Das NEW 4.0-Konsortium hat einen „Entwicklungspfad“ erprobt, der es ermöglicht, die gesamte Projektregion Schleswig-Holstein und Hamburg bis 2035 zu 100 Prozent mit regenerativem Strom sicher zu versorgen – wenn er skaliert werden würde, so Prof. Dr. Werner Beba, Projektkoordinator des Konsortiums NEW 4.0. „Wir sind dabei den nächsten wesentlichen Schritt gegangen und haben die Kopplung des Stromsektors mit den Sektoren Wärme und Industrie erprobt."
Vier Jahre lang hat die Projektinitiative NEW 4.0 (Norddeutsche Energie-Wende 4.0) für eine nachhaltige Energieversorgung geforscht – in Hamburg und Schleswig-Holstein. Im Verbund mit rund 60 Partnern wurden in dieser Zeit rund 100 Teilprojekte entwickelt und umgesetzt. Das übergreifende Ziel: Hamburg und Schleswig-Holstein bis 2035 zu 100 Prozent mit regenerativem Strom zu versorgen.
Ende Oktober 2020 fand das Großprojekt nun seinen Abschluss, als Teil des vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie unterstützten Förderprogramms „SINTEG: Schaufenster für intelligente Energie – Digitale Agenda für die Energiewende“. Begleitend hat das Cluster Erneuerbare Energien Hamburg einen Abschlussbericht zur NEW 4.0 veröffentlicht, in dem Ergebnisse gebündelt, ausgewählte Projekte aufzeigt und wichtige Akteure zu Wort kommen. Diese sind sich einig: Der Umbau des Energiesystems gehe schneller voran als die Anpassung des dazugehörigen Rechtsrahmens.
Sektorenkopplung erprobt
Vollversorgung mit grünem Strom möglich
Im Zentrum des Verbundprojekts standen 20 sogenannte Demonstratoren, also Demonstrationsprojekte, die in verschiedenen Szenarien und Feldtests unter Realbedingungen getestet wurden. Hier wurde „erfolgreich erprobt“, wie die Lastregion Hamburg, als Standort energieintensiver Industrien, mit der windreichen Erzeugungsregion Schleswig-Holstein physikalisch verknüpft werden kann, so der Abschlussbericht. Im Großtest konnte gezeigt werden, dass Strom „jederzeit bedarfsgerecht“ und auf Anforderung an unterschiedliche Verbraucher geliefert werden und die Netzfrequenz dabei stabil gehalten werden kann.
Auf diese Weise wurde in NEW 4.0 modelliert, wie in der Region Hamburg-Schleswig-Holstein eine sichere Vollversorgung mit grünem Strom ohne fossile Energie möglich ist. Die Kernerkenntnis ist: „Wir verfügen bereits heute über die dafür notwendigen Anlagen, die Marktinstrumente, die IKT-Infrastruktur (Anm. d. Redaktion: Informations- und Kommunikationstechnik-Infrastruktur) und das Know-how. Was fehlt, ist eine Anpassung des gesetzlichen Regelwerks, mit der neue Handlungsspielräume geschaffen und auch finanzielle Anreize gesetzt werden, die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten schnell, wirksam und wirtschaftlich umzusetzen.“
Von Blockchain-basierter Energieplattform bis zur Wasserstoffelektrolyse
Zu den Demonstrationsprojekten gehörte beispielsweise die „Energieplattform“ von Hamburg Energie, die auf der Basis von Blockchain-Technologie einen Echtzeit-Energiehandel ermöglicht. Auch die Plattform „ENKO“ des Netzbetreibers Schleswig-Holstein Netz, mit der Engpässe im Stromverteilnetz minimieren werden sollen, zählte dazu. Ebenso war die Wind to Gas Energy GmbH & Co. KG in Brunsbüttel mit von der Partie, die eine Elektrolyse-Anlage entwickelt hat, um aus überschüssiger Windenergie Wasserstoff zu erzeugen – und damit eine Wasserstoff-Tankstelle vor Ort zu speisen. Auch das Vorhaben zur Dekarbonisierung der Stahlindustrie von der ArcelorMittal Hamburg GmbH spielte eine wichtige Rolle.
Regulatorische Hürden
Der Abschlussbericht enthält zudem Interviews mit wichtigen NEW 4.0-Akteuren, wie Matthias Boxberger, Aufsichtsratsvorsitzender der Schleswig-Holstein Netz AG, Klaus Schweininger, Prokurist bei der TRIMET Aluminium SE in Hamburg, und Thorsten Müller, wissenschaftlicher Leiter der Stiftung Umweltenergierecht. Die Experten sprechen über Lehren und Erfahrungen, die sie im Laufe der NEW 4.0-Förderlaufzeit gesammelt haben und geben einen Ausblick auf die kommenden Jahre. Dabei machen sie auf die noch zu überwindenden politischen und regulatorischen Hürden aufmerksam. Denn alle drei stimmen überein, dass die Regeln des Energiemarktes erheblich weiterentwickelt werden müssen, wenn eine ganzheitliche Energiewende erfolgreich umgesetzt werden soll.
Das Projekt wurde im Rahmen des Förderprogramms „Schaufenster Intelligente Energie – Digitale Agenda für die Energiewende“ (SINTEG) mit rund 45 Millionen Euro durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) gefördert. Weitere 80 Millionen Euro investierten die beteiligten Unternehmen.
sb
Quellen und weitere Informationen
NEW 4.0
Unter dem Titel NEW 4.0 – Norddeutsche EnergieWende 4.0 hat sich in Hamburg und Schleswig-Holstein eine Projektinitiative aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik gebildet, die in einem länderübergreifenden Großprojekt eine nachhaltige Energieversorgung realisieren und zugleich die Zukunftsfähigkeit der Region stärken will. Rund 60 Partner bündeln ihr Know-how für das Jahrhundertprojekt Energiewende, unterstützt von den Landesregierungen beider Bundesländer. Gemeinsam haben sie den Entwicklungspfad zu dem Ziel gelegt, die Gesamtregion bis 2035 zu 100 Prozent mit regenerativem Strom zu versorgen – versorgungssicher, kostengünstig, gesellschaftlich akzeptiert und mit wesentlichen CO2-Einsparungen.