„Agrarreste werden in Deutschland als Wertstoffe betrachtet“, weiß der gebürtige Kolumbianer. Ein Teil dieser Wertstoffe wandert als Dünger wieder zurück in den Boden. Der Rest wird – kostenpflichtig – entsorgt. Gordillo setzt statt auf Entsorgung auf Recycling und nutzt die Pflanzenreste als Rohstoff, um daraus beispielsweise Verpackungen zu produzieren. „Re-Packing“ nennt er den Ansatz, bei dem etwa Tomatenverpackungen zu 100% aus Tomatenpflanzen hergestellt werden.
Das Aus für Einwegprodukte aus Plastik rückt näher. Ende Oktober stimmten die EU-Staaten auf Botschafterebene für ein entsprechendes Verbot, für das sich zuvor bereits das Europaparlament ausgesprochen hatte. Diese Entwicklung dürfte ganz im Sinne von Eduardo Gordillo sein. Sein Startup Bio-Lutions bietet eine ökologische Alternative zu Plastik: Einweggeschirr und Verpackungen aus Agrarresten.
„Re-Packing“: Tomatenverpackungen aus Tomatenpflanzen
330 Millionen Tonnen Plastik pro Jahr
Möglich wird das durch ein patentiertes Verfahren, das es erlaubt, selbstbindende Fasern aus weichen Agrarabfällen – Holz ist zu hart – herzustellen und per Faserguss in jede gewünschte Form zu bringen. „Wir sprechen hier von einem mechanischen Verfahren, ganz ohne Chemie und mit nur sehr wenig Wasserverbrauch. Und das Produkt ist zu 100% biologisch abbaubar“, betont Gordillo die Umweltverträglichkeit. „Aktuell bieten wir damit weltweit die ökologischste Alternative zu Plastik an“. Andere Unternehmen werden folgen, ist der 52-Jährige überzeugt.
Den Wettbewerb fürchtet er nicht. „Wir sprechen von mehr als 330 Millionen Tonnen Plastik, die jährlich weltweit hergestellt werden. Ein Unternehmen allein kann da gar nicht ausreichend Alternativen produzieren.“ Um einen weitreichenden Materialwechsel herbeizuführen – und das ist sein Ziel – müsse es weitere Produzenten geben. „Wir wollen etwas bewegen. Darum streben wir eine Massenproduktion an und kein Nischenprodukt“, erklärt Gordillo.
Ehrgeiziges Ziel: 40 Fabriken in 40 Ländern bis 2024
Kostengründe spielen dabei allerdings auch eine Rolle. „Verpackungen werden aktuell entweder aus Öl oder Zellulose hergestellt. Wer mit diesen Standardmaterialien konkurrieren will, muss preislich wettbewerbsfähig sein.“ Daher hat sich der Architekt und Industriedesigner für die Dezentralisierung der Produktion entschieden. Sein Ziel: Bis 2024 40 Fabriken in 40 Ländern an den Start bringen. Im August hat Bio-Lutions in Bangalore eine erste Fabrik für biobasierte Verpackungen und Einweggeschirr in Betrieb genommen – die indische Politik ist entschlossen, das gravierende Plastikproblem anzugehen und ein Umdenken herbeizuführen. 2019 sollen drei weitere Fabriken folgen: Eine zweite in Indien, eine in Thailand und eine in Brandenburg. „Die dazu notwendige Finanzierungsrunde steht kurz vor dem Abschluss“, sagt der Gründer.
Hamburg lockt kluge Köpfe
Und auch wenn Gordillo im Grunde nichts gegen Nachahmer hat, seinen Wettbewerbsvorteil will er halten. Vier der aktuell 11 Bio-Lutions-Mitarbeiter sind im Bereich Forschung und Entwicklung damit beschäftigt, mit neuen Pflanzen zu experimentieren oder neue Produktionswege zu entwickeln. Und Gordillo sucht weitere kluge Köpfe. „Wir brauchen junge engagierte Talente, die mit frischem Blick und anderer Perspektive Lösungen austüfteln.“ Hamburg als Standort helfe bei der Talentsuche. „Die Stadt wird als cool wahrgenommen. Wenn ich also einem Spanier erzähle, er müsse für den Job nach Hamburg ziehen, sagt der sofort: Kein Problem!“
ys/kk
Quellen und weitere Informationen
Bio-Lutions ist eine Ausgründung der upgrading GmbH, ein 2005 von Eduardo Gordillo gegründetes Unternehmen, das Displays für Unternehmen wie Beiersdorf, Philips, Bijou Brigitte oder Porsche Design entwickelt und produziert. Die erste Bio-Lutions-Fabrik in Bangalore wurde mit Unterstützung des Programms Up-Scaling realisiert. Dabei finanziert die KfW-Tochter DEG (Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft) innovative Geschäftsmodelle junger Unternehmen in Schwellen- und Entwicklungsländern.
Das Bio-Lutions-Verfahren wurde bereits mehrfach ausgezeichnet. So gehörte das Startup etwa zu den Top 3 beim Greentech Award 2018 oder wurde für den Next Economy Award in der Kategorie Resources nominiert.