Hamburg News: Welche Maßnahmen werden jetzt umgesetzt, um die Wirtschaft wieder anzukurbeln?
Iliopoulos-Strangas: Um den „Rebound“ der Wirtschaft zu beschleunigen, hat die griechische Regierung den „National Recovery & Resilience Plan“ vergangenen März präsentiert. Der Plan umfasst den grünen und digitalen Wandel, private Investitionen, wirtschaftliche und institutionelle Reformen genauso wie Maßnahmen für die Beschäftigung, Qualifikation und den sozialen Zusammenhalt.
Große Investitionen sind im Gange, so will beispielsweise Athen eine größere Rolle in Chinas Belt and Road Initiative spielen. Alte Projekte wurden wiederbelebt – so etwa die Goldgruben in Nord Griechenland oder das „Mega- Infrastrukturprojekt“ des Landes auf der Fläche des alten Flughafens in Hellinikon (Attika Riviera).
Eine Erholung der aktuellen Wirtschaftslage wird allerdings ohne eine Koordinierung der nationalen Anstrengungen und gezielte EU-Interventionen – wie etwa die Anpassung des EU-Mehrjährigen Finanzrahmens 2021-2027 und das „Next Generation EU-Programm“ – nicht möglich sein.
Hamburg News: Gibt es neue Businessmodelle, die durch die Pandemie entstanden sind?
Iliopoulos-Strangas: Die Unternehmen in Griechenland haben keine andere Wahl, als ihre Geschäftsmodelle und Strategien an neue Paradigmen anzupassen, die mit dem neuen Bewusstsein der Verbraucher, der zunehmenden Digitalisierung und der Aufmerksamkeit für ökologische und soziale Fragen verbunden sind.
Die Erholung wird in den verschiedenen Regionen des Landes und Sektoren unterschiedlich verlaufen. Griechische Unternehmen nutzen also diese Monate, um die Neugestaltung von Organisationsmodellen innerhalb der Besonderheiten des griechischen unternehmerischen Ökosystems zu evaluieren, z. B. im nachhaltigen Tourismus oder elektronischen Handel (E-Commerce). Auch die Schifffahrt ist dabei, sich von der Pandemiekrise zu erholen und mit innovativen technologischen und finanzierungstechnischen Ansätzen die „Green transition“ voranzutreiben.
Hamburg News: Bisher steckte die Digitalisierung in Griechenland in den Kinderschuhen. Bedingt durch die Corona-Krise soll sich das laut Medienberichten positiv geändert haben.
Iliopoulos-Strangas: In der Tat hat die Digitalisierung in Griechenland eine Explosion erfahren. Diese betrifft insbesondere, aber nicht nur, die Behörden. Die Digitalisierung hat sich in besonderem Maße in Bezug auf die Impfung bewährt. Alles läuft per E-mail und/oder SMS reibungslos. Ferner können seit einigen Tagen die Banken von der Digitalisierung profitieren. Auf Initiative der Kunden können sie, allerdings unter strengen Voraussetzungen, Zugang zu staatlichen Dokumenten haben, um persönliche Daten ihrer Kunden zu bestätigen bzw. zu ändern.
Hamburg News: Hat die Pandemie die extreme materielle Not der Flüchtlinge in Griechenland noch verschärft?
Iliopoulos-Strangas: Seit Beginn der Pandemie hat die griechische Regierung Maßnahmen zum Schutz der Flüchtlinge, die in den sogenannten Reception and Identification Centers (RIC) sowie in allen Flüchtlingslagern auf dem Festland leben, getroffen. Soweit ich ermitteln konnte, werden die Flüchtlinge in Griechenland in Bezug auf die Pandemie grundsätzlich in ähnlicher Weise wie alle anderen Bevölkerungsschichten medizinisch behandelt. So bekommen Asylbewerber vom Staat eine vorläufige Versicherungskarte bzw. -nummer (PAMKA), damit sie geimpft und getestet werden können, und zwar unter denselben Bedingungen wie die heimischen Bevölkerungsschichten.
Es wurden innerhalb der Flüchtlingslager spezielle Orte errichtet, in denen die an Covid-19 erkrankten Flüchtlinge ärztlich untersucht und gegebenenfalls isoliert werden oder auch dort die Zeit ihrer Quarantäne verbringen können. Ferner sind im März 2020 zwei neue Flüchtlingslager entstanden (am Ort „Kleidi“ in Serres, Nordgriechenland, und die Erweiterung des Flüchtlingslagers in Malakassa, Attika), um eine Verbreitung von Covid-19 zu vermeiden. Anzumerken ist schließlich, dass hinsichtlich der Zahl der an Covid-19 erkrankten Flüchtlinge keine größeren Unterschiede im Vergleich zu der übrigen Bevölkerung festzustellen sind.
Hamburg News: Noch ein Blick auf ein besonderes Jubiläum: Griechenland feierte am 25. März 2021 den 200. Jahrestag der Revolution. Was konnte dazu – coronakonform – in Hamburg stattfinden?
Iliopoulos-Strangas: Aus Anlass der griechischen Unabhängigkeitsrevolution am 25. März 1821 und der Gründung des neugriechischen Staates neun Jahre später, hat das griechische Konsulat für die Öffentlichkeit u. a. die Fassade des MARKK-Museums in den griechischen Nationalfarben blau-weiß beleuchtet. Dieser Fest-Veranstaltung mit Grußworten, u. a. von Hamburgs Bürgermeister Dr. Peter Tschentscher, konnte im Livestream gefolgt werden.
Hamburg News: Mit Blick auf Ihre Rolle als HamburgAmbassador – Wie ist der Stand zu Ihrem Vorhaben einer Veranstaltung zu Ehren des Altkanzlers Helmut Schmidt, der als Doktor Honoris causa der Universität Athen eng verbunden war?
Iliopoulos-Strangas: Das Vorhaben musste wegen der Pandemie ein bisschen zurücktreten, da ich an eine große Veranstaltung in Athen gedacht habe. Vielleicht lässt sich dieser Plan noch in diesem Jahr verwirklichen.
Hamburg News: Liebe Frau Professorin Iliopoulos-Strangas, wir danken Ihnen für das Gespräch.
imb/sb/kk