Blockchain

Experte: Blockchain wird zu einer Basistechnologie

29. Mai 2019
Blockchain-Experte und Wissenschaftler Lennart Ante. Im Interview erklärt er die Blockchain-Technologie und nennt neueste Umfrage-Ergebnisse

Fast jeder fünfte Bundesbürger ist (9,2 %) oder war in der Vergangenheit (9,1 %) im Besitz von Kryptowährungen. Zum Vergleich: Im Jahr 2017 besaßen lediglich 7,7 % der Deutschen Aktien, so eine Studie des Deutschen Aktieninstituts. Somit scheint die Blockchain-Technologie über eine deutlich höhere gesellschaftliche Relevanz zu verfügen, als bislang angenommen. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle repräsentative Umfrage des gemeinnützigen Blockchain Research Lab (BRL) in Hamburg. Für diese wurden knapp 4.000 Personen über 18 Jahren befragt, die innerhalb der letzten drei Monate mindestens einmal online waren.

Lennart Ante, Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Universität Hamburg, ist Mitgründer des Blockchain Research Lab und war an der Studie maßgeblich beteiligt. Seit er 2015 das erste Mal mit Bitcoin und virtuellen Währungen in Berührung kam, lässt ihn das Thema nicht mehr los. An der Universität arbeitet er aktuell an dem Projekt Etiblogg (Energy Trading via Blockchain-Technology in the Local Green Grid), das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert wird. Im Rahmen dessen werden Kleinstmengen an Energie mittels Blockchain-Technologie transparent handelbar gemacht. Im Interview mit den Hamburg News spricht der Wissenschaftler über Chancen, Risiken und die Zukunft der Blockchain-Technologie.

Hamburg News: Wie würden Sie die Technologie hinter der Blockchain erklären?

Lennart Ante: Die Blockchain-Technologie ist eine Möglichkeit, sicher im Internet Werte zu versenden. Sie stellt allerdings keine neue technologische Idee dar, vielmehr handelt es sich um eine raffinierte Kombination bereits existierender Technologien. Um die Funktionsweise zu veranschaulichen, nutze ich gern das Beispiel einer MP3-Datei: Verschickt man eine MP3-Datei via E-Mail, behält der Versender stets die Original-Datei auf seinem Rechner und versendet lediglich eine Kopie der Datei an den Empfänger. Der Empfänger kann die Kopie wiederum beliebig oft kopieren und weiterverschicken. Dies führt zum sogenannten Double-Spending-Problem, nämlich dem Risiko, dass ein Vermögenswert bzw. eine Währung doppelt ausgegeben werden kann. Deshalb werden in der Realwirtschaft u. a. Banken als Intermediäre eingesetzt, um die Durchführung von Zahlungen ihrer Kunden im Internet sicherzustellen. Würde man die MP3-Datei hingegen in einem Blockchain-Netzwerk nutzen, würde eine Art Kopierschutz existieren. Somit könnte ausschließlich das Original versendet werden. Diese Eigenschaft ist nicht nur auf Dateien oder Geld beschränkt, sondern lässt sich z. B. auch auf ‚Werte‘ wie Energieeinheiten, Unternehmensbeteiligungen, Eigentumsrechte oder Daten übertragen.

Hamburg News: Was ist die Mission des Blockchain Research Lab?

Ante: Die hohe Dynamik der Blockchain-Technologie ist von Startups und etablierten Unternehmengleichermaßen geprägt. Deren Tätigkeiten und Projekte fokussieren sich jedoch aktuell vor allem auf Anwendungspotenziale und neue Geschäftsmodelle. Im Vergleich mangelt es noch an substanzieller Grundlagenforschung. Deshalb widmen wir uns mit dem BRL der Untersuchung der Implikationen der Blockchain-Technologie auf Gesellschaft, Wirtschaft und Politik. Unsere Forschung zu Möglichkeiten und Auswirkungen sowie Chancen und Risiken, welche die Technologie auf unterschiedliche Bereiche, Märkte und Branchen hat, erfolgt interdisziplinär. Hierbei ist uns wichtig, dass das Blockchain Research Lab unabhängig sowie neutral agiert. Deshalb haben wir das Lab als gemeinnützige Gesellschaft gegründet. Mittelfristig möchten wir mit dem BRL eine Plattform für Fragestellungen, Ideen und Erkenntnisse zur Weiterentwicklung und Adaption der Blockchain-Technologie und ihren sozioökonomischen Folgewirkungen aufbauen.

Hamburg News: Was zeichnet Hamburg als Standort für Blockchain-Technologie aus?

Ante: Die Blockchain-Szene in Hamburg hat sich in den letzten Jahren stetig weiterentwickelt und zeigt eine gewisse Bodenständigkeit, was möglicherweise auf den Wirtschaftsstandort zurückzuführen ist. Projekte und Ideen werden nachhaltig verfolgt und Unternehmen versuchen die Blockchain-Technologie für realwirtschaftliche Ansätze zu verwenden. Darüber hinaus haben in Hamburg sowohl die Politik als auch die Verwaltung die Relevanz der Blockchain-Technologie erkannt und entsprechend Initiative zur Förderung der Technologie ergriffen.

Hamburg News: Worin sehen Sie die Chancen und Möglichkeiten?

Ante: Die Technologie besitzt das Potenzial, eine Vielzahl von Geschäftsprozessen nachhaltig zu verändern. Dies wird jedoch nicht zwangsweise von heute auf morgen passieren. Bezogen auf realwirtschaftliche Prozesse sind vor allem Anwendungsfälle im Bereich von Geldtransfers plausibel: So erheben z. B. Unternehmen, die sich auf den weltweiten Geldtransfer spezialisiert haben, von ihren Kunden hohe Bearbeitungsgebühren für den Transfer ins Ausland. Durch den Einsatz von Kryptowährungen könnten solche Bearbeitungsgebühren nahezu vollständig entfallen. Kurzum: Durch den Einsatz der Blockchain-Technologie können Intermediäre überflüssig sowie der Transfer von Werten günstiger und transparent werden. Doch die Technologie lässt sich keineswegs nur für monetäre Aspekte einsetzen, sondern hat für die Gesellschaft weitaus mehr zu bieten, beispielsweise im Bildungsbereich oder in der öffentlichen Verwaltung.

Hamburg News: Und wie sehen die Risiken aus?

Ante: Die Blockchain-Technologie ist kein Allheilmittel – und stellt sich für eine Vielzahl von Anwendungen zum jetzigen Zeitpunkt als absolut ungeeignet dar. So bedarf es auch weiterhin der Erarbeitung und Bereitstellung von unabhängigen wissenschaftlichen Grundlagen und Informationen. Darüber hinaus ist die Technologie noch lange nicht ausgereift. Wie auch bei anderen technologischen Innovationen besteht das Risiko, dass es vereinzelt zu Fehlern und Ineffizienzen kommen wird. Doch eines der größten Probleme liegt darin, dass spekulative Blasen von Kryptowährungen, wie im Fall des rasanten Preisanstieges des Bitcoins Ende 2017, auch dem allgemeinen Ansehen der Blockchain-Technologie geschadet haben. Interessierte Personen sollten sich nicht durch pauschale, negative Vorurteile abschrecken lassen, sondern sich eigenständig und unabhängig zu dem Thema informieren.

Hamburg News: Ist die Blockchain gekommen, um zu bleiben?

Ante: Ich bin überzeugt davon, dass sich die Blockchain zu einer Basistechnologie entwickeln wird, die alltäglich in verschiedenen Bereichen des Lebens genutzt, jedoch bei weitem nicht von jedem in seiner vollen Komplexität verstanden wird. In diesem Zusammenhang bietet sich der Vergleich mit dem obligatorischen ‚https’ im Browserfenster an. Jeder nutzt es, einige kennen es und nur wenige verstehen es genau – doch es funktioniert. Meiner Meinung nach wird die Blockchain bzw. eine vergleichbare, ähnliche Technologie ein fester Bestandteil in unserem Leben werden – und bleiben.

Das Gespräch führte Sarah Bischoff

Quellen und weitere Informationen

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