Energiewende

Wasserstoff: Beginn einer Zeitenwende?

1. September 2020
Industrie ist Haupttreiber auf dem Weg zur Wasserstoff-Wirtschaft, erklärt Peter Lindlahr, Geschäftsführer der HySolutions GmbH

Eine selbsttragende Wasserstoff-Wirtschaft ist das Ziel, so steht es im Koalitionsvertrag des Hamburger Senats. Ein ambitioniertes Ziel – immerhin handelt es sich bei Wasserstoff noch um einen teuren Energieträger – aber auch um ein lohnendes. „Die grüne Wasserstofftechnologie könnte eine Hebelwirkung für eine neue Zeitrechnung entfalten. Sie könnte dabei helfen, unsere ehrgeizigen Klimaschutzziele zu erreichen“, ist Peter Lindlahr überzeugt. Der ehemalige Klimaschutzbeauftragte des Senats ist zusammen mit Christoph Steinkamp Geschäftsführer der HySolutions GmbH, einer Public Private Partnership, die im Auftrag der Freien und Hansestadt Hamburg sämtliche Aktivitäten bei der Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie koordiniert und vorantreibt.

Der Wasserstoffeinsatz muss wirtschaftlicher werden

Vor allem in der Industrie sieht Lindlahr großes Potenzial für den Einsatz von grünem Wasserstoff. „Grüner Wasserstoff hat sehr gute energetische Eigenschaften und ist gut geeignet für die stoffliche Nutzung in der Industrie. Vor allem in der grundstoffverarbeitenden Industrie bei Unternehmen wie etwa Aurubis oder ArcelorMittal.“ Doch Lindlahr weiß auch: „Die Substitution des Energieträgers, also der Umstieg von beispielsweise Erdgas auf Wasserstoff, ist ein herausfordernder Prozess.“ Entscheidend für das Gelingen sei, dass der Wasserstoffeinsatz wirtschaftlich werde.

Import von grünem Wasserstoff nötig

Hier sind zum einen Forschung und Entwicklung gefragt, um die Effizienz bei der Wasser-Elektrolyse zur Produktion von Wasserstoff weiter zu steigern.

Peter Lindlahr, Geschäftsführer der hySOLUTIONS GmbH

Zum anderen ist nach Meinung von Lindlahr ein insgesamt investitionsfreundlicheres Klima notwendig. „Wir brauchen mehr Möglichkeiten für Sonderabschreibungen sowie generell steuerliche Entlastungen und den Wegfall staatlich induzierter Kosten, etwa durch Streichung der derzeit noch bestehenden EEG-Umlage für grünen Wasserstoff.“ Und schließlich könnte der Preis sinken, wenn die Menge des verfügbaren Wasserstoffs steigt. Ebenfalls im Koalitionsvertrag festgeschrieben ist dazu der Plan, im Hamburger Hafen, auf dem Gelände des Kraftwerks Moorburg, eine der weltweit größten Anlagen für Wasserstoffelektrolyse zu bauen. Doch der Bedarf auf der Nachfrageseite wird perspektivisch über die angestrebte Erzeugungskapazität von 100 Megawatt deutlich hinausgehen. „Ohne Import von grünem Wasserstoff wird es nicht gehen“, prognostiziert Lindlahr. Das gelte nicht nur für Hamburg, sondern für ganz Europa. „Dabei bietet der Wasserstoff-Import über den Seeweg natürlich große Chancen für den Hamburger Hafen“, fügt er hinzu.

Geostrategische Fragen, die Hamburgs Zukunft betreffen

Potentielle Partner auf der Exportseite könnten etwa baltische und skandinavische Länder sein. „Aber auch in Nordafrika und in den Golfstaaten tut sich einiges. So konzentrieren sich die Planungen des marokkanischen Großhafens in Tanger nicht mehr nur auf LNG, sondern sehen auch eine Ausweitung auf großflächige Wasserstoffterminals vor. Und das Sultanat Oman plant, in den kommenden Jahren eine der größten Wasserstoff-Produktionsanlagen der Welt zu errichten.“ Hier gehe es also um geostrategische Fragen, erläutert Lindlahr und fährt fort: „In den nächsten Monaten werden seitens der Bundesregierung Entscheidungen getroffen, die vermutlich auch Hamburgs weitere Ausrichtung maßgeblich beeinflussen werden.“ Immerhin sieht die nationale Wasserstoffstrategie vor, sieben Milliarden Euro für den Markthochlauf von Wasserstofftechnologien in Deutschland und weitere zwei Milliarden Euro für internationale Partnerschaften bereitzustellen. Insoweit bestehe die Herausforderung nun darin, einen Teil dieser Fördermittel für Hamburg zu akquirieren.

Hamburger Hochbahn setzt auch auf Wasserstoff

Und wie steht es mit dem Einfluss von Wasserstoff auf Hamburgs Mobilität? „Die Industrie ist der Haupttreiber bei der Skalierung auf der Nachfrageseite. Mobilitätsanwendungen sind sehr wichtig, aber erreichen hinsichtlich der dort benötigten Wasserstoffmengen eben nicht die Größenordnung der industriellen Anwendungen“, erklärt Lindlahr. Innerhalb der Mobilität ist es vor allem der Wirtschaftsverkehr, also die schweren Fahrzeuge, weniger der PKW-Verkehr, der für die Brennstoffzellentechnologie interessant ist. Die Umstellung werde inzwischen auch von den großen Autokonzernen vorangetrieben – und von Startups. In Winsen etwa rüstet das Startup Clean Logistics 40-Tonner auf Wasserstoff um. Und schließlich setzt der öffentliche Nahverkehr auf die Zukunftstechnologie. In Hamburg gelte hierbei uneingeschränkte Technologieoffenheit, betont Lindlahr. So sollen ab 2020 nur noch emissionsfreie Busse angeschafft werden, so dass bis spätestens 2035 die Gesamtflotte auf neue Technologien umgestellt sein könnte.

Brennstoffzellen-Bus

Brennstoffzellenbusse sind dabei eine wesentliche Säule der Flottenstrategie. Gerade hat die Hamburger Hochbahn AG eine Ausschreibung für bis zu 50 Brennstoffzellenbusse für die Jahre 2021 bis 2025 gestartet.
ys/kk

Quellen und weitere Informationen

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