Interview Serie

Beyond Corona – So will Singapur gestärkt aus der Krise hervorgehen

17. Februar 2021
HamburgAmbassador Ralf Schmidt erkärt im Interview, weshalb Singapur im weltweiten Vergleich gut durch die Pandemie kommt

Hamburg und Singapur haben viel gemeinsam. Beides sind Stadtstaaten und bedeutende Handels- und Hafenmetropolen. Die Finanz- und Logistikdrehscheibe Singapur aber erholt sich deutlich schneller von der Corona-Krise. Was kann Hamburg in der derzeitigen Situation von den Asiaten lernen? Darüber und über die Zukunftsthemen des Inselstaats sprachen wir in unserer Interview-Reihe mit Ralf Schmidt. Er ist einer von 39 HamburgAmbassadors, die sich in 29 Ländern der Welt ehrenamtlich für die Hansestadt engagieren, um diese im Ausland noch bekannter zu machen.

Singapur kommt ja im weltweiten Vergleich sehr gut durch die Pandemie. Die Todesfälle liegen im unteren zweistelligen Bereich. Was ist das Erfolgsrezept des Landes?

Seit SARS in 2003 und anderen kleineren Pandemien hat sich Singapur relativ gut auf Infektionskrankheiten vorbereitet. Denn die Frage war nicht ob, sondern wann die nächste Pandemie kommen wird. Daher ist es hier üblich, Masken bei der Arbeit zu tragen, wenn man zum Beispiel nur eine Erkältung hat. Dies zeigt den kulturellen Unterschied auf, den der langjährige Diplomat und Akademiker Kishore Mahbubani kürzlich auf den Punkt brachte: In den westlichen Gesellschaften werden die Rechte der Bevölkerung betont, wohin gegen asiatische Gesellschaften Rechte und Pflichten betonen. In Singapur unterschätzt wurde allerdings die Ausbreitung des Virus in Heimen für ausländische Arbeiter. Singapur hat das aber relativ schnell mit weiteren Unterkünften in Hallen, Zelten und auch auf Schiffen in den Griff bekommen.

HamburgAmbassador Ralf Schmidt in Singapur

 

Ist der Impfstoff ähnlich rar wie aktuell in Hamburg?

Ja, die Impfrate – bezogen auf die gesamte Bevölkerung – liegt bei derzeit 4,4 Prozent. Die meisten Frontliner sind geimpft und bei den Senioren über 70 Jahren wurde angefangen.

Wie beurteilen Sie die Einführung des digitalen Trackings, das in Deutschland aus Datenschutzgründen nicht angewendet werden darf?

Transparenz und Tracking sind elementar für den Kampf gegen Corona. Für die Transparenz gibt es einen WhatsApp-Kontakt, über den das Ministry of Health anfänglich zweimal und mittlerweile einmal täglich die aktuellen Infektionszahlen und Informationen mitteilt. Safe-Distance-Ambassadors fordern in Geschäftsgegenden freundlich zur Einhaltung des Trackings, des Maskentragens und Abstandhaltens auf. Das Tracking findet über QR-Codes vielerorts statt, in Läden, Restaurants, Unternehmen, Gebäuden oder kulturellen Einrichtungen. Hierfür wird eine Scan App oder die offizielle TraceTogether App genutzt. Auch andere Länder, wie Australien, benutzen solche Tracking Apps sehr erfolgreich. Für z. B. ältere Bürger, die kein Smartphone haben, gibt es einen Token (kleines, Bluetooth-fähiges Gerät, das beispielsweise an den Schlüsselbund passt, Anm. d. Redaktion).

Singapur hat bei neuen Technologien oft eher einen progressiven Startup-Ansatz und erlaubt erstmal die Benutzung, zumeist in einem Testlauf, bevor aufgrund der gemachten Erfahrungen die Gesetze angepasst werden.

Welche Prognosen gibt es für den Tourismus in Singapur?

Gerade wurde die Green Lane mit Deutschland, die für essentielle Geschäftsreisen und offizielle Reisen seit Dezember in Kraft war, vorrübergehend wieder ausgesetzt. Erste touristische Versuche mit Hongkong wurden auch verschoben. Meine persönliche Meinung ist, dass der derzeitig angefangene Impfprozess den internationalen Tourismus per Flugzeug – was für Singapur die Norm ist – erstmal weiter verschieben wird, bis ein bestimmter Impfgrad erreicht ist. Vor dem vierten Quartal 2021 wird es keinen nennenswerten interkontinentalen Tourismus geben.

Gab es Fördermaßnahmen in Singapur, die den Unternehmen vor Ort geholfen haben?

In Singapur hat es sehr umfangreiche Fördermaßnahmen von umgerechnet fast 62 Milliarden Euro gegeben, z. B. Zuschüsse zu Personalausgaben, damit die Mitarbeiter nicht freigesetzt werden. Diese werden im Allgemeinen in unterschiedlicher Höhe für die verschiedenen Branchen je nach Betroffenheit festgelegt.

Aufgrund des angefangenen Impfprozesses ist das ursprünglich im Mai stattfindende World Economic Forum (WEF) in Singapur auf August 2021 verschoben worden. Was versprechen Sie sich von dem Meeting?

Mit den Systemen und der Disziplin, mit der mittlerweile z. B. Treffen bis 50 Teilnehmer oder kulturelle Veranstaltungen bis 250 Teilnehmern zugelassen werden, hat Singapur Vertrauen geschaffen, eine internationale Großveranstaltung wie das WEF durchführen zu können. In den nächsten Monaten werden wir hier sicher noch mehr Erfahrung sammeln und Prozesse verfeinern. Dass das WEF in Singapur stattfinden wird, ist gerade in der derzeitigen Lage eine einmalige Chance, sich thematisch auf die weltweiten Probleme dieser Zeit zu fokussieren, wie Nachhaltigkeit, Klimawandel, Nahrungssicherung, soziale Verantwortung und gesellschaftlichen Umbau nach Covid-19. Dies erfordert eine enge Zusammenarbeit aller Stakeholder in den verschiedenen Regionen der Welt.

Welche Zukunftsthemen bewegen Singapur?

Singapur bewegen Themen wie Supply Chain Management und Sicherheit. Das Land will seine Position als regionaler E-Commerce Logistic Hub ausbauen. Urban Development und Mobilität werden dynamisch weiterentwickelt. Dabei rückt jetzt auch die Nachhaltigkeit in den Vordergrund, um zu ändern, wie wir arbeiten, lernen oder unsere Freizeit verbringen. Als kleiner Stadtstaat spielt auch die Nahrungssicherung eine große Rolle. Bis 2030 sollen 30 Prozent der Nahrungsmittel im eigenen Land produziert werden. Gleichzeitig wäre das dann ein Beitrag zum Klimaschutz. Die Pandemie hat viele dieser Themen mehr in den Vordergrund gerückt und die Akzeptanz und Nutzung vielen neuer Technologien stark beschleunigt.

Ihre Zusammenarbeit mit der Hamburger Startup-Szene ist sehr engagiert und vertrauensvoll. Sie gelten als bestens vernetzt. Gibt es konkrete Projekte?

Das Spannende an der Startup-Szene ist, dass sie so agil ist und es ständig etwas Neues gibt. Mit meinem Engagement konzentriere ich mich auf den maritimen Sektor und Logistik-Bereich, Fintech/Finanzen und erneuerbare Energien/Nachhaltigkeit. Dabei versuche ich, als Mentor, Berater oder Direktor u. a. die Zusammenarbeit zwischen Hamburg/Deutschland und Singapur zu fördern, z. B. bei der Entwicklung oder im Marketing. Der enge Austausch ist wichtig. Derzeitige Projekte umfassen autonome Schifffahrt, Unterwasserdrohnen, Factoring (Fintech) und eine Plattform zur Finanzierung erneuerbarer Energien.

Wird Singapur gestärkt aus der globalen Krise hervorgehen? Wenn ja, kann auch die gute und wichtige Handelsbeziehung zu Hamburg davon profitieren?

Singapur definiert immer vorausschauend seine Position in der Welt. Für ein kleines Land ohne natürliche Ressourcen ist das schwierig – aber umso wichtiger. Als Zentrum für die ASEAN-Region, der zukünftig viertgrößte Wirtschaftsraum mit starkem Wachstum im Mittelstand, und als sehr gut entwickelter und flexibler urbaner Raum wird Singapur gestärkt aus der globalen Krise hervorgehen. Denn unsere zukünftigen Herausforderungen und Lösungsansätze, z. B. bezüglich zukünftiger Arbeitsweisen oder Klimaschutz, werden in den großen Metropolen der Welt gelöst. Dabei werden internationale Netzwerke zu den verschiedenen Themen eine immer größere Rolle spielen. Da Hamburg und Singapur viele gemeinsame Schwerpunktbranchen und Themen verbinden, wie Hafen, Logistik, Mobilität, erneuerbare Energien, Healthcare oder Ernährung, ergeben sich hier viele Ansätze für eine zukünftig engere Kooperation.

Lieber Herr Schmidt, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Quellen und weitere Informationen

HamburgAmbassador-Programm

Die zurzeit 39 HamburgAmbassadors aus 29 Ländern üben ein Ehrenamt aus, in das sie vom Ersten Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg berufen werden. Die Senatskanzlei, die Handelskammer Hamburg und die an Hamburg Marketing beteiligten Institutionen haben das von Hamburg Marketing koordinierte HamburgAmbassador-Programm ins Leben gerufen, das in seiner Struktur einmalig in Deutschland ist. Die HamburgAmbassadors sind Unterstützer und Netzwerker für Politik ebenso wie für Unternehmer, Wissenschaftler, Kulturschaffende im Ausland, mit dem Ziel, Hamburg international zu positionieren.

HamburgAmbassador Ralf Schmidt

Der Bankmanager Ralf Schmidt wurde 2015 von Hamburgs damaligen Bürgermeister Olaf Scholz zum ehrenamtlichen HamburgAmbassador in der asiatischen Handelsmetropole Singapur ernannt. Gebürtig aus Hamburg-Bergedorf, lebt Schmidt seit mehr als 20 Jahren in Singapur und verantwortet als „General Manager Asia“ das Asiengeschäft der Hamburg Commercial Bank. Ralf Schmidt verfügt in Singapur und Asien über ein herausragendes Netzwerk, das er für seine Aktivitäten als HamburgAmbassador nutzt. Bei diversen Startups vor allem in den Themenbereichen Fintech und Schifffahrt sowie erneuerbarer Energien hat sich Schmidt als Mentor, Direktor oder auch Investor einen Namen gemacht.

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