Welche Chancen und Wertschöpfungspotenziale ergeben sich aus der Wasserstofftechnologie für die Metropolregion Hamburg und Norddeutschland? Und welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, um die Potenziale heben zu können? Diese und weitere Fragen diskutierten acht Experten und beleuchteten dabei das Thema aus wissenschaftlicher, wirtschaftlicher und politischer Richtung. Der entscheidende Vorteil von Wasserstoff: Er ist speicherbar, transportierbar und wenn unter Verwendung von erneuerbaren Energien gewonnen, ohne die Freisetzung von CO₂ zu erzeugen. Ein Aspekt, der gerade für einen Stadthafen wie Hamburg, der sich einer nachhaltigen Entwicklung verschrieben hat, von besonderer Bedeutung ist.
Ist Wasserstoff der Stoff, aus dem der Traum für die Energiewende ist? Diese Frage von Ingo Egloff, Vorstand des Hafen Hamburg Marketing e.V., bot den roten Faden bei der 2. Zukunftskonferenz für Industrie, Logistik und Häfen, die coronabedingt am 29. Oktober als Online-Format stattfand. Zumindest spielt der innovative Energieträger dabei eine wesentliche Rolle, betonte Hamburgs erster Bürgermeister Peter Tschentscher in seinem Grußwort per Videobotschaft: „Wasserstoff besitzt großes Potential, um die Dekarbonisierung voranzutreiben.“ Mitveranstalter der Konferenz waren die Hamburg Invest, die Handelskammer Hamburg und die IFB Hamburgische Investitions- und Förderbank.
Acht Experten, vielfältige Blickrichtungen
Wasserstoff-Technologie - bald wettbewerbsfähig?
Für eine echte nachhaltige Entwicklung ist grüner Wasserstoff unverzichtbar, sind sich die Diskutanten der Session „Wasserstoff zwischen Hype und berechtigtem Potenzial“ einig. Die technologischen Voraussetzungen sind gegeben, doch wird der Energieträger in absehbarer Zeit wettbewerbsfähig sein? „Ein sich selbsttragender Wasserstoff-Markt ist möglich und Treiber wird die Industrie sein“, ist Peter Lindlahr, Geschäftsführer der hySOLUTIONS GmbH, überzeugt und Philip Hainbach von der Enapter GmbH erklärt: „Wenn sich im kommenden Jahr die CO₂-Preise erhöhen, steigen damit auch die Dieselpreise – wodurch Wasserstoff ganz natürlich wettbewerbsfähig wird.“ Wichtig sei jedoch eine Streichung der derzeit noch bestehenden EEG-Umlage für grünen Wasserstoff sowie eine enge Zusammenarbeit aller Akteure über Landesgrenzen hinweg. „Wir müssen unsere Stärken gegenseitig stärken, ob Wirtschaft oder Politik, große oder kleine Unternehmen“, so Dr. Stefan Rehm, Development Director der Hypion GmbH. Dem stimmt auch Lars Zimmermann zu, Commercial Manager Hydrogen bei der Shell Deutschland Oil GmbH – also einem der großen Player im Bereich fossiler Energien. „Wir wollen im Bereich Wasserstoff Marktführer werden und betreiben in Deutschland bereits 30 Wasserstoff-Tankstellen für PKWs. Unser nächster Schritt wird der Ausbau der Infrastruktur für LKWs sein.“
Grüner Wasserstoff als Projekt mit hoher Skalierbarkeit
Der Aufbau einer tragfähigen Tankstellen-Infrastruktur gerade für LKWs ist auch Hamburgs Wirtschaftssenator Michael Westhagemann wichtig – schließlich steuerten täglich 16.000 LKWs den Hamburger Hafen an. „Um die so entstehenden Emissionen zu reduzieren, brauchen wir Brennstoffzellen-LKWs und ein entsprechendes Tankstellennetz.“ Das Interesse am umweltfreundlichen Energieträger sei im Hafen generell hoch, so Westhagemann weiter. „Wir haben die Stakeholder nach ihrem Bedarf gefragt – und da kommen wir mit den 100 Megawatt, die wir am Standort Moorburg erzeugen wollen, keineswegs aus.“ Es zeige sich, dass eher eine Wasserstoff-Elektrolyse mit einer Kapazität von 500 Megawatt, perspektivisch gar einem Gigawatt benötigt werde. „Das Ergebnis unserer Befragung zeigt uns aber auch: Grüner Wasserstoff kommt in die Anwendung. Wir sprechen hier von einem Projekt mit hoher Skalierbarkeit.“
Zahlreiche Projekte treiben die Entwicklung rasant voran
Maßgebliche Projekte zur Etablierung von grünem Wasserstoff finden sich gerade in Norddeutschland in großer Zahl, betont Dirk Burmeister, Vorstand der Entwicklungsagentur Region Heide AöR im Rahmen der Session „Wasserstoff in Hafen, Logistik und Industrie“. Ein Beispiel der von ihm präsentierten Projekte: ENTREE100. Bei dem innovationsorientierten Netzwerk kommen mehr als 120 Partner aus Wissenschaft, Wirtschaft, Kommunen und Verbänden zusammen, um die integrierte Energiewende voranzutreiben – mit grünem Wasserstoff als einem der Hauptbausteine. Oder das Projekt Reallabor Westküste 100, wo aus Offshore-Windenergie grüner Wasserstoff produziert wird, der im Anschluss sowohl in Gasnetze eingespeist als auch für die Produktion klimafreundlicher Treibstoffe für Flugzeuge genutzt werden soll.
Karsten Schönewald wiederum berichtet als Geschäftsführer und COO der Flotte Hamburg GmbH von der umweltfreundlichen Umgestaltung Hamburgs nicht passagierbefördernder Schiffe – vom Lösch- und Polizeischiff über Peilschiffe bis hin zu Lotsenversetzern, Transportschiffen und Eisbrechern. „Wir setzten auf Gas-to-Liquids als innovativen Treibstoff, Plug-in-Hybride und schulen unsere Crews im emissionsarmen Fahren – um nur einige Ansätze zu nennen.“
Umdenken setzt sich durch
Die verschiedenen Ansätze im Rahmen der Wasserstoff-Technologie sollten möglichst schnell und pragmatisch verfolgt werden, um im internationalen Wettbewerb nicht ins Hintertreffen zu geraten, betont Tim Brandt, Geschäftsführer von Wind2Gas Energy GmbH. Und er plädiert für den kontinuierlichen Aufbau von Know-how. Das perfekte Stichwort für Detlev Wösten. Als Chief Innovation Officer der H&R ChemPharm GmbH kann er von der unternehmenseigenen Wasserstoffelektrolyse-Anlage berichten und der zu Grunde liegenden Power-to-Chemicals-Strategie (P2C). „Mit P2C und grünem Wasserstoff streben wir die Dekarbonisierung unseres Produktionsprozesses an.“ Setzte das chemisch-pharmazeutische Industrieunternehmen früher überwiegend auf fossile Rohstoffe, liegt der Fokus nun perspektivisch auf nachhaltigen Alternativen. Das ein solches Umdenken die Grundstoffindustrie erreicht hat, werten die Experten als gutes Zeichen. Zumal in der Wasserstofftechnologie echtes Zukunftspotential liege – gerade auch für den Hafen. Hier müssten neben dem Containerumschlag weitere Wertschöpfungsmöglichkeiten in den Blick genommen werden, fordert Wösten. Eine Möglichkeit: Ein Wasserstoff-Importterminal. „Das könnte für den Norden ein wichtiges Thema werden“, glaubt Dr. Bernd Buchholz. Der Minister für Wirtschaft, Verkehr, Arbeit, Technologie und Tourismus von Schleswig-Holstein plädiert deshalb in seiner Video-Botschaft für eine Vertiefung der schon erfolgreichen Zusammenarbeit der Metropolregion Hamburg und seines Bundeslandes. Denn: „Wasserstoff kann eine wirklich große Technologie werden.“
ys/kk