So präsentierte Tobias Bohnhoff, Gründer und Geschäftsführer der Appanion Labs GmbH, Shipzero, eine Datenplattform für das Emissionsmanagement in Transportketten. Mit dem Einsatz von maschinellem Lernen und Analyse-Tools werden die einzelnen Elemente der Transportkette in Bezug auf ihre CO2-Emissionen untersucht. „KI ist dabei kein magisches Werkzeug zur CO2-Reduktion“, betont Bohnhoff. Aber auf Basis der so erhobenen Daten, lassen sich Potenziale zur Reduzierung von Frachtemissionen identifizieren und entsprechende Unternehmensentscheidungen fällen.
Gerade bei komplexen Abläufen kann künstliche Intelligenz (KI) maßgeblich dazu beitragen, Optimierungsansätze zu identifizieren und zu implementieren, wodurch sich CO2-Emissionen automatisch reduzieren. Zudem kann KI ganz gezielt eingesetzt werden, um etwa Arbeitsabläufe klimafreundlicher zu gestalten. Beim Online-Event „AI Showcases: Kann künstliche Intelligenz nachhaltig sein?“ der Initiative AI.HAMBURG, skizzierten KI-Expert*innen aus Norddeutschland im Mai Anwendungsszenarien aus den Bereichen Logistik, Erneuerbare Energien, Food und Bauwirtschaft.
KI ist nicht magisch, aber ausgesprochen nützlich
Fortgeschrittene Analysemethoden dank KI
Datenanalyse ist das eine. Die darauf aufbauende Prognose ein weiterer entscheidender Faktor. „Ich bin ein großer Fan von Augmented Analytics“, erklärt denn auch Hanno Schoklitsch, Gründer der auf erneuerbare Energien spezialisierte Planet Zero Data Ingenuity GmbH. Augmented Analytics basiert auf KI, Machine Learning und Natural Language Processing (NLP), also die maschinelle Verarbeitung natürlicher Sprache, was die Interaktion des Nutzers mit der Analysesoftware deutlich erleichtert. Schoklitsch setzt auf fortgeschrittene Analysemethoden, wie Augmented oder Predictive Analytics, um Kunden den Mehrwert der eigenen Daten zur Verfügung zu stellen, mit dem Ziel, die Risiken von Investments in erneuerbare Energien zu minimieren und Renditen zu maximieren. „So kommen wir weg von der subventionsgetriebenen Finanzierung und hin zum privaten Investment.“
Tagesgenaue Absatzprognosen mindern Verschwendung
Weg von der Lebensmittelverschwendung will Friedrich Rantzau, Mitgründer des Lübecker Startups Food21. 10 Prozent aller Lebensmittel bei Händlern landen täglich im Müll, weiß der erfahrene Landwirt, der sich auch als Startup-Mentor und Unternehmer im Bereich Agtech & Food engagiert. „Die größte Herausforderung für Einzelhändler ist die genaue Voraussage ihrer täglichen Produktabsätze.“ Wie sich durch intelligente Datenanalysen und Technologien das nötige Wissen für den Food-Sektor bereitstellen lässt, zeigt Rantzau am Beispiel einer Bäckerei mit sechs Filialen. Täglich schickte das Unternehmen seine Betriebszahlen an Food21, damit die Software auf die Unternehmensabläufe der Bäckerei sowie auf das Kundenverhalten trainiert werden konnte. Zudem wurden bei den Berechnungen weitere Faktoren berücksichtigt, etwa Ferienzeiten, verkaufsoffene Sonntage oder Veranstaltungen. Am Ende konnte das kleine Unternehmen mehr als 16 Tonnen Rohstoffe einsparen und den Umsatz um 3 Prozent steigern, berichtet Rantzau.
KI bietet großes Optimierungspotenzial im Bausektor
Auch Andreas Moring, Professor für Digitale Wirtschaft, Innovation und KI in Hamburg und Gründer des JuS.TECH Instituts für Data Science/KI und Nachhaltigkeit, geht es darum, Verschwendung zu vermeiden. Als Beispiel nennt er die Verschwendung im Bausektor: „70 Prozent der Tätigkeiten im Bau sind unproduktiv.“ Viel Zeit werde durch mangelhafte Abstimmungen verschwendet oder weil Werkzeuge, Maschinen und Material nicht zur rechten Zeit am rechten Ort seien. „Daraus ergibt sich ein gewaltiges Optimierungspotenzial – und KI kann dieses Potenzial mit den sich daraus ergebenen Einsparungsmöglichkeiten an CO2 identifizieren“, so Moring. Das JuS.TECH Institut konzentriert sich bei der Analyse allerdings nicht nur auf den Klimaschutz, sondern versteht Nachhaltigkeit als ein komplexes System aus Ökologie, Ökonomie und Sozialem. „So entstehen gerade bei der Herstellung von Stahl und Zement – zentralen Grundstoffen im Bau – große Mengen von Treibhausgasemissionen“, weiß Moring. Ein frühzeitiger Abriss oder größere Umbaumaßnahmen sind somit klimaschädlich. „Je länger ein Bau steht, desto besser ist es für die CO2-Bilanz.“
Wie steht es mit dem Rebounce-Effekt?
Allerdings hat auch der Einsatz von KI seinen ökologischen Preis. „Der Energieaufwand beim KI-Training zu Spracherkennung ist etwa mit einem Flug von Berlin nach Madrid und zurück vergleichbar“, weiß Dr. Vanessa Just vom KI-Bundesverband. Es gäbe also durchaus einen gewissen Rebounce-Effekt, wenn Nachhaltigkeitsziele durch den Einsatz digitaler Technologien verfolgt werden. „Grundsätzlich aber lassen sich Treibhausgase mittels KI tatsächlich reduzieren“, ist Just überzeugt.
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