So entwickelt etwa Beyond Emotion mit Hilfe von künstlicher Intelligenz Emotions-Erkennungs-Systeme, die pflegenden Angehörigen das Leben erleichtern sollen. „In Deutschland leben 3,1 Millionen pflegebedürftige Menschen in ihren eigenen vier Wänden. 80% davon werden primär durch ihre Angehörigen gepflegt“, weiß Mitgründerin Hanne Butting. Solange jedoch keine 24-Stunden-Rundum-Pflege möglich sei, würden Angehörige in ständiger Sorge leben, ob es ihren Lieben auch gut gehe. Abhilfe biete das Stimmungsbenachrichtigungssystem von Beyond Emotion, einer Ausgründung aus dem Forschungs- und Transferzentrum (FTZ) Smart Systems der Fakultät Technik und Informatik der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg. „Angehörige erhalten ein in Echtzeit erfasstes Feedback zu positiven oder negativen Emotionen der zu pflegenden Person“, erklärt Butting. Die selbstlernende KI erkenne aktuell 17 verschiedene Emotionen – von Angst und Schrecken bis zu Langeweile. Die Ergebnisse der mimik-basierten Emotionserkennung würden per Smartphone-App und auf einen digitalen Bilderrahmen an die Angehörigen übermittelt, die dann umgehend reagieren können. Persönlich oder – noch schneller – per Videotelefonie. „Dadurch wollen wir den alltäglichen Stressfaktor, der durch Unsicherheit über das Befinden der zu pflegenden Person ausgelöst wird, reduzieren“, so Butting.
In den USA wurden im Jahr 2020 rund 12 Milliarden Dollar in Digital-Health-Startups investiert, im Jahr zuvor waren es ‚nur‘ 7.4 Milliarden Dollar. Zudem nimmt die Bedeutung von künstlicher Intelligenz (KI) zu. Eine Prognose von Statista sagt eine Steigerung des globalen Umsatzes mit KI im Gesundheitsbereich von 4,9 Milliarden US-Dollar in 2020 auf rund 45,2 Milliarden US-Dollar im Jahr 2026 voraus. Die Relevanz digitaler Lösungen nimmt also rasant zu. Das sieht auch die Gesundheitswirtschaft Hamburg GmbH (GWHH) so und bot Ende November mit dem Digital Health Pitch 2021 Start-ups, die digitale Lösungen für den Gesundheitsmarkt entwickeln, ein (digitales) Forum.
Beyond Emotion: Emotions-Screening in Echtzeit
DigiRehab: KI-basierte Übungsprogramme für Senioren
Die Pflege älterer Menschen hat auch DigiRehab im Blick. „Unsere Vision ist es, Menschen ein selbstbestimmtes Leben bis ins hohe Alter zu ermöglichen. Dazu wollen wir ihre körperliche und mentale Gesundheit stärken und ihre Lebensqualität erhöhen – durch ein maßgeschneidertes digitales Übungsprogramm“, erklärt Lars Jessen, Country Manager der DigiRehab GmbH. Entwickelt und erprobt wird das Konzept seit vier Jahren in Dänemark. Seit 2019 ist das Unternehmen auch in Norwegen, Österreich und Deutschland (Hamburg) im Einsatz.
„Unsere Studien haben ergeben, dass durch unser Übungsprogramm der Pflegebedarf um 74% reduzieren werden konnte“, so Jessen. Angesichts des zunehmenden Fachkräftemangels in der Pflege ein wichtiges Angebot. Das DigiRehab-Übungskonzept umfasst aktuell rund 2.500 Übungen. Die Trainingspläne werden individuell erstellt und auf Basis regelmäßiger Screenings und mit Hilfe künstlicher Intelligenz laufend angepasst.
Evocal Health GmbH: Die Stimme als Biomarker
„Wenn wir sprechen, ist ein Großteil unseres Körpers involviert“, weiß Philip Mertes, Geschäftsführer der Evocal Health GmbH. Über 100 Muskeln kommen zum Einsatz, darunter das Zwerchfell, das wir zum Ein- und Ausatmen benötigen, im Kehlkopf erzeugen die Stimmlippen den Ton und schließlich variiert die Stimme abhängig von Zunge, Lippen Gesichtsmuskeln. Daraus lassen sich jede Menge Informationen ableiten – auch der Gesundheitszustand eines Menschen, ist Mertes und sein Mitgründer Dirk Simon überzeugt. „So wird die Stimme zum prognostischen und diagnostischen Biomarker.“
Intelligente Analyseprogramme – Evocal setzt auf künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen – identifizieren wiederkehrende Muster, die typisch für bestimmte Krankheiten sind. „Wir analysieren dabei nicht die Semantik, sondern fokussieren uns auf dynamische Sprechparameter, so dass unser Ansatz sich auf ganz verschiedene Sprachen anwenden lässt.“
ys/kk