„Entrepreneurship wird an unserer Hochschule als Querschnittsthema verstanden. Wir versuchen unternehmerisches Handeln erlebbar und erlernbar zu machen“, erklärt Carsten Wille, Leiter des Gründungsservice an der Leuphana Universität Lüneburg. Dabei reicht der Ansatz von Gründungssensibilisierung – bei der es auch um die Persönlichkeit potentieller Gründer*innen geht, um ihre Handlungsüberzeugung und Perspektiven – über die Einbindung in den Lehrplan mit sieben verschiedenen Professuren bis hin zu klassischer Gründungsberatung, die Willes Kerngebiet ist. „Zu uns kommen Studierende, die zwar gründen möchten, aber noch keine konkrete Idee haben. Andere suchen ein Team für ihre Idee und wieder andere sind schon sehr weit in ihrer Gründung und suchen Unterstützung bei ganz spezifischen Fragen.“ Zudem nimmt der Gründerservice eine Lotsenfunktion ein, wenn es um die Auswahl und Bewerbung für spezielle Fördermittel und Finanzierungszuschüsse auf Bundes- oder Länderebene geht oder um den Kontakt zu Venture Capital-Gebern.
Die Folgen der Corona-Pandemie betreffen sämtliche Bereiche des wirtschaftlichen Lebens – auch die Gründungen. Laut dem KfW-Gründungsmonitor ist die Zahl der Gründungen in Deutschland im Jahr 2020 um 11% gesunken. Umso wichtiger ist die frühzeitige Unterstützung von Gründungswilligen an Hochschulen. Der Gründungsradar 2020 des Stifterverbands für die Deutsche Wissenschaft zählt die Leuphana Universität Lüneburg in der Metropolregion in der Kategorie mittlere Hochschulen zu den erfolgreichsten Gründerhochschulen in Deutschland.
Lotsenfunktion bei Finanzierungsfragen während der Gründung
Erfolgreiche Gründungen: Adference, Erason und createF
Die Zahl der Gründungen, denen auf diese Weise der Weg geebnet werden kann, variiere von Jahr zu Jahr, weiß Wille. „Im Jahr 2019 waren es gut 40 Ausgründungen, 2015 sogar mehr als 70, davon zwei Drittel Kapitalgesellschaften.“ Zu den erfolgreich umgesetzten Gründungen gehören etwa Adference, ein AdTech-Anbieter, spezialisiert auf die intelligente Gebotssteuerung von Amazon Advertising und Google Ads oder das Startup Erason, das ein auf künstlicher Intelligenz basierendes Marktforschungs-Tool entwickelt hat und dafür mit der Leuphana Gründungsidee 2018 ausgezeichnet wurde. Aber auch Projekte wie createF - The Female Founders Show werden durch Unterstützung des Gründungsservice realisiert. Leuphana-Alumna Franziska Pohlmann will mit ihrer Startup-Serie speziell Gründerinnen Mut machen und Vorbilder auf den Bildschirm bringen. Dazu begleitet createF 10 visionäre Gründerinnen von der Idee bis zum ersten Investment.
Eigener Lehrstuhl für Gründungsmanagement
Der Gründungs-Service der Leuphana Universität ist eingebunden in den Kooperationsservice, der zentralen Anlaufstelle für Praxispartner und Förderer, die an personen-, projekt- oder gründungsspezifischen Kooperationen interessiert sind. Das ermöglicht eine breite Vernetzung und bietet die Voraussetzung für einen Technologie-Transfer, der durch Aktivitäten wie den Leuphana Gründungsideenwettbewerb oder das jährliche Gründungscamp befördert wird. Und bereits seit 2002 ist das Thema durch den Lehrstuhl für Gründungsmanagement fest in der akademischen Lehre und Forschung verankert. Die interdisziplinäre Ausrichtung des Lehrstuhls umfasst weite Teile der Betriebswirtschaftslehre sowie Nachbardisziplinen wie Recht oder Psychologie.
Fachwissen über junge, wachstumsorientierte und flexible Organisationen
„Aber das ist hier nicht die klassische BWL der Aktiengesellschaften und Konzerne mit vielen Ressourcen, fachlich verengten Spezialabteilungen und bürokratisierten Strukturen“, betont Professor Reinhard Schulte, Inhaber des Lehrstuhls für Gründungsmanagement. „Unternehmensgründungen sind junge, wachstumsorientierte, sich noch entwickelnde, meist kleine und immer sehr flexible Organisationen. Dieses Spielfeld stellt andere Anforderungen an die Absolvent*innen und erfordert andere wissenschaftliche Zugänge“, erläutert der Professor. Mit dem Lehrstuhl werde Selbstständigkeit als Gegenstand von Forschung und Lehre an der Universität über einzelne Projekte und Maßnahmen hinaus verstetigt und nachhaltig betrieben, ist Schulte überzeugt. „So kommt das Thema auch im Pflichtprogramm der akademischen Lehre und in der Forschung an und ist ein wichtiges Signal nach außen: Diese Universität, diese Fakultät hält Gründungen für so wichtig, dass sie dafür eine eigene akademische Einheit bereitstellt.“
ys/kk