Künstliche Intelligenz

Diese KI-Innovationen werden bei Beiersdorf vorangetrieben

12. Februar 2025
So setzt Beiersdorf künstliche Intelligenz strategisch ein – Senior Innovation Manager Dirk Ploss im Interview

Beiersdorf gilt als einer der führenden Konzerne in Deutschland. Um seine Position als Vorreiter in der Hautpflegebranche auszubauen, setzt das Unternehmen verstärkt auf KI-Innovationen. Ob Produktentwicklung oder Optimierung interner Prozesse, datengetriebene Technologien spielen dabei eine zentrale Rolle. Im Gespräch mit den Hamburg News erklärt Dirk Ploss, Senior Innovation Manager bei Beiersdorf in Hamburg, wie das Unternehmen künstliche Intelligenz strategisch einsetzt und welche Herausforderungen – von ethischen Fragen bis zur Verlässlichkeit – dabei gemeistert werden müssen.

„KI ist für uns nicht nur ein Beschleuniger, sondern vor allem auch ein Verbesserer.“

Hamburg News: Generative KI wird einerseits als bahnbrechend und andererseits als Hype diskutiert. Wo positionierst du die Technologie in diesem Spannungsfeld?

Dirk Ploss: Beide Perspektiven haben durchaus ihre Berechtigung. Auf der einen Seite ist sie tatsächlich eine der größten Transformationsmaschinen seit Jahrzehnten. Die potenziellen Produktivitäts- und Effiziensteigerungen sind enorm. Auf der anderen Seite wird KI jedoch auch oft einfach als verkaufsförderndes Label missbraucht, von sogenannten Wrapper-Apps (Apps, die KI-Modelle wie Chat GPT, Dall-e & Co. für spezifische Anwendungsfälle bereitstellen, Anm. d. Red.) einmal ganz abgesehen. Dass allein im ersten Halbjahr 2023 mehr als 6.000 neue KI-Tools auf den Markt geschwemmt wurden, ist hier durchaus bezeichnend.

Hamburg News: Vor welchen Herausforderungen steht die Arbeitswelt in diesem Zusammenhang?

Ploss: Verlässlichkeit, Ethik und die sinnvolle Nutzung der eingesparten Zeit. Verlässlichkeit betrifft die Frage, wie stark KI halluziniert, ob sie echte Quellen angibt oder diese erfindet und wie groß der trainingsdatenbedingte Bias ist. Ethik umfasst Aspekte wie Diversity, den Umgang mit personenbezogenen Daten und die Haftung von Plattformen. Und Produktivitätsgewinne sollten nicht primär zur Reduzierung von Arbeitsplätzen genutzt werden, sondern dazu, Arbeit menschlicher und sinnstiftender zu gestalten.

Hamburg News: Du sagtest einmal: „Ich sehe ein Risiko darin, kein Risiko einzugehen.“ Gilt das auch für den Umgang mit KI und welche Risiken siehst du hier?

Ploss: Ja, auf jeden Fall. Jede neue Technologie bietet gleichzeitig Chancen und Risiken. Nur weil Chat GPT am Anfang stark halluziniert hat, sollte ich die Technologie keinesfalls mit ‚funktioniert ja nicht‘ beiseiteschieben. Ganz im Gegenteil, das Risiko, den Anschluss zu verlieren, von seinen Shareholdern abgestraft zu werden und die besten Köpfe zu verlieren, ist deutlich größer, als etwas Zeit und Geld durch nicht voll ausgereifte KI-Ergebnisse zu verlieren. Ich kann nur dafür plädieren, sich der Risiken bewusst zu sein – der technologischen, kommunikativen, rechtlichen und finanziellen Risiken vor allem.

Hamburg News: Seit wann nutzt Beiersdorf KI und welche Ziele verfolgt ihr dabei?

Ploss: Bei Beiersdorf arbeiten wir schon sehr lange mit KI-Modellen und KI-Anwendungen, beispielsweise in der Analytik, Formelentwicklung und Toxikologie. Schon 2019 haben wir einen intelligenten Chatbot auf den Markt gebracht, eine interne Instanz von Chat GPT hatten wir nach nicht einmal einem Jahr nach der Veröffentlichung durch Open AI. Übergeordnetes Ziel dabei ist es, vorhandene Stärken unserer Mitarbeitenden zu amplifizieren. KI ist für uns nicht nur ein Beschleuniger, sondern vor allem auch ein Verbesserer.

Felina Wellner: Ändert sich deine Rolle als Innovationsmanager durch künstliche Intelligenz?

Ploss: Ja, ziemlich stark sogar. Mein Team und ich übernehmen mehr und mehr Lotsenfunktionen, weil sich die Fachbereiche nicht den lieben langen Tag mit jeder neuen KI beschäftigen können. Wir schauen uns um, wir probieren aus, wir prüfen auf potenzielle Chancen und Risiken, wir empfehlen. Zusätzlich verändert sich auch das klassische Innovationsmanagement gerade durch künstliche Intelligenz massiv. Ideenfindung, Ideenbewertung, Recherche, Ideenanreicherung, Prozessoptimierung, Formelentwicklung, Kommunikation … All das und noch mehr muss neu gedacht werden. 

Dirk Ploss, Senior Innovation Manager bei Beiersdorf

Interne und externe Kapazitäten im Zusammenspiel

Hamburg News: Wie wichtig sind eigene KI-Kapazitäten im Vergleich zu externen Partnerschaften?

Ploss: Man braucht definitiv beides. Intern sind eher Generalisten gefragt, die in Konvergenzen, Anwendungsfällen, Risiken und Potenzialen denken. Extern holt man sich dann das Spezialistenwissen punktuell mit dazu. Setzt man nur auf eines der beiden Pferde, wird man entweder abgehängt oder man begibt sich in eine ungesunde Abhängigkeit.

Hamburg News: Welche Rolle spielen Hamburgs Startups und Forschungseinrichtungen für Beiersdorf?

Ploss: Bereits jetzt eine recht große, zukünftig sogar eine noch größere Rolle. Beiersdorf hat ja schon eine sehr lange Open Innovation Historie. Seit einigen Jahren sind wir auch im Bereich Corporate Venture Capital unterwegs und beteiligen uns an Startups, die mit uns kollaborativ strategische Zukunftsinitiativen erforschen und umsetzen. Darüber hinaus war die enge Verzahnung mit Forschung und Wissenschaft eigentlich schon immer bedeutend für uns – Es sind in jüngster Vergangenheit jedoch viele weitere Kooperationsfelder dazugekommen, neben KI-Innovationen zum Bespiel das sehr weite Feld der Nachhaltigkeit.

Hamburg News: Welche technologischen Entwicklungen werden die Unternehmenswelt der nächsten Jahre prägen?

Ploss: Die Innovations- und auch Produktlebenszyklen werden sich durch den Einsatz moderner Schlüsseltechnologien drastisch verändern, zu diesen zählen generative KI, Quantencomputing und Spatial Computing. Sie ermöglichen personalisierte, immersive Erlebnisse und revolutionieren Prozesse. Ebenso werden spezialisierte und generalisierte Agenten die Wertschöpfungskette nachhaltig verändern. Konsument:innen werden einen signifikanten Anteil ihrer Einkäufe an Shopping Agents delegieren, Händler:innen werden flexible, agentengestützte Lieferketten entwickeln, Hersteller:innen wie wir werden Agenten entlang der gesamten Wertschöpfungskette – von Innovation über Einkauf und Produktion bis zu Logistik und Marketing – einsetzen.

Das Interview führte Felina Wellner.
sb

Lesen Sie auch unseren Überblicksartikel mit weiteren KI-Erfolgsbeispielen aus Hamburger Unternehmen.

Ähnliche Artikel

Digitalisierung und KI-Innovation

So gelingt die KI-Transformation: Erfolgsbeispiele aus Hamburg

Firmeninterne KI-Assistenten und -Projekte revolutionieren den Arbeitsalltag. Wir sprachen mit Digitalstrateg:innen von Otto, Beiersdorf und Jung von Matt

Der neue Beiersdorf-Campus: multifunktional, nachhaltig, flexibel

Auf 51.000 Quadratmetern sind 3.200 verschiedene Arbeitsmöglichkeiten entstanden. Hamburg News erhielt eine exklusive Campus-Führung

Rund 2 Millionen Euro für Hamburger Startup ai-omatic

Predictive Maintenance: KI-Unternehmen schließt zweite Finanzierungsrunde ab. Das sind die Pläne

AI.Summit: die Zukunftstechnologie in der Praxis

Am 5. Dezember präsentiert der AI.Summit branchenübergreifende KI-Lösungen. Hamburg News sprach mit Petra Vorsteher über das Event und ihre Vision für Hamburg
Die von uns eingesetzte Consent Management Plattform (https://app.usercentrics.eu/) konnte nicht geladen werden. Dies kann passieren, wenn AdBlocker diese URL fälschlicherweise blockieren. Einige Funktionen, wie z.B. Kartendarstellungen, Umkreissuchen oder Formulare, können so nicht verwendet werden. Um diese Funktionen benutzen zu können, deaktivieren Sie bitte Ihren AdBlocker oder erlauben Sie den Zugriff auf *.usercentrics.eu.