Virtual Reality

Virtuelle Crashtests oder Planung: VR erobert die Wirtschaft

27. März 2019
Immer mehr VR-Akteure kommen im Kreativspeicher M28 zusammen. Hamburg auf dem Weg zu Europas wichtigstem VR-Hub. Hamburg News hat sich umgesehen

Aus der Idee einer Seilbahn, die über die Elbe von Hamburg-St. Pauli zu den Musicaltheatern auf Steinwerder führen sollte, wurde zwar nichts, doch ab Mai lässt sich in der Speicherstadt erleben, wie sich der gemächliche Transport in luftiger Höhe wohl angefühlt hätte. Die virtuelle Gondelfahrt ist eine von bislang vier geplanten VR Experience Stations im Virtual Reality Headquarter (VRHQ), das im Erdgeschoss des Kreativspeichers M28 in der Speicherstadt eine Event- und Experimentierfläche eingerichtet hat. Der Clou: Das VR-Erlebnis wird durch eine haptische Komponente ergänzt. „Wir haben hier eine echte Doppelmayr-Gondel für bis zu 10 Personen stehen. So wird die virtuelle Gondelfahrt über Hamburg noch authentischer“, erklärt Sissy Löffler, Projekt- und Eventmanagerin im VRHQ. Die entsprechende VR-Anwendung wurde von Spherie und Spice VR entwickelt. Von Spice VR sowie VR Nerds und Noys VR werden weitere Stationen bespielt, die virtuelle Spiele-, Konzert- oder auch Edutainment-Erlebnisse bieten. Die vier Startups sind auch die Initiatoren des VRHQ.

Kreativspeicher M28: Auf dem Weg zum wichtigsten VR-Hub in Europa

Die möglichst perfekte Immersion, d. h. das Eintauchen in andere Welten, ist das Faszinierende an Virtual Reality – und bietet vielfältige Ansätze für unterschiedliche Geschäftsmodelle. Im Kreativspeicher M28 soll das erlebbar werden. Auf rund 4.200 Quadratmetern kommen Wirtschaft und Forschung zusammen, um zur zentralen Anlaufstelle für alle Virtual- & Augmented-Reality-Projekte in Hamburg und darüber hinaus zu werden. „Schätzungen gehen davon aus, dass nur etwa 5 bis 10 Prozent der Bevölkerung jemals in virtuelle Welten eingetaucht sind. Wir schaffen hier eine Plattform, um die Technologie nach vorne zu bringen – und wollen zum wichtigsten VR-Hub in Europa werden“, betont VRHQ-Business Director Andreas Raabe.

Austausch zwischen Forschung und Praxis

Ein Ansatz: Der Transfer aus Forschung in Wirtschaft und Gesellschaft. Die 600 Quadratmeter des 5. Bodens teilen sich deshalb das FTZ Digital Reality (Forschungs- und Transferzentrum Digital Reality) der Hochschule für angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW Hamburg) mit verschiedenen Spin-Offs der Hochschule. Durch die Nachbarschaft entstehe ein reger Austausch zwischen Forschung und Praxis bzw. Studierenden und Jungprofis, betont FTZ-Leiter Professor Roland Greule von der Fakultät Design, Medien und Information. „Die Startups setzen bereits um, was unsere Studierenden ein paar Meter entfernt in Projekten erarbeiten und erforschen.“ Auch eine Seminarfläche ist vorhanden. „Hier können Führungskräfte, Politiker und Lehrer – ideale Multiplikatoren – in der Seminarpause ganz unkompliziert die Faszination von VR an unseren verschiedenen Projektstationen erleben“, so Greule.

Hidden Champions entdecken VR

„In der Automobilbranche und der Flugzeugindustrie sind VR-Anwendungen schon weitgehend normal“, weiß Jan Neuhöfer, stellvertretende FTZ-Leiter. „Zunehmend entdecken nun Hidden Champions, also mittelständische Technologieführer, die Vorteile von VR“, erklärt er. Ein Grund liege in den sinkenden Kosten für Soft- und Hardware, während das Handling immer unkomplizierter wird. Einsatzmöglichkeiten sieht Neuhöfer entlang der gesamten Wertschöpfungskette – von Design über Engineering und Fertigung bis hin zu Marketing, Sales und Aftersales.

Virtual Reality Headquarter (VRHQ)

Ob virtuelle Crashtests oder Fabrikplanung, VR ist auf dem Vormarsch

So lassen sich mit VR-Simulationen noch während des Design-Prozesses Form, Farbe und Materialien austesten und anpassen – jeder einzelne Schritt des Fertigungsprozesses kann mithilfe einer Simulationssoftware abgesichert und optimiert werden. „Autos werden sicherer, weil virtuelle Crashtests das Materialverhalten bei Unfällen aus unterschiedlichen Blickrichtungen erlebbar machen“, erklärt Neuhöfer. Und in der Fabrikplanung lassen sich die optimalen An- und Auslieferungswege oder auch die beste Positionierung von Maschinen und Robotern ermitteln. Virtuell zu durchwandernde Immobilien wiederum erleichtern der Marketingabteilung von Architekten oder Immobilienhändlern die Arbeit, während ihre Kollegen im Vertrieb den Verkaufsabschluss mit VR-Konfiguratoren anstoßen. „Und der Bereich Aftersales profitiert von virtuellen Trainings- und Ausbildungsmöglichkeiten“, so Neuhöfer. Das sei besonders interessant, wenn an teuren Ausbildungsobjekten trainiert werden müsste. „Wenn etwa Flugzeuge oder U-Boote für reale Trainings aus dem Betrieb genommen werden müssen, ist das teuer.“ 

VR Prototyping Lab

Um weitere Teile der Wirtschaft mit VR-Technologie vertraut zu machen, haben nextMedia.Hamburg und nextReality.Hamburg das VR Prototyping Lab im Kreativspeicher M28 ins Leben gerufen. Drei Studierenden-Teams von der HAW und Universität Hamburg hatten drei Monate Zeit, um in enger Zusammenarbeit mit drei Partnern aus der Wirtschaft – Foodboom, Der Spiegel und Bauer Xcel – innovative VR-Cases zu entwickeln. Ende Januar waren die Prototypen fertig: Eine Food-Applikation für Smartphones, ein crossmediales Storytelling-Format zur Mondlandung und ein VR-Ratgeber zum Thema DIY-Hausausbau und Inneneinrichtung. Das nächste VR Prototyping Lab ist bereits in Planung – und der Transfer aus Forschung in Wirtschaft und Gesellschaft in vollem Gange.
ys/sb

Quellen und weitere Informationen

Kreativspeicher M28

Offiziell eröffnet wurde das Virtual Reality Headquarter (VRHQ) im Juni 2018 durch vier Initiatoren, die Startups Spherie, Spice VR, VR Nerds und Noys VR. Ende 2018 fanden auf der Eventfläche im Erdgeschoss bereits erste Veranstaltungen statt, die offizielle Eröffnung der VR Experience Stations ist für Mai 2019 geplant und soll dann auch Touristen ansprechen. Anfang 2019 kam die HAW mit ihrem Forschungs- und Transferzentrum Digital Reality (FTZ Digital Reality) hinzu. Die Fläche im 5. Stock bietet Studierenden ausreichend Raum für Projekte, etwa im Rahmen des Masterstudiengangs Digital Reality sowie des VR Prototyping Labs.

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