Und wie soll das klappen? Mit dem Mobilfunkstandard 5G – der Schlüsseltechnologie für die Digitalisierung. Damit können Daten in Echtzeit übertragen werden – und im Lübecker Hafen zählt jede Minute. Manchmal bleiben nur zwei Stunden, um Ladung vom Schiff runter und rauf zu bekommen. Angefangen von Passagieren mit Autos über Lkw-Trailer, Neu- und Gebrauchtfahrzeuge bis hin zu Forstprodukten wie Karton, Papier und Zellstoff. Alles muss im richtigen Moment am richtigen Platz sein: „Unser langfristiges Ziel ist ein digitaler Zwilling, der in Realtime alle Informationen liefert: Was ist wo und kommt wie rechtzeitig an den richtigen Platz“, erläutert Michael Siemensen.
Der Lübecker Hafen ist ein ganz wichtiges Puzzlestück in der Infrastruktur der Metropolregion Hamburg und weit darüber hinaus. Rund 25,6 Mio. Tonnen Seegüter wurden 2022 über die Lübecker Kaikanten umgeschlagen. Die meisten Fähr- und Frachtschiffe brechen Richtung Schweden und Finnland auf oder kommen von dort. Wichtige Ziele sind auch Häfen in Estland, Lettland und Litauen. Ein großes Thema in Lübeck ist die Effizienz: „Wir wollen unsere Flächen besser nutzen und mehr rausholen. Das ist betriebswirtschaftlich sinnvoll und ökologisch. Es sollte überall Aufgabe sein, den Platz zu 100 Prozent auszunutzen bevor neue Flächen versiegelt werden“, sagt Michael Siemensen, Verantwortlicher für die strategische Hafenentwicklung bei der Lübeck Port Authority.
Mit 5G Echtzeitentscheidungen ermöglichen
Roboter EVE42 soll autonom Trailer scannen
Prozesse sollen also digitalisiert laufen, alles soll miteinander vernetzt werden. Ein Beispiel dafür ist der Roboter EVE42. Sein Auftrag: Inventur machen und zwar permanent. Im Skandinavienkai stehen insgesamt 1.600 Plätze für Lkw-Trailer im unbegleiteten Verkehr zur Verfügung. Die Speditionen stellen die Anhänger aber nicht auf zugewiesenen Einzelplätzen ab – sondern in Blockreihen, die aus 40 bis 60 Stellplätzen bestehen: „Die Trucker-Fahrer bringen in der Regel einen Trailer und nehmen oft einen anderen mit. Weil es teilweise schnell gehen muss, kann es auch vorkommen, dass ein Trailer nicht in einer vorgegebenen Blockreihe abgestellt wird, sondern neben einen, der abzuholen ist“, erklärt Siemensen.
Wissenschaft aus der Metropolregion
Die Folge: Soll die Fracht aufs Schiff, geht die Suche los. Der Roboter EVE42 soll selbstständig die einzelnen Reihen im Kai abfahren und im Buchungssystem aktualisieren, welcher Trailer wo ist. Das „Lesen“ der Trailerstirnseiten funktioniert bereits, selbst bei handgeschriebenen Einheitenkennungen. Nur beim autonomen Fahren gibt es noch Probleme, die zusammen mit der Universität zu Lübeck nun weiter angegangen werden. Professor Georg Schildbach vom Autonomous Systems Lab der Universität sagt: „Ich gehe davon aus, dass wir das Ziel autonomes Fahren auf dem Hafengelände in einem halben Jahr schaffen können.“
Ziel: superschnelle, automatisierte Abläufe
Der Hafenroboter ist nur ein Projekt, das sich der Lübecker Hafen vorgenommen hat. Neben der Anreise per Lkw kommen auch Trailer per Zug. Hier sollen die Trailer über digitale Systeme automatisch erkannt werden: Welcher Trailer kommt rein? Ist der zeitkritisch? Wo wird der am besten abgestellt? Ein anderes Beispiel ist die Steuerung des Verkehrs. Lastwagen sollen bei der Einfahrt automatisch erfasst und die Daten mit der aktuellen Auslastung des Kais abgeglichen werden. Wenn Laster zu früh kommen, sollen sie automatisch auf eine andere Fläche weitergeleitet werden, bis mehr Platz ist. Ziel der Digitalisierungsstrategie: superschnelle, automatisierte Abläufe.
Zusammenarbeit mit der Uni Lübeck
Für die einzelnen Projekte holt sich der Lübecker Hafen Partner:innen aus der Wissenschaft an Bord – darunter die Universität zu Lübeck. Außerdem prüft die Lübeck Port Authority, wo sich Fördertöpfe anzapfen lassen. Und wann wird der Hafen komplett digital sein? „Schwierig“, sagt Hafenexperte Siemensen. Bei einem reinen Containerhafen wie in Hamburg können Software und Maschinen leichter die Regie übernehmen. Beim Hafen in Lübeck sind der Ladungsmix und der Zeitfaktor das Besondere. Die Trailer kommen per Zugmaschine aufs Schiff, die Fähr-Passagiere fahren ihre Autos selbst. Im besten Fall wird gleichzeitig gelöscht und geladen. Bei einer vollautomatischen Be- und Entladung durch Maschinen sind aus Sicherheitsgründen große Zeitpuffer notwendig. Siemensen: „Die Präzision und Geschwindigkeit, die wir brauchen, bedarf nach aktuellem Stand immer noch Menschen.“
agu/kk