduced quality of life compared to only three out of seven respodents before the crisis. At the same time, the risk of mental health problems remains high. Fears and worries have increased significantly among children compared to the first survey. They show signs of depression or psychosomatic complaints more frequently.
Mehr Bildschirm-Zeit, weniger Sport
Auch das Gesundheitsverhalten der Kinder und Jugendlichen hat sich laut Studie noch weiter verschlechtert. Demnach verbringen die Kinder noch mehr Zeit vor dem Bildschirm (Smartphone, Tablet, Spielkonsole) und machen deutlich weniger bis überhaupt keinen Sport mehr. Diese Entwicklung sei besonders bedenklich, so die Leiterin der COPSY-Studie: „Neben der für die gesunde Entwicklung so wichtigen Bewegung treffen Kinder und Jugendliche beim Sport auch ihre Freunde, lernen, sich in eine Mannschaft einzuordnen und mit Konflikten, Siegen und Niederlagen umzugehen.“
Homeschooling und Arbeit: Eltern stoßen an ihre Grenzen
Zudem berichten die Kinder und Jugendlichen über mehr Streit in den Familien, vermehrte schulische Probleme und ein schlechteres Verhältnis zu ihren Freunden. Doch auch viele Eltern fühlen sich mittlerweile durch die anhaltende Pandemie belastet und zeigen vermehrt depressive Symptome: „Die Eltern scheinen sich auf die Anforderungen durch das Homeschooling und die Doppelbelastung mit ihrer Arbeit eingestellt zu haben und versuchen, diese bestmöglich zu managen. Sie kommen dabei aber zunehmend an ihre Grenzen“, erklärt Ravens-Sieberer.
Kindeswohlgefährdungen: Dunkelziffer vermutlich gestiegen
Dies gehe mit einer vermutlich höheren Dunkelziffer an Kindeswohlgefährdungen einher. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Forschungsnetzwerks Medizinischer Kinderschutz am UKE. Demnach seien die Fälle von Kindeswohlgefährdungen in deutschen Kinderkliniken und Kinderschutzambulanzen im ersten Lockdown (März/April 2020), im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, um bis zu 20 Prozent zurückgegangen. Die Mitarbeitenden des Forschungsnetzwerks vermuten daher, dass die Dunkelziffer von Misshandlung und Vernachlässigung betroffener Kinder weiter gestiegen sein könnte.
sb/kk
Quellen und weitere Informationen
COPSY-Studie
Für die COPSY-Studie untersuchen die UKE-Forschenden die Auswirkungen und Folgen der Corona-Pandemie auf die seelische Gesundheit und das Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Nach einer ersten Befragung im Mai/Juni 2020, wurden nun in einem zweiten Durchgang (Dezember 2020/Januar 2021) mehr als 1.000 Kinder und Jugendliche sowie über 1.600 Eltern online befragt. Im Mittelpunkt der Untersuchung standen Familien mit Kindern im Alter von 7 bis 17 Jahren.