Hamburg News: Wo lohnt sich für Kopenhagen der Blick nach Hamburg?
Jens-Peter Saul: Hamburg ist das Tor zur Welt. Die Hansestadt hat starke Wirtschaftsbeziehungen in die ganze Welt und ist ein Logistik-Champion. Als offene Stadt schafft es Hamburg, viele globale Unternehmen anzuziehen. Der ideale Weg für dänische Unternehmen nach Deutschland – aber auch in die Welt – führt daher über Hamburg. Nicht umsonst ist Norddeutschland der größte Handelspartner der Dänen. Und in Sachen Nachhaltigkeit und Innovation ist auch Hamburg ein Schwergewicht, also ein idealer Partner für dänische Unternehmen.
Hamburg News: Das diesjährige HCBF-Motto lautet ‚Joining Forces for Green Growth’. Welches ist für Sie das zentrale Kooperationsthema der nächsten Jahre für die beiden Städte?
Jens-Peter Saul: Dänemark und Norddeutschland waren Vorreiter der Windkraft und haben sich dadurch frühzeitig einen Vorsprung im Bereich Nachhaltigkeit gesichert, als andere Regionen der Welt sich noch nicht mal Gedanken über Klimawandel gemacht haben. Als Resultat sind globale Champions in der Region entstanden, die einen erheblichen Beitrag zur regionalen Wirtschaft leisten.
Die jüngsten Klimakatastrophen und der neueste UN-Klimabericht machen nun aber deutlich, dass das nicht reicht, sondern alles noch sehr viel schneller gehen muss. Es müssen sehr große Anstrengungen unternommen werden, um eine Klimakatastrophe zu verhindern. Das wird eine große Herausforderung für beide Städte – aber auch eine Chance. Dazu muss der Ausbau der Wind- und Solarkraft und die Elektrifizierung des Verkehrs und der Wirtschaft weltweit weiter vorangetrieben werden. Ein gutes Beispiel hierfür ist das Verkehrssystem in Kopenhagen, das es sehr leicht macht, auf das Auto zu verzichten: Von den rund 1.400 Mitarbeitern in unsere Konzern-Zentrale kommt fast die Hälfte mit dem Rad. Und ich habe einen elektrischen Dienstwagen, trotzdem bin ich im letzten Jahr überwiegend mit dem Rad zur Arbeit gefahren.
Um unsere Klimaziele zu erreichen, werden wir jedoch auch eine riesige, integrierte Wasserstoff-Wirtschaft brauchen, um die Energieträger Öl und Gas gänzlich zu ersetzen. Vor allem Hamburg steht hier vor einer großen Aufgabe, den Hafen und die Industrien auf Wasserstoff umzustellen. Hamburg plant zwar eigene große Erzeugungskapazitäten, wird aber durch die erwartungsgemäß steigende Nachfrage nach grünem Wasserstoff auf den Import von Wasserstoff (H2) angewiesen sein. Dänemark ist schon sehr fortgeschritten in der Umsetzung der Energiewende und plant nun weitere ambitionierte Projekte. Ein gutes Beispiel hierfür ist die in der Planung befindliche ‚Energieinsel‘ für Offshore-Windkraft, die nach Fertigstellung vermutlich mehr Kapazität hat, als in Dänemark benötigt wird. Durch eine gemeinsame oder verknüpfte Wasserstoff-Wirtschaft könnte einerseits Hamburg die Umstellung beschleunigen, andererseits könnten die dänischen Wind- und Wasserstoffanlagen besser genutzt werden.
Ähnlich wie in den Anfangstagen der Windindustrie haben wir also die Chance, durch eine frühe und groß angelegte Umsetzung der Technologie erneut eine Vorreiterrolle zu übernehmen und globale Champions zu kreieren. Doch dieses Mal haben wir viel weniger Zeit, um unsere eigenen CO2-Ziele zu erreichen. Aber auch weniger Zeit, weil andere Städte bzw. Regionen und Länder das große Potenzial von Wasserstoff erkennen und in den Wettbewerb einsteigen werden. Durch eine Kooperation würden wir also auch schneller werden.
Abgesehen davon haben wir, durch die führende Rolle beider Städte im Bereich Nachhaltigkeit, aus meiner Sicht eine Vorbildfunktion. Wenn Hamburg und Kopenhagen es schaffen, die Klimaziele zu erreichen und gleichzeitig den Wohlstand zu erhalten, werden andere folgen.
Hamburg News: Lieber Herr Saul, wir danken Ihnen für das Gespräch.
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