Fröhlich: Hierfür haben wir beispielsweise ein spezielles Entrepreneurship-Programm entwickelt. Auf dem sogenannten Innovationscampus geben wir allen Kollegen die Möglichkeit, neue Ideen einzubringen und zu entwickeln. Um den Prozess möglichst zielgerichtet zu gestalten, starten wir mit einer Fragestellung. Diese lautete vergangenes Jahr: „Wie können wir Menschen zwischen 10 und 30 Jahren mit glaubwürdigen und inspirierenden Angeboten auf für sie relevanten Kanälen erreichen, begeistern und in ihrer Lebenswelt begleiten?“ Die Bewerbungsphase ist für alle im Haus geöffnet, besonders gern gesehen sind interdisziplinäre Teams. Im vergangenen Jahr haben sich ungefähr 100 Kollegen angemeldet. Da uns Transparenz wichtig ist, losen wir diejenigen aus, die in den Kreativtag gehen.
Die Historie der Spiegel-Gruppe ist eng mit der Hansestadt verbunden. Der erste gedruckte Spiegel erschien vor über 70 Jahren. Mittlerweile gehören zur Verlagsgruppe rund um das Nachrichtenmagazin mehr als 20 Medien. Doch wie geht ein Traditionsunternehmen wie dieses mit Innovationen um? Zunächst wurden die Ideen der Mitarbeiter entweder im Rahmen der Produktentwicklung oder nebenamtlich durch ein interdisziplinäres Innovationsteam geprüft und realisiert. Doch seit Anfang 2018 gibt es mit Dr. Kerstin Fröhlich erstmals eine feste Ansprechpartnerin für Innovationsprozesse. Wir trafen die Leiterin Innovation im Stammsitz der Spiegel-Gruppe in der HafenCity. Im Interview zieht Fröhlich eine Zwischenbilanz und spricht über Aufklärungsarbeit, Teamwork, den Innovationscampus und die Zusammenarbeit mit Startups.
Hamburg News: Was bedeutet Innovation für Sie?
Dr. Kerstin Fröhlich: Es ist eine Art Formel. Man braucht eine Idee, die man aber, ganz wichtig, nicht alleine stehen lassen darf. Sie sollte mit einem Nutzerbedürfnis verknüpft sein. Es gibt den Spruch „Don’t fall in love with your idea, fall in love with your problem.“ Das heißt, nur eine Idee zu haben, ist an sich keine Innovation. Es geht vielmehr darum, ein Problem des Nutzers zu lösen. Darüber hinaus muss das Ganze mit einem Geschäftsmodell verbunden und natürlich umgesetzt werden. Erst wenn diese vier Komponenten erfolgreich zusammengebracht werden, ist es für mich eine echte Innovation.
Hamburg News: Welche Fähigkeiten brauchen Sie als Innovationsmanagerin?
Fröhlich: Ich bin vor allem in einer unterstützenden Funktion tätig, um Innovatoren bzw. dem Unternehmen als Ganzes zu ermöglichen, zu innovieren. Hierbei geht es darum, Prozesse und Umfelder, aber auch eine Innovationskultur, zu gestalten und Inspiration einfließen zu lassen. Nicht in jedem Fall ist sofort klar, dass Innovationen möglich und gewünscht sind. Hierfür braucht man neben der fachlichen Kompetenz eine umfassende Kommunikationsfreude – und eine gewisse Frustrationstoleranz, denn wie bei jeder Art von Kulturwandel gilt es auch hier Hürden zu überwinden.
Hamburg News: Braucht Innovation Teams?
Fröhlich: Ein klares Ja. Zunächst hatte ein interdisziplinäres Team, bestehend aus redaktionellen und kaufmännischen Mitarbeitern, nebenamtlich die Aufgabe, neue Geschäftsfelder und eine Innovationskultur hier im Haus zu fördern. Als sich jedoch abzeichnete, dass ein spezielles Team zielführender war, wurde der Prozess gebündelt und das Innovationsmanagement geschaffen. So kam ich im Januar 2018 zur Spiegel-Gruppe, um die neugeschaffene Position der Leiterin Innovation anzutreten. Wir sind mittlerweile drei Personen und arbeiten eng mit den einzelnen Fachabteilungen und den Redaktionen zusammen, um gemeinsam zu erarbeiten, wie wir unser Haus noch stärker an das Thema heranführen können. Kollaboration und Austausch sind dabei unerlässlich.
Und obwohl wir noch lange nicht alle Potenziale zur Innovation in der Spiegel-Gruppe gehoben haben, fällt das Thema hier auf fruchtbaren Boden. Als Mitarbeiter eines Medienhauses gehen wir alle mit einem sehr wachen Blick durch die Welt. Häufig geht es also eher darum Ideen und Verbesserungsvorschläge in einen strukturierten Innovationsprozess zu gießen und nicht so sehr darum, überhaupt aus dem bekannten Trott herauszukommen.
Im Idealfall gäbe es übrigens kein Innovationsmanagement, da das Thema schon so tief verankert wäre, dass alle Mitarbeiter von sich aus in jeder Situation mögliche Innovationen im Blick haben. Mein Ziel ist also, dass es im Unternehmen Prozesse und Strukturen gibt, in denen Innovationen eine Selbstverständlichkeit sind.
Hierbei werden sie von ‚Facilitatoren‘ unterstützt, die Hilfestellungen bieten, um Methoden wie Design Thinking und Lean Startup erfolgreich einzusetzen. 2018 waren es sechs Ideen, die es im Anschluss in die Prototypphase geschafft haben. Danach folgt eine Auswahlphase, ähnlich wie bei der Höhle der Löwen, die allen offen steht. Dies ist ein wichtiger Teil des Kulturwandels: Wir wollen, dass die Projekte gesehen werden und inspirieren. Letztes Jahr haben es drei Ideen in diese Runde geschafft, zwei davon setzen wir derzeit im Haus um. Eine davon ist ‚Gespiegelt‘, ein YouTube-Format, das Spiegel-Inhalte näher an die junge Zielgruppe bringen soll.
Hamburg News: Was ist die beste Innovation, die Sie bisher vorangetrieben haben?
Fröhlich: Wir haben das Innovationsmanagement von Grund auf neu gedacht und gezeigt, dass es integraler Bestandteil eines modernen Unternehmens ist. Dazu gehören nicht nur Kreativität, sondern auch fachliche Kompetenzen – das nimmt dem Ganzen diesen ‚Verspielt-Status’. Wir beim Spiegel arbeiten zum Teil in rückläufigen Märkten, deshalb geht es darum, sich immer wieder selbst neu zu erfinden. Darüber hinaus denke ich, dass wir in den vergangenen Jahren eine Menge Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit geleistet haben. Ich glaube, dass der Begriff Innovation für viele lange als Buzzword galt. Dadurch, dass über das Innovationsmanagement eine Konkretisierung stattgefunden hat, ist der Begriff nun im Haus akzeptiert, denn die Mitarbeiter können damit etwas verbinden.
Hamburg News: Wie bedingen sich Fehler und Innovationen?
Fröhlich: Rückschläge wird es in Innovationsprozessen immer geben. Das Neue ist nur bedingt planbar, da es nicht auf Erfahrungen basiert. Als Unternehmen haben wir durch die Innovationsarbeit vieles gelernt, vor allem über Strukturen und Prozesse: Wie werden Innovationen im Haus aufgenommen? Wie erreichen wir die Kollegen? Wie können wir es den Mitarbeitern einfacher machen, Innovationen umzusetzen? Natürlich gibt es auch Projekte, aus denen nichts wird, beispielsweise ein Videoportal für Flugzeugliebhaber. In diesem Zusammenhang habe wir die erste Fuckup-Night bei uns im Haus veranstaltet, die hervorragend ankam. Dieser Kulturwandel ist sehr wichtig, um ein traditionelles Unternehmen zu befähigen, innovativ zu sein. Wenn man nicht über seine Fehler und was man daraus geschlossen hat, spricht, kann man auch nichts daraus lernen. Ich persönlich bin dafür, mit allen Projekten so offen umzugehen: Was kann man sowohl positiv als auch negativ daraus lernen? Dafür braucht es Transparenz und Kommunikation.
Hamburg News: Welche Rolle spielen Startups für die Spiegel-Gruppe?
Fröhlich: Wir pflegen einen Open-Innovation-Ansatz; wir öffnen also unseren Innovationsprozess nach außen. Der Spiegel ist beispielsweise am Next Media Accelerator in Hamburg beteiligt. Einerseits holen wir uns die Medien-Startups ins Haus, um Inspiration in die einzelnen Fachabteilungen zu bringen. Es ist immer wieder spannend, diesen Gründer-Spirit erlebbar zu machen und zu zeigen, wie diese innovationsgetriebenen Menschen funktionieren. Andererseits wollen wir den Startups die Möglichkeit geben, mit etablierten Medien in den Austausch zu gehen. Darüber hinaus haben wir letztens eine Innovationstour durch Hamburg gemacht. Zusammen mit Kollegen haben wir junge Unternehmen außerhalb der Medienbranche besucht. Zu sehen, wie diese Menschen für ihre Ideen brennen, ist immer wieder inspirierend.
sb/kk
Das Gespräch führte Sarah Bischoff.